Mittwoch, 8. Dezember 2021

Die eine Konstante

Die Suche nach Zufriedenheit im Leben treibt natürlicherweise jeden im Leben um. Lebensglück fordert indirekt immer das Finden einer Konstante. Der Mensch sucht nach etwas, das sich im Leben nicht mehr verändert; etwas, das ihn nicht mehr verlässt, wie eine Verkörperung des Glücks, die beständig bleibt.
Verlieren wir das, was uns Glück beschert, führt das automatisch zu Trauer. Es ist in uns angelegt, dass wir unangenehme oder gar lebensbedrohliche Gefühle zu meiden versuchen und uns nach einer Konstante sehnen.

Ein erhofftes Glück mag tausend Dinge und für jeden etwas anderes bedeuten, ganz abhängig von unseren individuellen Vorlieben und Vorstellungen. Das ist eine Frage unserer sozialen Prägung oder anders ausgedrückt: unserer Programmierung.
Glück mag die Liebe durch einen Seelenpartner bedeuten, der uns nie mehr verlässt, die Heimat, die uns keiner raubt oder die Freiheit, immer unterwegs zu sein und großartige Erlebnisse zu haben. Die Hoffnung nach der Erfüllung dieses Glück ist der Grund, warum Menschen heiraten, ein Haus bauen, an ihrer Karriere arbeiten oder immer versuchen auf Reisen zu sein.

Es ist die natürliche Präferenz, das Glück dem Unglück vorzuziehen und, ergo, so zu leben, wie es uns halt glücklich macht. Direkt daran gekoppelt ist die irrige Idee, dass uns etwas oder jemand erst dieses Glück geben oder es in uns erwecken müsste. Das glauben wir, weil wir es nicht besser wissen und da niemand war, der uns etwas anderes beibringen konnte.

Irgendwann im Verlauf des Lebens dämmert es vielleicht, dass es diese durch eine Sache verkörperte Konstante nicht gibt. Im Leben kommt und verschwindet alles, nichts scheint für die Ewigkeit gemacht. Ewigkeit ist ohnehin ein Konzept, das wir mit dem Verstand nicht greifen können, obwohl es eine magische Anziehung auf uns ausübt. Das beginnt schon mit unserem Körper, mit dem wir nur eine bestimmte Zeit gesegnet sind. Aber es ist nicht bloß die vergängliche menschliche Hülle, sondern alles, was uns scheinbar umgibt. Nichts davon ist bleibend oder beständig.

Gehen wir einen Schritt zurück und werfen einen Blick auf unsere Welt, dann müssten wir spätestens seit den Erkenntnissen des letzten Jahrhundert zutiefst erschüttert sein. In der Schule lernen die Kinder bereits, dass die Zeit, welche unser Leben ordnet, abhängig von Geschwindigkeit und Gravitation ist. So ist messbar, dass die Zeit im hohen Gebirge minimal schneller verläuft als auf dem Level des Meeresspiegels; auf Planeten mit großer Gravitation entsprechend schneller und bei Lichtgeschwindigkeit steht sie für den Reisenden theoretisch förmlich still. Auf einer subjektiven Ebene ist Zeit ebenfalls relativ, da verschiedene Ereignisse auf uns wirken und das Zeitempfinden dehnen oder beschleunigen. Und die Zeit ist nur eine der Größen, die wir in unserem Leben fälschlicherweise als eine Konstante anerkennen.

Die Wahrheit kann unangenehm scheinen; die Wahrheit, dass unsere Lebenswelt nicht den angenommenen Gesetzmäßigkeiten und Konstanten unterliegt, wie wir vielleicht glauben wollen. Leben, Zeit, Raum, geliebte Menschen, Besitz und Macht sind bestenfalls geliehen und wir wissen nicht einmal, für wie lange.

Wenn uns etwas Beständiges glücklich machen soll, dann muss es etwas sein, das immer da ist und bereits immer da war. Wie sollte es sonst eine Konstante sein?

Es gibt nur einen Weg, diese Konstante zu finden. Dafür müssen wir ganz genau schauen und an uns selbst erforschen, was dies sein kann. Es kann kein Ding bzw. ein Objekt sein, da alle Objekte im Leben auftauchen und irgendwann wieder verschwinden. Diese ganze Subjekt-Objekt Beziehung ist nicht zuletzt der Grund für das duale Dilemma, welches uns immer zwischen Glück und Leid schwimmen lässt. Das mag menschlich genannt werden, es ist aber sicherlich nicht der sprichwörtlichen Weisheit letzter Schluss.

Die einzige Konstante, die wir finden können, ist das, was bereits unser gesamtes Leben durch unsere Augen blickt und über die Sinne das Leben erfährt. Es ist dieses (scheinbar) innere Wesen, das sich nie verändert hat. Prüft man es genau, dann war es mindestens das gesamte Leben da; ob mit 5, 50 oder 75 Jahren - es war immer gleich. Es ist das, was alle Umstände unberührt akzeptiert, ob nachts, im wilden Traum oder tags, im drögen Alltag. Es fühlt sich immer gleich friedlich, still und beständig an.  

Da diese innere Natur nicht immer für uns greifbar ist, können wir nach dem suchen, was sich darin finden lässt, wie z.B. Frieden oder Liebe. Die einfache Praxis, die wir leben und steuern können, scheint einfach und schwierig zugleich: die Aufmerksamkeit auf einer dieser Qualitäten ruhen zu lassen, und dabei nicht abzudriften, um irgendwelchen Gedanken zu folgen. Irgendwo lässt sich Frieden in uns finden, vielleicht ist das Empfinden dafür zunächst klein; bleibt die Aufmerksamkeit auf dieser Qualität wird auch der Frieden dominanter.

Dabei sollte an nichts festgehalten werden. Den Geist mehr und mehr zu leeren und die Pforte zu durchschreiten, welche durch die tägliche Schulung der Aufmerksamkeit geöffnet wird. Und schon werden wir auf einen mysteriösen Weg geführt.

Ein Ergebnis der täglichen Praxis, des dauerhaften Verweilens in unserer eigentlichen Natur wird dann offenbar. Es fällt irgendwann auf, dass keine Konstante mehr benötigt wird, da derjenige, welchen es nach einer Konstante verlangt, wegfällt. Gleichzeitig ist da die Realisation, dass das, was übrig bleibt und was wir im Kern sind, selbst diese ewige Konstante ist.

An dem Punkt setzen tiefe Erleichterung und Glück ein. Wir waren immer das, wonach wir suchten. Es liegt alles in uns. Das hat und wird uns niemals verlassen, wir sind es selbst!