Montag, 28. Dezember 2020

Leere – Abgrund oder Tor?

In bestimmten Momenten erleben wir eine Leere in uns. Ein tiefes Gefühl, dass nichts diese Leere wirklich füllen mag. Aus Gewohnheit oder weil wir es nicht besser wissen, stopfen wir das empfundene Loch in uns mit Aktivität, mit Dingen, mit Menschen oder schlimmstenfalls mit schlechtem Fernsehen. Das Gefühl von tiefgreifender Leere kann uns Trauer empfinden lassen und in eine Depression führen. Sie wird als etwas betrachtet, dass wir besser schnell wieder los werden. Wir denken, sie ist ein gefährlicher Makel, dem ein weltlicher Mangel zugrunde liegt. Menschen, welche die Leere öfters empfinden, machen jedoch die Erfahrung, dass sie nicht mit Objekten zu füllen und nicht wirklich zu beseitigen ist.

Diese Leere ist noch tiefgreifender als das Gefühl der Langeweile, welche ein Aufhänger für den letzten Text war. Die Langeweile kann noch bedient werden, sie kann durch Aktivität beseitigt werden oder wir vermögen ihre Natur rasch durch eine Frage zu entlarven. Die Leere ist in ihrem Wesen substantieller.

Es ist, als könne uns das Leben nichts wirklich Erfüllendes mehr bieten – nichts, was irgendwie von Bestand ist und nicht den fahlen Beigeschmack der Vergänglichkeit in sich trägt. Eine Weile können wir die Leere vielleicht überspielen und uns selbst Zufriedenheit vorgaukeln. Vielleicht wandern wir von Job zu Job, von Partner zu Partner, von Ort zu Ort, bloß um nach einiger Zeit wieder die Leere in uns zu spüren. Ein starker Geist, eine zielstrebige Natur kann uns dabei leicht zum Verhängnis werden, akzeptieren diese Eigenschaften doch keine Schwäche. Aber diese Leere ist keine Trägheit, keine Depression und keine Lustlosigkeit – die Unkenntnis um den rechten Umgang mit ihr, lässt sie lediglich diese Charakterzüge hervorbringen.

Wenn wir schlafen und träumen aber unser physischer Körper hungrig ist, dann kann keine erträumte Speise uns jemals sättigen. Rastlos irren wir im Traum umher und versuchen vergeblich den Hunger zu stillen. Aber es hilft nichts, wir müssen aufwachen und das Bedürfnis unseres Körpers nach Nahrung stillen.

Die Leere spiegelt ein tieferes Bedürfnis und nichts, was diese Welt zu bieten hat, kann sie füllen. Sie ist ein Ausdruck des Hungers unserer Seele, die nun diesen Traum, den wir Leben nennen, zu Ende träumen möchte und den Blick wieder auf ihre wahre Heimat richtet. Viele haben diese Transformation durchlebt und sind zunächst in einer Art Depression gelandet. Ich erinnere mich unter anderem an Bücher von Eckhart Tolle oder Jeff Foster. Das sind gute Beispiele, da beide in unserer westlichen Zivilisation an ihre Grenzen stießen, keine Erfüllung fanden und sehr eindrücklich die Phase der Depression und die empfundene Sinnlosigkeit ihres Lebens beschrieben haben. Sie wurden durch ein inneres Erwachen „gerettet“ - sie erkannten, dass sie bereits vollkommen sind und einer Illusion nachhingen, die sie fälschlicherweise Leben nannten.

Natürlich überkommt nicht jeden diese tiefe Verzweiflung und nicht jeder erlebt die Unfähigkeit, überhaupt noch am Leben teilnehmen zu können. Es ist eine Gnade, diesem inneren Ruf irgendwie entsprechen zu können. Ihn zu bedienen mit Phasen der Innenschau, mit stillem Sitzen, mit Meditation oder mit einem Lehrer, der diesen Weg bereits beschritten hat. Es bedarf für manche des Erkennens, des Differenzierens und der Stille. Für andere der Hingabe, des Dienens und der Liebe.

Gute Wege enden in der Selbstvergessenheit, in welcher das göttliche Erleben zum Zentrum des Seins wird. Die Vorstellung von einer Person geht auf diesen Wegen verloren. Verloren im Sinne von nicht existent, von nicht wichtig, da „wir als Person in einer Welt“ nur eine Idee sind, die zu lange bedient wurde. Dann kann sich die Leere in Erfüllung wandeln. Meist sogar langsam und beständig - selten sind wohl eher die überwältigenden, plötzlich explosiven Transformationen im Bewusstsein, wie von obigen Beispielen beschrieben. Es braucht auch keine mystische Erleuchtung, um die Schönheit in allem zu erkennen. Der Weg an sich ist dann Erfüllung genug.

Samstag, 12. Dezember 2020

Oh Langeweile, getreuer Fingerzeig!

Einem eifrigen Praktizierenden des Atma Vichara - der Suche nach dem Ich – ist alles was in und um uns geschieht eine willkommene Gelegenheit. Eine Gelegenheit zur Innenschau, zur Überprüfung, wem das jetzt eigentlich widerfährt, was auch immer im Moment geschieht.

Alles, was wir an Eindrücken aufnehmen und von dem wir glauben, dass wir es wahrnehmen, dass es uns betrifft und beeinflusst; dass es der Person, die wir sind, geschieht - dies alles dient der Überprüfung der von uns geglaubten Wahrheit, dass wir eine Person in einer Welt sind. Die Wahrheit, dass es uns und das andere gibt – mich und die Welt, mich und die anderen Leute...

Wir verstehen überhaupt nicht, bevor wir uns dieser Suche nach einer tieferen Wahrheit widmen, wie verletzlich und traurig uns dieser Glaube machen kann. Die Person ist durch den Geist bestimmt, durch den Glauben, die Weltsicht, die Prägung und allen Gedanken und Emotionen, die aus der persönlichen Anpassung des Geistes an diese Welt resultieren.

Der Körper ist dabei das Bindeglied, als Produkt dieser Welt, die ihn formte und den Geist, der an den Körper gebunden ist.

Atma Vichara löst diese Vorstellungen auf. Wir überprüfen dabei direkt am Ursprung aller weiteren Vorstellungen, ob diese wahr sein können, einfach nur, indem wir unser Ich in den Fokus rücken.

Aktivität contra Nichtstun

Um überhaupt offen für diese Suche oder diesen verschärften Blick zu sein, ist das Verweilen eine Voraussetzung – so wie ein Fechter, ein Bogenschütze oder ein Kampfkünstler auf einen stabilen Stand angewiesen ist, so erfordert Atma Vichara eine innere Haltung der Stille, des aufmerksamen Blicks.

Das genaue Gegenteil dieser für die Innenschau erforderlichen Haltung ist die Zerstreuung. Welche Ironie, in einer Gesellschaft zu leben, die sich in einem ständigen Kampf gegen das Nichtstun und die gefürchtete Langeweile befindet. Neben der Arbeit wird noch vielfältigen Aktivitäten nachgegangen, nebenbei wird das Smartphone gecheckt und die freie Zeit ist auf Wochen hinaus verplant. Verpönt ist, einfach nur dazusitzen und vor sich hinzustarren – das Nichtstun dem emsigen Treiben vorzuziehen. Ein trügerisches Vorurteil, dass leicht zu entkräften ist, wenn man weiß, wie Nichtstun wirklich geht und wie viel Glück es erfahrbar macht...

Ich bin´s doch

Wer ahnt schon, dass die verhasste Langeweile ein Fingerzeig, ein Rettungsring ist, den wir ergreifen können? Sie macht die Aktivität des Geistes spürbar in einem Moment, der uns die Gelegenheit gibt, einfach zu hinterfragen, zu wem diese Langeweile, dieses Gefühl eigentlich kommt. Denn wie jeder Gedanke, jede Körperempfindung und jede andere Emotion lässt sich natürlich auch ein Gefühl der Langeweile im Hinblick auf den Adressaten hinterfragen.

Die Antwort auf die Frage: „Zu wem kommt dieses Gefühl?“, ist zunächst immer: ich empfinde die Langeweile. Sie kommt zu mir, ich nehme sie wahr, in meinem Geist und meinen Empfindungen. Es entsteht dabei eine Empfindung für dieses Ich, eine persönliche Geschichte, die sich in Bildern aufdrängen will. Ich bleibe in diesem Moment bei der Empfindung von Ich, bei dem was schaut und was in diesem Beispiel die Langeweile erkennt. Das ist eine klare bekannte Empfindung von Ich, dem Zentrum, um welches die Person konstruiert ist – dieses Ich ist das Selbstverständnis, das wir haben.

Dieses Selbstverständnis, dieses Ich wird in dem Moment gesehen und erkannt. Es wird erkannt von etwas, dass für den Geist nicht greifbar ist, weil es den Geist beobachtet und nicht der Geist ist.

Wollen wir diesen Beobachter erkennen, dann erfordert dies eine weitere Frage. Die Frage lautet „Wer bin ich?“ oder (nach Belieben): „Was bin ich?“ oder „Was ist das?“. Diese Frage wird ohne Absicht gestellt, eine Antwort zu erhalten. Wer eine Antwort denkt, hat diesen Schritt verbockt. Nicht schlimm, Atma Vichara ist wie ein Spiel, das man den ganzen Tag spielen kann.

Ich bin

Die eigentliche Antwort oder besser gesagt: das eigentliche Erleben, das aus dieser Frage resultiert ist eine Bewegung des Bewusstseins. Unser Ich-Empfinden wandert vom Kopf ins Herz. Dabei entsteht das Gefühl von Raum, von aufgelöst-sein, von Freiheit und Liebe. Wenn wir darin verweilen, sind wir unserem eigentlichen Ich ein ganzes Stück näher. Wie wir diese tiefere Wahrheit nennen, spielt dabei keine Rolle. Man kann es „Ich bin“ nennen, als Hinweis, dass es eine freie Individualität ist, die wir sind, ungetrübt von persönlichen Dingen, einfach frei und seiner Göttlichkeit bewusst.

Fantastisch, dass dies durch eine einfache aufmerksame Frage erfahrbar ist.

Schrumpfkopf

Es ist aber genauso fantastisch zu sehen, wie schnell wir aus diesem natürlichen Sein wieder in den Kopf wandern und zu einem problembeladenen Wesen schrumpfen. Der Kopf bzw. die Gedanken treiben das freie Sein wieder in die Person. Ohne Gedanken sind wir ein glücklicher Niemand, mit Gedanken ein schrumpfkopfiger Jemand.

Gute Schwestern

Atma Vichara, das muss ich hier ein letztes Mal betonen, ist ein wunderbar leichter Weg, unser wahres Selbst zu erfahren. Wir können dabei mit allem Arbeiten, was der Moment so bietet. Jeder erdenkliche Mist führt mit der rechten Frage in ein freies, glückliches Sein.

Atma Vichara ist damit die geschickte Schwester der Meditation, die den Weg in einen meditativen Zustand weisen kann. Sie bereitet vor und ist der Fingerzeig, dem wir folgen. Die eigentliche Meditation ist das entspannte, gelöste Verweilen in diesem Zustand.

 

Sonntag, 22. November 2020

Shine on!

Novembersonne – draußen ist es kühl und dennoch wärmt sie noch angenehm. Unzweifelhaft lebt es sich mit Sonnenlicht ein bisschen leichter - die Welt wirkt einladend und freundlich. 

Unter freiem Himmel stehen und mit zusammengekniffenen Augen die warmen Strahlen genießen. Und wenn es nur ein paar Minuten sind. Welch´ schöne Abwechslung zu den regnerischen Tagen.

Die Sonne scheint durch die kahlen Baumkronen. Sie ist wie ein Gleichnis für etwas, das ich kaum beschreiben kann, ohne kitschig zu klingen. Sie erinnert an das Licht, welches mich jede Nacht umhüllt, wenn ich mit geschlossenen Augen im Bett liege. Wenn plötzlich alles hell und warm wird und das Leben nicht leichter sein kann.

Da sind diese Assoziationen, wie liebevoll und schützend. Das Licht wirkt wohlig - es spendet Leben und hält uns warm. Und es erinnert an das, was viele erleben, die sich in die Stille fallen lassen. „Das Licht des Herzens“, muss ich denken – die abgegriffene Umschreibung, die ich vermeiden wollte; die Umschreibung, die den Nagel aber auf den Kopf trifft. Es ist unser Zuhause, unsere innere Heimat, welche doch immer hier ist. 

Bedingungslose Liebe ist ein Tor in die Stille, unser eigentliches Wesen. Hier, wo es kein Zweites mehr gibt, wortlos, unbeschreiblich.

Aber bereits im Licht versiegen die Gedanken und vermögen das Gemüt nicht zu beschweren. So sind es doch meist bloß die Gedanken an gestern oder morgen, welche jeden Moment ruinieren können und daran hindern, uns mit den Wundern des Lebens treiben zu lassen. Bleischwer lassen sie uns im Fluss des Lebens untergehen, bis wir im trüben Schlamm kleben und uns die Dunkelheit umhüllt. 

Manchmal helfen ein paar Sonnenstrahlen, um uns an die Leichtigkeit im Leben zu erinnern, 

Sonnenlicht ist in dieser Zeit ein schönes Geschenk.“, kommt mir abends in den Sinn, während ich für den Tag danke. Die schönen Dinge sind oft so einfach und doch so wundersam.


 

Sonntag, 8. November 2020

König des Herzens

Gehört dein nächster Gedanke jemandem? Frage dich, wer dieser Jemand sein sollte - suche nach ihm. Was findest du? Erinnerungen? Vorstellungen? Eine Geschichte? Ein Gefühl oder eine Empfindung? Könntest du das sein? Vergänglich, kurz aufflackernd? Suche weiter, wenn es dir möglich ist. Es ist eine Gnade, genau hinschauen zu wollen – das Verlangen zu haben, sich selbst zu erkennen.

Die Suche endet im Nichts. Zwischen den Gedanken und Gefühlen ist immer Leere. Und das, was sowohl die Bewegungen im Geiste als auch die Leere bemerkt, ist zwar immer da aber nicht zu fassen, nicht zu begreifen.

Dieser Jemand steht im leeren Raum und ist nicht existent, wenn wir ihn suchen. Nichts als Schall und Rauch, Worte und Trugbilder.

Du findest nur das Erkennen an sich. Das Erkannte, der Erkennende und das Erkennen verschmelzen, sind eins. Nur der Geist trennt, der Verstand seziert in Millionen Teile. Lass dich von der Illusion der Vielfalt nicht ablenken.

Der Blick darf im Herzen ruhen, still und klar, mitten im Licht, das du dort erkennen kannst. Bleib mit der ganzen Aufmerksamkeit hier und lass alles andere geschehen.

Keine Gedanken, kein Wunsch, ein Jemand zu sein. Wir alle sind der gleiche Niemand, ein glückliches, paradoxes, extrem reiches Nichts. Ein Nichts, das wir niemals verstehen und an das der Verstand nicht reicht. Hier darf alles fallen, was einem Jemand scheinbar gehört.

Ja, es bleibt immer die Versuchung, ein Jemand zu sein. Ein Jemand mit Grenzen, jemand, der alleine ist oder aber in schlechter Gesellschaft. Jemand braucht immer jemand, irgendwas und das nächste. Und ein Jemand weiß, dass auf Sonnenschein der Regen folgt und umgekehrt. 

Jemand ist niemals frei aber muss immer wichtig sein.

Dualität oder Freiheit, Bedürfnis oder Liebe, Saturn oder Sonne... ersteres braucht immer einen trügerischen Jemand, um überhaupt relevant zu sein; letzteres ist einfach, was wir alle sind.

Im Herzen kann ein Jemand nicht existieren. Ohne Gedanken stirbt er einfach und niemand wird ihn vermissen. Die Qualität des Herzens ist nicht fassbar und bedingungslos. Da ist niemand ein König, sondern ein Königreich ohne Grenzen, ohne Anfang und Ende.

Der König des Herzens ist allumfassend, unpersönlich und grenzenlos. Er verschwindet in der Liebe zum Sein und zeigt seine Qualitäten in einem Jemand, der erkannt hat, dass er immer ein Niemand war.


 

Sonntag, 11. Oktober 2020

Reife Leistung und ungewöhnliche Anforderungen

Keiner weiß es besser, wenige kennen sich so gut aus.“ Vielleicht sagen das nur wenige derart direkt, aber insgeheim ist unpassende Arroganz eine populäre Haltung, der ich des Öfteren begegnet bin. Dabei lässt sich das Dilemma leicht erahnen: der durch die persönliche Lebensführung unvermeidbar gewordene, persönliche Höhenflug zwingt irgendwann zu einer ebenso unvermeidbaren, persönlichen Landung.

Die Erhöhung der Person ist ein Wesenszug eines modernen Auftretens im beruflichen und gesellschaftlichem Leben, sofern man eine Position einnimmt, welche Verteidigungsmaßnahmen erfordert. Die Verteidigung des Rufs, der Kompetenz, des Ranges und allem, was der Person die Wichtigkeit verleiht, welche nicht bloß die Berechtigung zum guten Leben erteilt, sondern auch mit gesellschaftlichen Rechten einhergehen soll. Ähnlich wie ein Schmetterling erblüht der erfolgreiche Mensch im günstigen Fall für eine kurze Phase in seinem Leben zu einer bewunderten Person, der Anerkennung gebühren muss.

Mit aller Deutlichkeit wird gesellschaftlich kommuniziert, dass Fleiß, Intelligenz, Leistungsbereitschaft und verschiedene andere Skills den Erfolg begünstigen. Damit ist das Bild einer Person abgerundet, die den Erfolg verdient hat.

Wer schon einmal wichtige Geschäftsleute, z.B. am Nachbartisch im Restaurant beobachtet hat, kann neben fachlichen Gesprächen auch eine leicht erkennbare Hackordnung ausmachen. Der Rudelführer lässt sich hier ebenso leicht erkennen, wie in jeder anderen Gruppe sozialer Tiere – Hunde, Wölfe, Pferde, Schimpansen – überall wird ein ähnliches Verhalten gezeigt. Im Tierreich dient dies der Überlebensfähigkeit einer Gruppe, da z.B. der stärkste Affe oder Hengst sein Erbgut weitergeben darf und über diverse Rechte verfügt, um die Gruppe erfolgreich zu leiten.

Diese natürliche Regelung macht selbstredend nur beschränkt Sinn am Tisch der Geschäftsleute, auch wenn die Parallelen im Gehabe offensichtlich sind. Es ließe sich noch eine Sinnhaftigkeit im Bezug auf eine erfolgreiche Unternehmung machen, sofern der Schlauste und Fähigste in der Gruppe tatsächlich diese Unternehmung leitet. Die Zweifel sind diesbezüglich unter Tieren rarer gesät als in einer Gruppe Menschen, welche selbstredend kniffligere Methoden kennen, um die Karriereleiter emporzusteigen.

So weit so gut. Problematisch kann es dann werden, wenn eine Wahrnehmungsstörung die Person dazu beflügelt, diese berufliche Position in andere Lebensbereiche hineintragen zu wollen. Sei es nun die nervige Prahlerei im sozialen Raum oder die dauerhafte Betonung, alles ließe sich managen, wenn man es nur richtig angeht, inklusive Optimierungs(rat)schlägen. Zuletzt durfte ich noch beobachten, wie ein älterer Alpha-Geschäftsmann wie selbstverständlich eine junge Kellnerin in eine unnötig lange Prahlerei über seine beruflichen Leistungen verwickelte, inkl. Lebenstipps für die junge Frau, und wie er selbstverständlich davon ausging, dass die junge Dame dies zu interessieren hat. Diese peinliche Überhöhung der Person findet sich in Ansätzen wie ein Pilzgeschwür in der ganzen Gesellschaft. Das ist dann nicht nur ein rein männliches Problem, sondern bezieht auch die gefühlte Wichtigkeit vieler Frauen ein.

Mir sind auch Narzissten bekannt, die beruflich sehr erfolgreich sind. Den ein oder anderen Narzissten kennen wir alle aus den Medien. Narzissmus ist ein anerkannte Störung der Selbstwahrnehmung, die sich durch eine irritierende Selbstverliebtheit äußert. Trotz dieser auf persönlicher Ebene eher abstoßenden Eigenschaft, kann diese krankhafte Selbsterhöhung den beruflichen Erfolg noch beflügeln. Ich kann nicht anders als zu fragen, was dieser Umstand über unsere Gesellschaft und unsere Kultur aussagt?

Anhand der sich ändernden pädagogischen Ziele kann man ablesen, wie sich eine Gesellschaft wandelt. Waren es in den 50er Jahren noch Werte wie Disziplin und Gehorsam, sind heute Selbstbewusstsein und Ellenbogen angesagt. Dies zeigt, dass sich das gesamte gesellschaftliche Klima verändert hat. Niemand möchte, dass sein Kind beruflich untergeht und ermutigt es eher, sich mit verschiedenen Mitteln durchzusetzen.

Die veränderten Erziehungsziele lassen sich auch in Verbindung bringen mit dem aufkeimenden Neoliberalismus der 80er Jahre, der Amerika zu dem gemacht hat, was es heute ist und auch an uns leider nicht spurlos vorbeigeht. Es fragt sich, was auf den Raubtierkapitalismus folgt: nun, die Anzeichen sind nicht zu übersehen, wir befinden uns an einem Wendepunkt. Entsprechend werden sich die Wertevorstellungen in den kommenden Jahrzehnten wohl wieder anpassen und, kurz gefasst, zu mehr Tugenden der Vorsicht in stark kontrollierten Gesellschaftsformen tendieren – davon bleiben dann auch Erziehungsideale nicht ausgenommen.

Ich werde das vielleicht an anderer Stelle nochmal ausführen. Hier geht es mir um eine andere Frage, denn die Probleme der Zeit lassen sich nun mal nicht politisch lösen und sie werden sich vermutlich niemals lösen lassen. Warum sollte sich nach X-Jahrtausenden menschlicher Gesellschaften etwas an den hervorstechenden Merkmalen, wie Krieg und Untergang ändern? Das Drama des Lebens sieht dies vermutlich nicht vor. Und moderner Kapitalismus ist wahrlich keine Gesellschaftsordnung, die auf Langlebigkeit ausgelegt wurde. Jeder zusätzliche Milliardär ist ein Marker für den bevorstehenden Kollaps einer Demokratie.

Beginnen wir also lieber bei uns selbst und der Frage, wie weit die Mechanik von Körper und Psyche, die eine (geglaubt) wichtige Person zu erschaffen vermag, in unser Wesen reicht? Wie tief ist diese Person im Wesen des Menschen verankert?

Wir haben uns angewöhnt, von einer großen Tiefe in unserer Psyche auszugehen. Dabei ist die Kruste, welche die Person ausmacht, in der Gesamtsphäre des Menschen eher eine winzige Größe. Die Eigenschaften und Eigenarten einer Person verschwinden bereits mit der Fähigkeit eine fortgeschrittene meditative Haltung einzunehmen. In der gedanklichen Stille verschwinden die Ideen und Erinnerungen. Die Vorstellungen über uns müssen gedanklich immer wieder erneuert werden, damit wir uns damit identifizieren können. Verschwinden die Ideen über uns selbst, verschwindet auch die Person. Was bleibt ist eine schöne Aura des Friedens und eine liebevolle Haltung allem gegenüber.

Menschen, die sich auf einen solchen Weg einlassen, verändern sich über die Jahre dramatisch hin zu sanfteren und zugleich kompromissloseren Wesen. Kompromisslos in der Wahrheitsliebe und in dem Bedürfnis, die Tiefe des wiedererkannten Selbst auszuloten.

Der Mensch reift von einem mit der Person identifizierten, hin zu einem Wesen, dass keine Probleme mit seiner wachsenden Unwissenheit hat und seine eigene Gegenwart am liebsten in Stille genießt. Die Unwissenheit wächst, da sich alle Konzepte nach und nach als falsch erweisen: Konzepte über uns selbst, die Welt, den Sinn des Lebens.

Die Begegnung zwischen Menschen ändert sich ebenfalls in diesem Prozess. Es gibt die oberflächlichen Begegnungen von „Wie heißt du und was machst du beruflich?“. Diese dienen einer gedanklichen Einordnung auf Basis verschiedener Konzepte, die wir über Menschen gespeichert haben. Das ist die langweiligste und unwürdigste Form, wie wir anderen begegnen können. Man kann die Schubladen im Fragenden aus einer stilleren Perspektive regelrecht aufspringen hören – die Kategorisierung von Menschen erfolgt schnell, bequem und unbewusst.

Dabei laufen wir Gefahr, die wichtigsten Aspekte im Gegenüber überhaupt nicht zu erfassen und gleich einem Schlafwandler, blind und voller Illusionen, das eigentliche Leben zu versäumen. Wir funktionieren dann gemäß einer Programmierung, welche das Produkt unserer bisherigen Lebenserfahrungen ist – ein Leben als Automat, der das Leben immer weniger hinterfragt.

Direkter aber auch wenig verbreitet, ist eine Begegnung in der Stille. Sind wir selbst still, sind unsere Gedanken ruhig und absichtslos, erfassen wir den Menschen zunächst in dem dem, was nicht still ist und können erahnen, was dahinter verborgen ruht.

Ist der andere auch still, wird die Begegnung erhebend. Ihr entspringt dann reine Freude und eine liebevolle Haltung, die unserer unverfälschten Natur entspricht. Diese Begegnungen sind selten und wertvoll und ein Zeichen größerer Reife. Das ist es, was als „noble company“ bezeichnet wird und was unserer Entwicklung hilfreich ist, da mehrere Menschen gemeinsam auf das gemeinsame Wesen ausgerichtet sind und sich selbst im anderen wiedererkennen dürfen.

Es ist die Anforderung an ein soziales Leben, welches vonnöten ist, um die Perspektive für die Wahrheit nicht zu verlieren. Diese Anforderung ist zugleich ein Bedürfnis und ein lebendiger Ausdruck der Stille in uns. Wir verlieren dabei mehr und mehr die Fähigkeit, gesellschaftlich angemessen auf Heucheleien zu reagieren. Aber das ist ein geringer Preis für die Erkenntnis, dass wir nicht nur die Marionetten in einem Spiel, sondern zugleich auch die Puppenspieler, die Bühne und die Zuschauer sind.

 

Dienstag, 6. Oktober 2020

Das Lügenkarussell


Das Lügenkarussell, es dreht sich immer schneller. Eigentlich, so mag man denken, müsste den Akteuren angesichts ihrer Lügen mittlerweile speiübel sein – vielleicht sind sie aber auch einfach an den Geschmack von Verdorbenem gewöhnt.
Als Zuschauer ist es jedenfalls nur schwer zu ertragen, mit welcher Geschwindigkeit hirnrissige Absurditäten an die Bevölkerung abgesondert werden. Vielen einstigen Unterstützern ist das eifrige Nicken mittlerweile vergangen, andere können nicht mehr damit aufhören. Wem die Sorge um die Gesundheit nicht den Verstand zerfressen hat, blickt fragend auf die Meldungen und weiß nicht mehr so recht, was das alles soll.
Für mich ist es eine dankbare Zeit des Chaos, in der das Übel mehr und mehr ans Tageslicht tritt. In dem Chaos liegt viel Ruhe. Für andere bedeutet diese Zeit, dass die eigene Verwirrung, lähmende Wut, Angst und Enttäuschung eine größere Bühne bekommt und endlich beachtet werden kann. Dann sind da noch diejenigen, welche immer noch an den geliebten Alltag glauben und auf eine rettende Spritze warten – hoffend, dass die Vergangenheit zurückkehrt.
Nein, jetzt ist die Zeit, das große Spiel zu überschauen und hinter sich zu lassen. Die vielen Wegweiser sind kaum noch zu übersehen. Es liegt kein Heil in der Welt, keine Rettung in der Zukunft. Eingesperrt sollt ihr sein, an ein unsichtbares Schreckgespenst sollt ihr glauben, sagt der Ansager im Lügenkarussell. Dreht euch für immer und vergesst jede Vernunft.
Aber wen sollen die Psychopathen schrecken mit ihren Märchen? Jeder Mensch stirbt ohnehin, verfault in der Erde oder verbrennt zu Asche. Was soll für eine Person, die am Leben hängt, denn noch schlimmer sein als der ohnehin wartende Tod?
Alles ist ständig in Veränderung und die Geschichte lehrt uns das immer gleiche Dilemma: eine untergehende Gesellschaft hat ihr Haltbarkeitsdatum überschritten und war es vielleicht einfach nicht wert, zu überleben.
Nur Mut, es ist nicht mehr die Zeit, sich noch ernsthaft mit noch mehr Fakten zu befassen und den geistigen und physischen Widerstand weiter zu befeuern. Es ist Zeit, die Augen aufzumachen, die Welt als das zu sehen, was sie ist: ein Schmierentheater, das den einen wirklichen Zuschauer nicht berühren kann. Also fokussiere dich auf den einen Zeugen, der den irdischen Workshop unablässig, gütig und in Liebe beobachtet.
Denn die Existenz dieser Welt ist auch schon ihre einzige Bestimmung. Und sie existiert nur, weil wir sie in Liebe kreieren. Alles was darin passiert, geschieht in uns selbst. Wir sind der Satan, wir sind Gott das Lämmchen, das reuig in die Runde blicken und der Wolf, der das Lämmchen reißen will – Himmel und Hölle vereint im liebevollen Spiel.
Schau nicht in die Welt, schau in Dich! Es ist alles so nah. Da ist ein Gedanke, da ist ein Kribbeln, da ist noch ein Gedanke und was noch? Genau, zwischen den körperlichen und geistigen Sensationen ist nur Leere. Unendliche, befreiende Leere, die entdeckt werden möchte. Sie ist die Grundlage für alles, was erscheint. Sie ist der Hintergrund aller Bilder und Geräusche, von denen du glaubst, sie fänden da draußen statt.
In der Leere liegt Stille, und in der Stille löst sich alles in seine Bestandteile auf: in Farben und Töne, wie auf einem LSD-Trip. Die LSD-Reisenden früherer Tage kannten diesen Blick auf die Welt, konnten ihn jedoch niemals länger halten. Sie verschmolzen mit der Welt in wundervollen Farben und wussten dies nicht so recht zu deuten. Es sind die jahrtausendealten Erfahrungen, die den Schlüssel für eine beständige Änderung der Perspektive liefern: die unablässige Innenschau, welche gepflegt werden kann und vielleicht das größte Geschenk ist, das jemand erhalten kann,
Die größer werdenden Ängste, Enttäuschungen und die Wut dieser Zeit werden dadurch rettende Sprungbretter in die Freiheit – bittere Medizin, die einmal verdaut, den Blick in die Unendlichkeit gewährt.

Sonntag, 6. September 2020

Memento mori


Memento mori

Memento Mori“ ist die Aufforderung, sich des eigenen Sterbens bewusst zu werden, sich an seine Sterblichkeit zu erinnern. Ursprünglich beruht dieser lateinische Spruch auf einer Bewegung in der mittelalterlichen Kirche. Ausgehend vom Benediktinerkloster Cluny in Burgund, sollte dieser Spruch die Ernsthaftigkeit im klösterlichen Handeln bestärken. Der Tod kommt schneller, als dir lieb sein mag, also nutze die Zeit besser mit Frömmigkeit und Gewissenhaftigkeit im klösterlichen Leben. So stärkten die Benediktinermönche ihre Konzentration auf die geistige Welt und ihre Regeln, da das irdische Leben nun einmal vergänglich ist.
Dieses Thema findet sich natürlich auch an anderen Stellen in der Geschichte, nicht nur im Mittelalter, und es wird die Menschheit immer inspirieren, auch wenn die meisten Menschen ein „Memento mori“ als morbide und vor allem als überflüssig ansehen. Mit dem Ergebnis, dass der Tod verdrängt und das näher rückende Sterben mit Angst belegt sein wird. Der eigene Tod scheint ein verdrängenswertes Ereignis zu sein, mit dem man sich nur befasst, wenn es um die Weitergabe des Mammons geht und das Erbe geregelt werden soll. Man befasst sich lieber mit dem Leben und vertraut darauf, dass es hoffentlich länger als erwartet sein wird.
Dabei sterben wir jede Nacht. Im Tiefschlaf sind wir nicht mehr vorhanden, auch wenn uns der Verstand etwas anderes sagen mag, indem er daran erinnert, dass wir lediglich friedlich im Bett lagen und der anbrechende Tag auf uns wartete. Die Realität ist aber, dass wir in den Stunden des Tiefschlafs als Person nicht stattfinden. Keine Gedanken, denen wir beharrlich folgen, kein Körperempfinden, dass uns unsere Existenz bestätigt, keine Erlebnisse, die uns so wichtig sind. Es ist umso komischer, dass dies die erholsamsten Stunden im 24 Stunden Zyklus eines Tages sind. Niemand ist zudem erfreut darüber, aus dem Tiefschlaf gerissen zu werden, aus dem süßen Nichtsein. Das Leben weist uns also bereits jeden Tag aufs Neue darauf hin, dass unsere Nichtexistenz kein Drama ist, sondern ein äußerst entspannter Zustand.
Betrachten wir es rational, dann ist unser Leben nicht lang – das realisieren wir spätestens in der sogenannten Mitte des Lebens. Unser „food body“ wie Nisargadatta Maharaj unseren Körper nannte, existiert nur eine relativ kurze Zeit und auch nur, solange er gefüttert wird. Er ist das wundersame Produkt von Eizelle und Sperma und wird erhalten durch die Nahrung, die wir in eine Öffnung im Kopf einführen. Die Nahrung wandert durch den Körper, der automatisch die wesentlichen Nahrungsbestandteile nutzt und den Rest durch eine andere Körperöffnung am anderen Körperende wieder ausscheidet. Das ist alles wie ein sehr merkwürdiger Traum und hat nichts mit unserem eigentlichen Wesen zu tun, dennoch stellen wir eine Beziehung zu diesem Körperautomaten her. Diese Beziehung geht so weit – und das ist das eigentliche Dilemma - dass wir uns komplett mit diesem Körper und den Gedanken und Gefühlen, die er uns vermittelt, identifizieren.
Das „Memento mori“ kann eigentlich nur als Chance betrachtet werden, diese Identifikation in Frage zu stellen. Vielleicht wehren wir uns ja so sehr gegen den Tod, weil er einfach nicht wahr ist. Lassen wir unsere Gedanken und Erinnerungen bzw. unsere sogenannten Lebenserfahrungen, die in der Erinnerung stattfinden, weg, dann schaut das immer gleiche Wesen aus unseren Augen, ganz gleich, wie alt der Körper sein mag. Dieses Wesen ist so nah, dass wir es übersehen. Gedanken können es nicht erfassen. Wir werden uns seiner nur bewusst, wenn wir gelernt haben, still zu sein.
Somit ist ein Gedenken an den eigenen Tod in erster Linie eine Motivation bereits während des Lebens zu sterben, was bedeutet, sich, während man noch atmet, seiner eigenen Natur bewusst zu werden. Zu erkennen, dass das niemals geboren wurde und damit niemals sterben kann. Diese Erkenntnis kann in jedem Menschen erwachen, niemand muss daran glauben.
Der Glaube kann ein Werkzeug sein, aber er ist beileibe nicht notwendig, in den meisten Fällen sogar eher hinderlich. Es geht vielmehr darum, beharrlich zu forschen und alles genau zu beobachten, ohne sich durch Geist und Glaube zu beschränken. Wir sind z.B. in der Lage, jede Bewegung und jede Stille in unserem Gedankenleben zu erkennen. Warum? Weil wir kein Gedanke sind, sondern das, worin Gedanken stattfinden können. Dasselbe gilt für unseren Körper: jede Empfindung, jedes Magengrummeln, jedes Jucken und Zwicken können wir aufmerksam verfolgen. Wir existieren vor dem Jucken, während und danach. Es findet in uns statt, der ganze Körper findet in uns statt. Wir können mit geschlossenen Augen alle Geräusche wahrnehmen: Musik, Autos, das Rauschen der Blätter, Vogelgezwitscher... alle Geräusche finden in uns statt und machen uns deutlich, dass wir das Zentrum von allem sind, dass sich alles in unserem Bewusstsein abspielt. Das ist die direkte Erfahrung, die Realität. Die Gedanken wollen uns eine andere Geschichte erzählen, die Story von uns als Körper in der Welt, der etwas wahrnimmt und darin lebt – eine Geschichte, die rein gar nichts mit der Erfahrung zu tun hat, sondern lediglich ein Glaube ist. Das Leben an das wir Glauben ist ein Gedankenkonstrukt, dass leicht widerlegt werden kann, wenn wir denn nur einen Moment innehalten.

Freitag, 21. August 2020

Dankbarkeit als größtes Geschenk

Dankbarkeit als größtes Geschenk

„Dankbarkeit ist Magie“, las ich letztens. Und das stimmt. Von Herzen kommende und damit innerlich wogende Dankbarkeit ist pure, kreative Kraft. Sie kann nicht nur das Leben formen, sondern ist ein regelrechter Turbo für den Prozess der Selbsterkenntnis.
Dankbarkeit ist aber eine Fähigkeit, über die nicht jeder direkt verfügt und die oft neu erlernt werden muss. Nicht jeder weiß, wie man sich dieser Haltung annähern kann. Es kommt erschwerend hinzu, dass ihr Wert nicht erkannt wird in Gesellschaften, die darauf ausgelegt sind, sich auf Probleme und Mangel zu fokussieren und alles Erreichte auf die persönliche Leistungskraft zurückzuführen. Qualitäten wie Segen und Gnade werden dabei ausgeblendet und schlicht negiert. Nein, für Dankbarkeit braucht es ein anderes Weltbild.
Zunächst stellt sich aber die Frage, wem gegenüber wir dankbar sein sollten und vor allem für was? Letztere Frage beantwortet sich leicht: für alles. Es gibt nichts, was einem wirklich Suchendem auf seinem Lebensweg nicht hilfreich ist – auch, wenn es nicht so scheint.
Warum sollte jemand z.B dankbar sein, wenn sein Fahrrad geklaut wird? Sind nicht Trauer, Wut und das Streben nach Konsequenzen für die Zukunft viel naheliegendere Reaktionen? Sicherlich stimmt das. Für jemanden, der wirklich schaut und wissen will, was er ist, sind solche schmerzvollen Erfahrungen aber darüber hinaus wertvolle Hinweise.
Das Unbewegte beobachtet die Gefühle, die erscheinen – ob diese nun als schmerzvoll oder schön interpretiert werden. Dieses dahinter liegende Unbewegte zu erkennen und den Frieden, der dabei gewahr wird, lässt meist schon ohne weiteres Bemühen Dankbarkeit im Menschen aufkommen. Dankbarkeit, die, einmal erkannt, nur noch gepflegt werden muss.
Bevor die Dankbarkeit gegenüber schwierigen oder sogenannten negativen Erlebnissen aufkommen kann, müssen bereits erste Schritte gemacht sein. Erste Schritte im Hinblick auf die Fähigkeit, das äußere und innere Erleben aus der Perspektive des Beobachters zu betrachten.
Dankbarkeit erfordert auch eine Beziehung zum unsichtbaren Leben, zu dem, was das Leben durchströmt und kreiert. Dankbarkeit und Gebet können hier durchaus als Synonyme behandelt werden. Der Dank ist das wirkungsvollste Gebet, da es von Liebe getragen wird.
Hier muss erklärend zugefügt werden, dass auch (und vielleicht sogar besonders) solche Menschen beten, die erkennen, dass hinter allem ein universelles Bewusstsein wirkt.
Dem universellen Bewusstsein können und sollten wir auch eine Form geben, da das universell göttliche viele Aspekte und Prinzipien enthält, die wir besonders lieben und die unser Erkennen im besonderen Maße fördern. Denn es geht nicht nur um reines Erkennen, sondern auch um die Liebe, welche durch Hingabe erblüht. Der Fokus im Gebet auf eine Gottesform, wie z.B. Jesus, Buddha, Ishvara, Krishna oder ein Prinzip wie Liebe, Leere, Energie, kreiert ein Gefäß des Göttlichen, welches wir direkt ansprechen können. Das ist eine direkte Adresse, die einen Dialog der Liebe erlaubt - ein Geben und beschenkt werden.

Wir selbst sind dieses universelle Bewusstsein und können dies in der Meditation und im meditativen Erleben erkennen. Was durch meine Augen schaut ist einfach nur ICH BIN. Und in diesem ICH BIN, der göttlichen Bewegung zur Individualität, beginnt bereits die Ausdehnung in den unsichtbaren, göttlichen Raum, der wir selbst sind. Dieses Erkennen ist bereits die größte Gnade, da sie uns aus den Fesseln des Glaubens an menschliche Begrenzung und Isolation befreit. Das Gebet und die Dankbarkeit für diese Gnade fördert das weitere Erkennen, da die Dankbarkeit die Verbindung zu dem stärkt, was wir im Grunde selbst sind.
Dankbarkeit ist ein liebevoller Fokus auf das Göttliche und dieser Fokus richtet das Leben auf diese Reise in unseren Ursprung aus. Das Leben, welches ein Ausdruck unseres tiefsten Selbst ist, beugt sich der Suche nach der Heimat und ebnet den Weg für das Erkennen. Tief empfundene Dankbarkeit schließt dann nichts mehr aus, sondern bezieht die gesamte Schöpfung ein. Aus dieser Haltung erscheint das Leben selbst wie ein Wunder. Das Schöne wird in allem entdeckt und diese Liebe zum Selbst kann den Weg erleichtern.

Freitag, 7. August 2020

Das Gleichnis der Gleichheit

Das Gleichnis der Gleichheit

Eine auf politische Korrektheit gebürstete Gesellschaft verliert ihre Identität und Freiheit. Wenn nur noch eine Meinung gilt und alle anderen Meinungen mit Sanktionen bestraft werden, ganz gleich, wie gut oder richtig diese Meinung im Moment scheint, dann ist dies gelebter Faschismus.
Dabei ist die Meinungsvielfalt und die Freiheit, eine Meinung ausdrücken zu dürfen, ohne auf ihr zu beharren, ist ein essentieller Fortschritt des Zeitalters der Aufklärung. Es ist die Grundlage jeder wissenschaftlichen Betrachtung, dass eine Annahme nur so lange gültig ist, bis sie widerlegt wurde.
Das gleiche sollte auch für Meinungen gelten. Kann meine Meinung mit Argumenten widerlegt werden, so ist es ein Zeichen von Reife und Aufgeklärtheit, diese Meinung zu revidieren.
Das Beharren auf eine Meinung war zwar immer eine gesellschaftliche Realität. Dieses Fehlverhalten hat aber erst in den letzten Jahrzehnten wieder schleichend und auffallend Einzug in Politik, Wissenschaft und die öffentliche Diskussionskultur gehalten und wurde dadurch zu einem gesellschaftlichen Konsens, der sich in radikalem Verhalten ausdrückt.

Jede faschistische Gesellschaft hat es dabei zunächst "gut gemeint". Zum Schutz des Volkes, zum Wohle der Gesellschaft, für Gott und die Religion. Aktuell, und das können wir tagtäglich verfolgen, sind beispielsweise Fragen um Gender, Rassismus und Wissenschaft von einer gefährlichen Meinungsdiktatur betroffen.
Es werden Kinderbücher umgeschrieben oder aus der Pädagogik verbannt, der Frauensport wird mit neuen Weltrekorden von Transgendern überhäuft, Diskussionen um die Sinnhaftigkeit von Gesichtsmasken und Corona-Tests werden nicht zuende geführt, Massnahmen zum Schutz des Klimas höchst einseitig beleuchtet. 
Es wird lediglich diktiert und über alle Medienkanäle wird die gleiche Meinung verbreitet, obwohl es Diskussionsbedarf gäbe.
Dabei geht es nicht um die Frage, ob eine Massnahme oder Haltung richtig oder falsch ist, sondern, und an dem Punkt müssten wir wieder beginnen, um das Erlauben einer lebendigen Diskussionskultur - vor allem in den Medien, die scheinbar alles kontrollieren.

Die Diskussionskultur hat sich auf ein Stammtischniveau reduziert. Auch scheinen große Teile der Bevölkerung unter großer Diskussionsmüdigkeit zu leiden und verkriechen sich lieber in ihre kleine Privatwelt - alles gut, so lange ich nicht persönlich betroffen bin. Das ist ein Problem in einer satten Gesellschaft, der es nichts ausmacht, eine Meinung vorgekaut zu bekommen und die an eine hehre Moral den Oberen glaubt, welche ihnen selbst schon lange abhanden gekommen ist.

Keine Gesellschaft überlebt ewig und das ist keine Neuigkeit. Zumal unsere Gesellschaftsordnung bereits auf "Exodus" ausgelegt ist. Wie lange geht es wohl gut, wenn ein Prozent mehr als ein Drittel des Vermögens besitzen und dieser Anteil stetig wächst und dieser Prozess durch eine drohende Pleitewelle noch beschleunigt wird?

Das mag jetzt alles sehr kritisch und ernst klingen. So ist es aber gar nicht gemeint.  Denn ein wirkliches Drama ist das alles nicht. Es ist Bestandteil der Geschichte.
Letztlich werden Menschen geboren und sterben wieder, sie gewinnen und verlieren - und das alles in einem Augenblick. Unser Leben ist zu kurz, um es wirklich persönlich zu nehmen. Über die Freiheit unserer Entscheidungen habe ich auch schon geschrieben. Es bleibt eine Illusion.  
Kommen wir deshalb zum Titel dieses Artikels und damit zum eigentlichen Punkt. Im Grunde ist die Gleichmacherei, wie wir sie erleben, eine Perversion einer im Ursprung richtigen Annahme.
Alles ist von der gleichen "was auch immer" durchdrungen.
Richtet sich unsere Aufmerksamkeit auf ihren eigenen Ursprung im Bewusstsein und bleibt der Blick mit offenen Augen nach Innen gerichtet, dann kann dies leicht erkannt werden. Die Welt, die Objekte darin, der eigene Körper und sogar die Luft sind von dem gleichen Stoff durchdrungen. Nichts in dieser Welt hat tatsächlich eine feste Substanz. Oder anders ausgedrückt: ich kann diese eigentlich virtuelle Welt nur berühren, weil der Körper ebenfalls virtuell ist.
Was wir eigentlich sind, spielt die ganze Zeit nur mit sich selbst. Eigenartige Spiele zugegeben, aber so ist das wohl in einer Welt von mannigfaltiger Dualität.
Diese Sichtweise wird keine Gesellschaft retten. Wer aber immer das Gleiche in allen Dingen erkennt, kann sich über das Drama erheben bzw. erkennen, dass er nie Teil des Dramas war.
Ist der Bogen von der Meinungfreiheit zum Gleichnis des Gleichen arg kostruiert? Sicher doch. Aber es dient dem Erkennen, dass jedes Drama kein wirkliches Drama ist und dass es letztlich nur einen Ausweg gibt. Dem Tod der Person während der Lebenszeit zu erleben und nicht erst mit Angst auf dem Totenbett, wenn der Körper nicht mehr kann.   
Über all dies kann man mal reden - vielleicht hat es eine Wirkung, vielleicht nicht, wer bestimmt das schon?

Donnerstag, 30. Juli 2020

Zahlen sagen manchmal mehr als Worte

Zahlen sagen manchmal mehr als Worte

Jedes Jahr werden ca. 135 Mio. Kinder geboren und es sterben etwa 50-60 Mio. Menschen weltweit.
Etwa zwei Drittel der Tode sind altersbedingt, d.h. oft verbunden mit Erkrankungen, denen der geschwächte Organismus nichst mehr entgegen zu setzen hat.

Offiziell sterben unter anderem:
  • ~ 9,5 Mio. an koronaren Herzkrankheiten
  • ~3 Mio. an chronischen Lungenerkrankungen
  • ~3 Mio. an Lungenentzündungen
  • ~ 3 Mio. an Alkoholmissbrauch
  • ~ 1,4 Mio. an Durchfall
  • ~1,4 Mio. durch Verkehrsunfälle
  • ~1 Mio. an AIDS
  • ~800.000 an Selbstmord

    Von den 7,7 Milliaren Menschen auf der Erde leiden 821 Mio. an Hunger. Etwa 30-40 Mio. Menschen sterben im Jahr an zu wenig Nahrung bzw. den direkten Folgen der Unterernährung.

Aktuell fallen zudem noch ~670.000 Menschen unter die Todeszahlen, die positiv auf Corona getestet wurden. Die genauen Todesursachen wurden leider nicht veröffentlicht. Es gibt aber qualitative Studien, die zeigen, dass meist massive Vorerkrankungen und/oder hohes Alter vorliegen. Man schätzt, dass wenige Prozent tatsächlich an den Folgen eines Corona-Virus und damit einer Lungenerkrankung sterben. Folglich, je mehr getestet wird, desto mehr Menschen fallen in die Statistik.
Es bleibt also zu erwarten, dass die Zahl der sog. Corona-Toten noch weiter steigen wird – das wird dann, je nach Testintensität und -dichte, die „zweite“ und „dritte Welle“ genannt.
Die spanische Grippe (vor 100 Jahren) hatte ebenfalls drei Wellen – es starben ca. 30-40. Mio. Menschen an den direkten Folgen.

In D sind aktuell aufgrund von Corona momentan etwa 650.000 Menschen ohne Job. Die Zahl steigt stetig weiter. Seit Mitte März haben laut Handelsblatt (9.7.) alleine in den USA etwa 45 Millionen Menschen ihren Job verloren. Weltweite Zahlen zur Massenarbeitslosigkeit und Verarmung stehen noch aus.
Die Prognose ist jedoch offensichtlich: es kommen massive Insolvenzen und damit auch eine Verschiebung des Vermögens hin zu den ohnehin extrem Wohlhabenden auf uns zu.  

Die Verhältnismäßigkeiten dieser Krise kann und sollte sich jeder selbst vor Augen führen.

Sonntag, 19. Juli 2020

Das Leben wird dich immer kriegen...

Das Leben wird dich immer kriegen...

don´t think a mountain home means you´re free
a day doesn´t pass without its cares
old ladies steal my bamboo shoots
boys lead oxen into the wheat
grubs and beetles destroy my greens
boars and squirrels devour the rice
things don´t always go my way
what can I do but turn to myself
(aus: „The mountain poems of Stonehouse“, übersetzt von Red Pine)

So beschreibt der erleuchtete Einsiedler Stonehouse im 14. Jahrhundert die Erschwernisse des eigentlich einsamen Lebens auf einem Berg. Er weist darauf hin, dass das Leben überall und immerzu Herausforderungen für uns bereithält. Seien es nun die Tiere, welche die Ernte zerstören oder vorbeiziehende Menschen, die jede Gelegenheit zur Achtlosigkeit oder zum Stehlen nutzen. Diesbezüglich hat sich niemals etwas geändert. Wenn also der Leser glaubt, das Leben als Eremit sei irgendwie einfacher – Stonehouse sagte es mit folgenden Worten eindrücklich, dass es nur einen Weg gibt, der Vorstellung von einem einfachen Leben zu entkommen: was kann ich tun, außer mich meinem Selbst zuzuwenden? Die wahre Freiheit, so erkennt es der erleuchtete Einsiedler, liegt nur in der Schönheit des eigenen Selbst, im Frieden und der Liebe, die wir alle im Kern sind.
Auch wenn es so scheint, als würde uns das Leben in Arbeit und Schwierigkeiten ersticken wollen, so ist der ganze Trubel nur an der äußersten Oberfläche unseres Sein zu erkennen. Tauchen wir nur ein wenig in das ein, was die Tiefe unserer wahren Natur offenbart, verschwindet jede Mühsal und jeder Kummer schneller als es der Verstand glauben mag.
Die Fähigkeit zur Innenschau, die über Emotionen und Gedanken hinweg blickt, kann ein mächtiges Werkzeug im Leben sein, sofern es gepflegt wird. In ruhigen Zeiten das Selbst zu erforschen, mit allen Mitteln, die z.B. in diesem Blog aufgezeigt werden oder durch einen Lehrer vermittelt werden können, lässt uns in stürmischen Momenten erkennen, dass da kein Sturm ist. Sehen wir einen Horrorfilm, dann verschwindet die Furcht, sobald wir dem Film die Aufmerksamkeit entziehen. Haben wir einen Alptraum, so weicht die Angst mit dem Erkennen, dass es nur ein Traum ist. Sind wir daran gewöhnt, einen Einblick in das Ausmaß des inneren Friedens zu gewinnen, kann uns der oberflächliche Trubel immer weniger anhaben.
Die Triggerpunkte verschwinden nach und nach, auch wenn es sich um sogenannte tiefe psychische Wunden handelt, die das Leben immer wieder aufreißt. „What can I do but turn to myself.“, meint nicht mich selbst als Person. Der zum wahren Selbst erwachende Mensch erkennt in Körper und Psyche lediglich eine automatische bzw. karmische Funktion, die eingebettet in die gesamte Existenz gemäß Ursache und Wirkung ohne menschlichen Willen und Entscheidungsfreiheit abläuft - eben wie ein Film, der ein Drehbuch hat. Was im Erkennen der eigenen Natur nachlässt, ist der Glaube an die Identifikation mit Körper und Geist. Dadurch entspannt sich das ganze System nach und nach und auch das Leben wird tendenziell „leiser“ - gemäß der Stille und dem Frieden, welche in uns verborgen liegen. Aber niemals so ganz und auch nicht sofort, wie uns Stonehouse so wunderbar aufzeigt.

Freitag, 26. Juni 2020

Wer regiert hier wen? Über die Wichtigkeit der Unterscheidung!


Wer regiert hier wen? Über die Wichtigkeit der Unterscheidung!

Geld heißt es, sei Macht und diese Einsicht beruht auf Beobachtungen, die nun mehr als offensichtlich gemacht wurden. Keine mächtige Organisation, auch keine Partei und keine NGO kommt ohne mächtige Geldgeber aus. Entsprechend sind es Einzelinteressen, die weltweit propagiert und vertreten werden. Von dieser Ebene geschieht nichts! zum Besten der Weltbevölkerung - das sollte jedem klar sein.
Zur Ablenkung und Täuschung werden uns Bilder von Gut und Böse, Richtig und Falsch tagtäglich um die Ohren gehauen (sofern wir uns darauf einlassen). Es gibt immer weniger Grautöne, dafür mehr grobe, einseitige Unterscheidungen im Journalismus. Die Medien gehören letztlich Menschen mit Kapital und Interessen und sind eingebunden in finanziell fein gestrickte Netzwerke. Jede Redaktion hat Vorgaben und manch kritischer Bericht ist schlichtweg nicht mehr erlaubt. Wer etwas anderes sagt wird diffamiert und verleumdet, was die Bevölkerung noch mehr verunsichert.
Allgegenwärtig sind die Methoden, welche in den Standardwerken zu Propaganda und Manipulation der Massen beschrieben werden. Es werden die Techniken der Beeinflussung genutzt: es wird Angst gemacht, an Emotionen appelliert und es wird damit gerechnet, dass die kreierte Massenhysterie eine Gesellschaft blind und beeinflussbar macht. Das Volk verlangt durch die Angst nach starker Führung und kann nichts mehr mit Freiheit anfangen. So wiederholt sich dunkle Geschichte im neuen Gewand.

Die herrschende Gesellschaftsordnung ist der Kapitalismus – eine Ideologie der Neuzeit. Das Endstadium des Kapitalismus bedeutet Zentrierung und Monopolismus. Die Schutzmechanismen, welche dies verhindern sollen, werden leicht durch die Herrschenden ausgehebelt. Das Resultat ist: die Welt gehört heute wenigen, die überall regieren. Das Geld hat sich immer mehr zentriert und die 0,1 % Superreichen sind omnipotent in allen wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Bereichen an Schlüsselstellen vertreten. Wir können überall nachlesen, wie viel die Mächtigen an der Krise verdient haben und es ist zu erwarten dass sie sich noch mehr bereichern werden, während andere insolvent gehen und ihr Geschäft und ihren Besitz aufgeben müssen. Wir erleben hier eine massive Kapitalverschiebung direkt vor unserer Nase aber sollen uns an Viren und Rassismus abarbeiten.

Wir leben in einer Welt, die sich schleichend verändert hat. Dies wird immer offensichtlicher und es wird geradezu überdeutlich, wenn man einen Blick auf 40 Jahre alte Fernsehdiskussionen wirft und diese offenen, gelassenen Gespräche mit der einseitigen politischen Korrektheit der Jetztzeit vergleicht. Errungenschaften, wie Demokratie und Meinungsfreiheit sind in den Jahren unbeobachtet zwischen den Fingern verronnen.
Ein eigenartiges Spiel, welches sich beobachten lässt und viele Menschen fragen sich, was jetzt zu tun ist.

Mir wird deutlich, dass die Unterscheidungsfähigkeit immer wichtiger wird. In der Entwicklung zu dem, was wir alle sind, ist die Fähigkeit zur Unterscheidung eine zentrale Fähigkeit, die von immenser Bedeutung ist. Das geschärfte Bewusstsein, welches unterscheidet und nicht mehr der Angst und falschen Propheten folgen braucht. Es unterscheidet zwischen dem, was beobachtet und alles bezeugt und dem, was geschieht. Das klingt vielleicht unbedeutend, ist aber der wichtigste Faktor zwischen dem Prozess des Aufwachens bzw. der Erleuchtung und dem leiderfüllten Leben als Person in einer Welt.
Es ist auch wichtig, um die kreierte und im Volk manifestierte Angst zu erkennen und zu begreifen, dass die Angst kein Teil von dem ist, was wir sind. Nur ohne Angst können wir frei und richtig handeln und müssen keinem Heilsversprechen glauben und keine Gespenster bekämpfen.
Die Unterscheidungsfähigkeit sollte durch eine geschärfte Aufmerksamkeit geschult werden. Das Bewusstsein für das eigene Sein, die ungetrübte Existenz, ist der Dreh- und Angelpunkt. In diesem Sein taucht alles auf, was wir als uns und unser Leben, unsere Welt betrachten. Ohne dieses Sein verschwindet alles. Das ist zunächst die einzige Wahrheit, die wir erkennen und akzeptieren müssen. Auch ohne Religion und Führung tauchen in dieser einfachen Verschiebung unseres Bewusstseins alle göttlichen Eigenschaften auf, nach denen sich der Mensch insgeheim sehnt.
So wird das Leben zu einem Spiel in einem Theater, das wir selbst sind. Wir sind das Haus, die Schauspieler, die Kulissen und die Zuschauer zugleich. Und andererseits sind wir nichts davon.
Das ist die wahre Freiheit, die uns niemand nehmen kann und die niemand kennt, dessen Herz von Gier erfüllt ist.
Mit dieser Haltung können wir mutig unser Leben leben. Das bedeutet, wir sind nicht betrübt durch die Angst, welche das stärkste Mittel der Kontrolle und die größte Einschränkung im Leben ist. Wir müssen uns nicht abarbeiten an trügerischen Berichten und keine Wut auf unseresgleichen ausleben. Wir müssen nicht konsumieren, um uns zu befriedigen und um einen Ausgleich für das Unglück in toten Gegenständen zu erkaufen. Wir lassen uns dann nicht mehr beirren durch die Hysterie und das beschworene Ende des Leidens durch ein Heilmittel und die totale Kontrolle, die uns schmackhaft gemacht werden soll. Wir erkennen einfach, dass wir schon immer frei waren und keiner uns etwas kann.

Samstag, 20. Juni 2020

Vom Alltagsbewusstsein in die Meditation

Vom Alltagsbewusstsein in die Meditation

Schau aus deinen Augen, erkenne deine Gedanken, spüre deinen Körper. Erkenne, dass etwas in dir alles wahrnimmt. Dehne die Aufmerksamkeit soweit es dir möglich ist. Nimm alles wahr, was in dir und um dich ist.
Dann lass das Pronomen weg und schau aus den Augen, erkenne die Gedanken und spüre den Körper. Die Aufmerksamkeit fällt weiter in ihren Ursprung, lässt die Welt der Erscheinung los.
Dieser Ursprung liegt im ICH BIN und existiert vor jedem Gedanken, vor jeder Vorstellung von einer Person und einer Welt. Entsprechend führen Gedanken und Ideen nicht dorthin, nur die totale Entspannung und das Fallenlassen alles Vergänglichem.
Vertieft sich die unpersönliche Wahrnehmung der Welt, dann ist da nur noch Sehen, Erkennen, Spüren. Die fünf Sinne und das Erkennen der Gedanken, Gefühle, Körperempfindungen sind einfach etwas, das im Raum erscheint. Die Welt, der Mensch - alles reduziert sich auf eins, was erscheint und verschwindet. In der Loslösung ist alles, was erscheint, in Bewegung. Tauchst du tiefer in diese Wahrheit, dann ist da nur noch Licht, Liebe und Ton. Das Ich verschwindet, die Welt verschwindet, was fest schien erscheint in Bewegung und ist nicht zu trennen vom leeren Raum.
Auf jeden Gedanken, der aus Gewohnheit verfolgt wird, folgt ein zweiter Gedanke und die Aufmerksamkeit ruht nicht mehr im Sein. Die Welt erscheint durch den Gedanken, welcher Assoziation, Erinnerung und Interpretation ist. Er hilft bei der Orientierung in der Erscheinung, kann aber nicht erreichen, nicht begreifen, was du wirklich bist. Das Spiel ist, den Gedanken wieder loszulassen, zu erkennen, dass Gedanken beobachtet werden, aber niemand wirklich da ist, der denkt. Frag dich, zu wem der Gedanke kommt, ohne einen Gedanken für die Antwort zu bedienen und du bist wieder dort, wo dich der erste Gedanke hergeholt hat. Da ist wieder nur das, was sieht, hört... alles wahrnimmt.

Samstag, 13. Juni 2020


Wahrheit in Worten 
 
Worte der Wahrheit sind fließend. Die Wahrheit ist nicht fix. Es ist eine Perspektive, ein scheinbar fixer und zugleich temporärer Punkt, der für einen Moment eine Wahrheit liefert. Vielleicht morgen, aus einer anderen Perspektive wird eine andere Wahrheit offenbart, die mit anderen Worten genauso wahr ist. Wahrheit in Worten kann sich niemals auf Dauer bestätigen, deshalb gilt:

Wahrheit in der Stille
Wahrheit ohne Worte
Ist der einzige Platz
In welchem Wahrheit immer Bestand hat.

Denn was ist Wahrheit letztlich nicht? Sie kann keine Beschreibung von etwas sein, da ihr Erkennen von veränderlichen Standpunkten und trügerischen Sinnen oder Messmethoden abhängt. Das erkennt auch die Wissenschaft, welche Hypothesen als Überganglösung für eine temporär geltende Wahrheit liefert oder das Axiom, welches nicht bewiesen werden kann und nur innerhalb eines bestimmten Systems Gültigkeit hat. Da ist nichts Absolutes.
Wir hören oft, wie jemand behauptet, die Wahrheit zu verkünden. Und auch wir glauben in manchen Momenten, die Wahrheit zu vertreten, um dann irgendwann festzustellen, dass sich diese Wahrheit nicht bestätigt hat. Das gehört zum menschlichen Lernen dazu und es ist tragisch, wenn diese Einsicht eigener Fehlbarkeit im Geist keine Verankerung findet, wenn kein klares Verständnis für die eigene, menschliche Natur stattfindet. Ist es nicht ein Zeichen größter Dummheit, wenn der eigene Wahrheitsglaube zu Überheblichkeit führt?
Wahrheit in der Stille ist gültig, da die Stille unbeweglich ist. Sie ist der Zufluchtsort im Kern unseres Seins, wo keine Gedanken mehr existieren können und die Wahrheit nicht mehr verkündet werden muss. Es ist der Ort, an dem alles völlig klar ist, ohne Frage und Antwort.
Warum gibt es dann überhaupt Weisheitslehren, mag man sich dann fragen. Eine Lehre hat nur so lange eine Berechtigung, wie sie den Zuhörer in die Stille verweist, wo die Wahrheit selbst erkannt werden kann. Liest du einen Text oder hörst du einen Lehrer zu und die Gedanken werden still und ein Gefühl der Ausdehnung setzt ein, dann weist dieser Text oder Lehrer für dich in diesem Moment in die richtige Richtung. Diese Indikatoren sind wichtig. Nur sie lassen unterscheiden, ob ein Weg fruchtbar für mich ist oder nicht. Es ist das, was du selbst bist, das da ruft. Du hast dann einen Anhaltspunkt, um selbst in dir weiter zu suchen. Und wie findet man? Indem man alles fallen lässt, was eine Spur der Veränderlichkeit aufweist. Kommst du dem Unveränderlichen näher, wird auch die Wahrheit lauter. Direkt vermittelt werden kann sie jedoch niemals.

Sonntag, 7. Juni 2020

Adam und Eva und der Sündenfall

Ich bin kein Bibelexperte aber es macht durchaus Freude, die Geschichten aus der eigenen Perspektive zu deuten. Eine Perspektive, die hauptsächlich durch alternative Wege zum Christentum geprägt ist.
Die Geschichte von Adam und Eva aus der Genesis ist allgemein bekannt. Ebenso der Konflikt, welcher sich ergab, als Gott ihnen verbot vom Baum der Erkenntnis zu essen: „Du darfst essen von allen Bäumen im Garten, aber von dem Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen sollst du nicht essen; denn an dem Tage, da du von ihm isst, musst du des Todes sterben.“
Das ist eine ziemlich drastische Anweisung und man fragt sich, wieso das arme Paar überhaupt erst in eine Versuchung gebracht wurden, der es niemals auf ewig entsagen konnten. Ihnen wird mit dem Tode gedroht. Selbst über 900 lange Jahre Lebenszeit sind nichts verglichen mit der Ewigkeit.
Was die Kirche dabei betont: durch den Ungehorsam kam die Erbsünde über die Menschheit in Form aller Beschwerden, die wir heute so kennen – insbesondere der Tod, aber auch Schmerzen bei der Schwangerschaft, Hungersnöte, Krankheiten etc., das volle Programm.
Wir schauen uns aber noch einen weiteren Abschnitt an, bevor wir eine andere Interpretationsebene berühren, die in dem Text verborgen liegt. Offensichtlich gab es die Möglichkeit der Entscheidung, welche durch die Schlange an Eva herangetragen wurde:„Da sprach die Schlange zur Frau: Ihr werdet keineswegs des Todes sterben, sondern Gott weiß: an dem Tage, da ihr davon esst, werden eure Augen aufgetan, und ihr werdet sein wie Gott und wissen, was gut und böse ist.“
Ein weiterer Abschnitt erläutert dann, worin die Erkenntnis letztlich bestand: „Und die Frau sah, dass von dem Baum gut zu essen wäre und dass er eine Lust für die Augen wäre und verlockend, weil er klug machte. Und sie nahm von seiner Frucht und aß und gab ihrem Mann, der bei ihr war, auch davon und er aß. Da wurden ihnen beiden die Augen aufgetan und sie wurden gewahr, dass sie nackt waren, und flochten Feigenblätter zusammen und machten sich Schurze.“
Es wird hier der Übergang von einer (kindlichen) Perspektive der Unschuld hin zu einer reflektierten Sicht auf das eigene Menschsein, inklusive Scham, beschrieben. Die reflektierte Sicht ist das Erkennen des Selbst in menschlicher Gestalt: die Trennung in Ich und Du, in Richtig und Falsch, in Gut und Böse. Für Scham bedarf es der Reflektion, dass ein anderer etwas über mich denkt und mich als getrennte Person erkennt.
Es gibt im meditativen Zustand das Erleben des reinen Bewusstseins. Man nimmt sich nicht mehr als Person wahr, sondern als ein Teil des göttlichen Bewusstseins, was für mich der Vorstellung vom Paradies gleich kommt. Keine Trennung zwischen Gott und der Welt. Keine Probleme, keine Gedanken – es ist kein Wissen notwendig, um zu verstehen.
Der Baum der Erkenntnis führt zum Menschsein, zu den weltlichen Probleme und der Anerkennung dieser Realität. Das bedeutet auch Leid: von der Schwangerschaft, bis zur Essensbeschaffung und den Tod. Das oben beschriebene volle Programm menschlicher Beschwerden.
Wer hat sich dafür entschieden? Der Text beschreibt die Entscheidung als einen Fehler, eine Versuchung, der nachgegeben wurde. Es wird aber auch klar, dass es keine wirkliche Wahl gab. Einerseits war da die unwiderstehliche Versuchung, andererseits die Verführung durch die Schlange.
Aus der Perspektive des ICH BIN, der reinen Existenz ist da ohnehin niemand, welcher die Entscheidung treffen konnte, außer das Bewusstsein, das Leben an sich. So musste es also geschehen und das EINE begann, sich selbst durch viele Augenpaare zu erleben.
Adam und Eva waren keine Menschen im eigentlichen Sinne. Sie sind Seelen in Einheit mit Gott – da ist keine Verwirrung, etwas zu sein, dass getrennt von Gott ist. Der Garten Eden, das Paradies, beschreibt eben diese Einheit. Nur im Gewahrsein dieser Einheit sind wir wirklich im Paradies.
Der Sündenfall beschreibt die Menschwerdung und die Verwirrung, welche durch das Anerkennen der Trennung in Ich und Du geschieht. Die eigentliche Sünde liegt darin, das zu Verurteilen, was wir selbst sind, sich zu verlieren in Angst und Gier und die persönliche Erscheinung des Menschseins über alles andere zu erheben. Darin liegt das falsche Streben: eben dieses Paradies wieder herzustellen, ohne anzuerkennen, was wir sind.
Es ist zu bedenken: dieser Glaube an die Person, an die Illusion dieser Welt, welche im Erkennen über den Geist und die fünf Sinne geschieht, führt zum Leid. Der strafende Gott steht sinnbildlich für den falschen Glauben, welcher das Gegenteil vom reinen Erleben ist. (Mentale) Erkenntnis steht dem göttlichen Erleben gegenüber bzw. der Geist dem reinen Sein. Unser Geist trennt, urteilt und erkennt sich selbst als getrennt. Diese Trennung kann nicht aufrecht erhalten werden, wenn dem Geist, den Gedanken, keine Glaube geschenkt wird bzw. wenn Gedanken nicht beachtet werden. Das Königreich im Innern, unser eigentliches Erbe, wird wieder entdeckt, wodurch sich das (falsche) Erkennen auflöst und der Apfel seine Wirkung verliert.
Das Bild von der Schlange mit dem Baum der Erkenntnis erinnert an den Äskulapstab, dem Zeichen der Ärzte und Heilkundigen. In der Beschreibung der Kundalini, der mystischen Schlangenkraft, finden wir ein ähnliches Bild: die Schlangenkraft, die sich zweieinhalb mal um die Wirbelsäule wickelt. Die Kundalini ist unser Hauptenergiezentrum, das einerseits unser Menschsein überhaupt ermöglicht und andererseits, sofern die Kundalini wieder angeregt wird, unsere Heimkehr in das göttliche Reich einleitet.
Diese Kundalini oder Schlangenkraft kann in der Meditation erlebt werden. Teils sehr drastisch und intensiv, teils langsam und sanft, begleitet sie den Prozess der Realisation dessen, was wir sind. Bis dahin liegt sie schlafend in der Wurzel unserer Wirbelsäule und wartet auf ihre Erweckung.



Sonntag, 31. Mai 2020

Die ideale Gemeinschaft

Es vergeht kaum ein Jahrzehnt, in welchem die Gesellschaft ihre Werte, ihre Ziele und das Miteinander nicht kritisch gesehen werden. Aktuell ist der weltweite Umgang mit einer Krise wiederum ein Anlass, die Integrität der gesellschaftlichen Ordnungsebene in Frage zu stellen. Wohin man schaut, kann man Egomanen erkennen, die ihre eigenen Interesse verfolgen und nicht das Beste für die Allgemeinheit im Sinn haben. Das gilt nicht bloß für diese Krise, sondern auch für die Probleme, die vorher öffentlich angeprangert wurden, wie bspw. der Schutz unserer Lebenswelt.
Die Probleme sind nicht neu, erreichen aber ein bedenkliches globales Niveau und werden voraussichtlich in einem Kollaps der bisherigen politischen Strukturen enden, was sich jetzt bereits abzeichnet. Es bleibt zu bedenken: die menschliche Geschichte kann keine langfristigen, stabilen, wohlwollenden Gemeinschaften vorweisen.
So lebte der Mensch schon immer in Gemeinschaften, die auf unterschiedlichen Ebenen Schwierigkeiten mit sich bringen. Wir kennen nur vom Hörensagen oder aus Mythen ideale Gesellschaft. Die Menschheit kann scheinbar nur schwer friedlich miteinander umgehen.
Und entsprechend, da es ein urmenschliches Problem ist, kracht es auch in den kleineren sozialen Gefügen häufig im Gebälk - die Familie ist dafür wohl das klassischste Beispiel.
Die Mehrheit der Menschen wird sich, und das will ich hier gar nicht in Frage stellen, in ihren Gemeinschaften, ob gewählt oder geerbt, mehr oder weniger wohl fühlen. Wir arrangieren uns damit, dass es nicht immer optimal läuft und suchen Anschluss, je nach Interesse und Weltanschauung und mit unterschiedlichen Motiven. So dienen Gemeinschaften dem Zeitvertreib, der Zerstreuung oder z.B. beruflichen und gesellschaftlichen Vorteilen.
Wir wissen aus Erfahrung um unsere Probleme mit dem Miteinander und haben Strategien entwickelt, die Probleme mithilfe von Regeln und Institutionen zu lösen. Da ist die Justiz mit Legislative und Exekutive oder das simple Faustrecht mit dem vereinfachten Recht des Stärkeren. Heute hat jeder Kaninchenzüchterverein eine Satzung und ein Regelwerk, welche das Miteinander ordnen und Konflikte vermeiden sollen. In jeder Jugendherberge finden sich Hausregeln, welche dem blanken Vandalismus und der gelebten Rücksichtslosigkeit Einhalt gebieten sollen.
Letztlich, nach zehntausenden Jahren menschlicher Gesellschaften, muss man wohl zugeben, dass es keine politische Lösung gibt, um unser Zusammenleben zu harmonisieren und Kriege und Konflikte zu vermeiden. 
Im Kern liegen die Probleme, bricht man sie denn herunter auf menschliche Charakterzüge, immer in persönlicher Gier oder Angst begraben. Jedes Streben nach Macht (über andere) ist ein Ausdruck eines Strebens nach Sicherheit, welche aus Angst entsteht. Angst, zu kurz zu kommen; Angst, verloren zu gehen, zu verhungern, zu sterben; Angst nicht gehört, gesehen und geliebt zu werden... die Gier nach mehr ist nicht zuletzt auch ein Zeichen für den unstillbaren Durst nach etwas, dass wir im Innern suchen und in dieser Welt nicht finden können.

Die Lösung für die Gesamtheit kann somit nur in der Reifung des Einzelnen liegen. Das bloße Erkennen, dass wir mehr sind, als eine sterbliche Hülle, führt zu Sicherheit und Zufriedenheit; im Erkennen, dass wir im Kern unseres Selbst diese Welt - uns eingeschlossen – kreieren, ist ein liebevolles Miteinander ein selbstverständliches Handeln. Im Gegenschluss bedeutet das aber auch, zumindest vorerst, dass ein derartiges Miteinander wohl eine Utopie bleibt.

Dennoch sind vereinzelt Menschen auf diesem Weg und zugleich auf der Suche nach Anschluss. Die Auswahl ist diesbezüglich begrenzt und taucht in den vorherrschenden gesellschaftlichen Wertesystemen wohl nur als Subkultur auf.
Es braucht eine innere Reife als Voraussetzung für ein wohlwollendes Miteinander. Und ja, die Gemeinschaft von Menschen mit einem hohen Ziel ist erstrebenswert - aus vielerlei Gründen. Wir sprechen über Gemeinschaften, die danach trachten, sich jenseits menschlicher Wünsche und Verlangen (und damit Versuchung) zu bewegen. Welche sich die Entwicklung zum Ziel setzen innerhalb einer fruchtbaren Form der Begegnung.
Für eine Gruppe, welche sich Gott, Brahman oder dem spirituellen Selbst widmet, bedeutet ein gemeinsames Handeln eine Multiplikation von Kraft oder Shakti. Das ist spürbare, oft sehr starke Energie, welche die spirituelle Bemühung beflügelt und erleichtert, und die Bindung zwischen den Mitgliedern dieser Gruppe stärkt.
Die Energie, welche z.B. in einer Meditationsgruppe entstehen kann, die sich diesem Ziel hingibt, wirkt für die Beteiligten wie ein Katalysator. Idealerweise orientiert sich eine solche Gruppe an demjenigen, der in seiner Realisation am weitesten fortgeschritten ist - jemand, der bestimme Transformationen durchlaufen hat, reif dafür ist und weiß, wohin die Reise geht, ohne irgendwelche persönlichen Ziele zu verfolgen. Das ist nötig, damit das Zusammenkommen nicht für profane Zwecke missbraucht wird, wie es manchmal zu beobachten ist.
In einem Kloster kommt diese ordnende Vorbildfunktion immer einem Oberhaupt zu, was Vor- und Nachteile mit sich bringt. Die feste Organisation ist solange ein Vorteil, wie das Oberhaupt realisiert ist und die Ausrichtung rein hält. Es ist ungeheuer wichtig, dass die Ausrichtung hundertprozentig dem Zweck der tieferen Erkenntnis dient.
Deshalb ist es kein normales Miteinander, sondern eine exklusive, nicht alltägliche Oase in unserem sonst recht turbulenten Leben, die überdies nicht jedem offensteht. Nicht, weil es nicht erlaubt wäre, sondern weil es keine persönliche Entscheidungsebene gibt, die dies ermöglicht. Es ist schlicht für die meisten Menschen nicht von Interesse. Sie könnten sich nicht dafür entscheiden, weil es in ihrer individuellen Programmierung keine Option dafür gibt. Es braucht dafür das innere Streben nach Selbsterkenntnis und Transformation.
Auf dieses Ziel konzentrieren sich die Gruppen, über die wir hier sprechen, auch wenn unterschiedliche Begrifflichkeiten gewählt werden. Manche bauen an einem inneren Tempel, andere geben sich Gott hin, wieder andere heizen das Shakti und damit die Kundalini an, um die Realisation zu erreichen. Letztlich beflügeln viele Wege die transformatorische Kraft, welche die göttliche Natur offenbaren kann.
Ja, diese Gemeinschaften sind speziell und es kann auch innerhalb dieser Gruppen zu Schwierigkeiten kommen. Bereits profane Gespräche zwischen Menschen, die zu sehr gedanklich verhaftet sind, können dem intrinsischen Feld das Momentum rauben, welches sich in einer solchen Gruppe als transformatorische Kraft bilden kann. Jeder Einzelne wirkt durch seine Haltung und Ausrichtung mit. Das wichtigste Ziel im Leben sollte idealerweise die Realisation sein – das Erkennen von Gott, der Wahrheit, unserem spirituellen Kern. Nur dann kann sich der Erhalt der Gemeinschaft und das Wohlwollen untereinander jenseits einer übergestülpten Moral bewegen. Ethik und Moral sind anfällig, da sie ohne tiefere charakterliche Wurzeln, wie ein vertrocknetes Blatt im Wind, schnell ihren Halt verlieren.
Natürlich bleibt eine ideale Gemeinschaft nur ein Ideal. Das kann nach meiner Erfahrung ansatzweise in Zusammenkünften erreicht wird, in welchen die Ebene persönlicher Ziele und Wünsche durchbrochen wird und in welchen Liebe ein bedingungsloses Gut ist.
Den meisten von uns bleibt vorerst nur die Arbeit des Erkennen des Selbst und die Freude an den Menschen, die, mit welcher Methode auch immer, einen ähnlichen Lebensweg verfolgen. Die Welt an sich bleibt ein Spielplatz der Möglichkeiten und der Kontraste. Nach Murphys Gesetz: alles, was schief gehen kann, wird auch schief gehen.