Sonntag, 28. Februar 2021

Spaßlos in der Spaßgesellschaft

Gelegentlich mache ich mir Gedanken über das unvermeidliche Geschehen in dieser Welt auch wenn ich mir generell nicht viele Gedanken mache. Warum auch? Es ist mir bewusst, dass es keine (politische) Lösung für unsere Probleme geben kann. Alleine schon aus dem Grund, weil wir nicht über die Reife verfügen, wenigstens friedlich und nett mit unserem Mitmenschen umzugehen.

Und dennoch wird ab und zu der Wunsch in mir wach, dass es doch vielleicht anders sein könnte. Dabei stehen zur Zeit wieder alle Zeichen auf Demontage... so scheinen Philosophen und Historiker mal wieder recht zu behalten: dekadente Gesellschaften werden letztlich fallen.

Not bringt Tugend

Andererseits und trotz aller Kritik am menschlichen Miteinander wissen wir, dass die Menschen in Schreckenszeiten und extremen Situationen zusammengehalten haben. Man hilft sich während und unmittelbar nach Kriegen, versucht gemeinsam das Überleben zu sichern und schützt sich im starken Miteinander vor akuten Gefahren. Diese Geschichten kennen wir, nur scheinen wir diese Tugenden nicht mehr anzuwenden in Zeiten des sogenannten Wohlstands, der eine allgemeine Orientierungslosigkeit zu fördern scheint.

Sind wir nur reif für gefährliche, nicht aber für friedliche, satte Zeiten?

Ziellos im Wohlstand

In diesen Zeiten ändern sich die Themen und Bedürfnisse. Der Mensch sucht nach einem Sinn im Leben oder wenigstens nach Spaß, wenn sich ein tieferer Sinn dem Geiste entzieht bzw. im gesellschaftlichen Erlebnisraum schlichtweg nicht angeboten wird. Wer erinnert sich nicht an Berichte über die sogenannte Spaßgesellschaft (gefühlt so seit den späten 80er Jahren), auch wenn dies im aktuellen Geschehen bereits wieder überholt klingt?

Worum geht es dabei? Um gesellschaftliche Dekadenz, fehlendem Tiefsinn und der Untergang einer auf Konsum gebürsteten Gemeinschaft.

Gesellschaften, die nicht mehr über die intrinsische Kraft gemeinschaftlichen Zusammenhalts verfügen, sind auf Dauer ähnlich anfällig für Krankheiten wie ein nackter, betrunkener Mann im Winter für eine Lungenentzündung.
Es geht in sogenannten Spaßgesellschaften das verloren, was den Menschen in Anbetracht unserer Geschichte eigentlich mit der Muttermilch eingeflösst werden müsste: das Verständnis, dass wir nur in einer funktionierenden Gemeinschaft überleben können.

Marker des Niedergangs

Was eine Gesellschaft hervorbringt, wenn ihre Mitglieder nicht mehr selbige im Blick haben, erleben wir momentan wieder, an diesem Punkt unserer gemeinsamen Geschichte. Einige typische Marker für einen drohenden Niedergang sind weitreichend bekannt:

  • Wenn eine Gesellschaft ihre Führung (im Gleichklang zum kulturellen Verfall und der allgemeinen Verdummung) zu einer egomanen, korrupten Brut verkommen lässt

  • Wenn menschliche Gemeinschaften es zulassen, dass wenige nahezu alles besitzen und viele nichts haben

  • Wenn Gerissenheit und Cleverness mit klugem und angemessenem Verhalten verwechselt werden. Wenn weder Reife noch Besonnenheit vonnöten sind für eine gesellschaftliche Führungsposition

  • Und entsprechend: wenn politische Führungspositionen durch Ellenbogen und fehlende Skrupel erkämpft werden müssen

Die Liste ließe sich beliebig fortführen und auf sämtliche Bereiche unserer Kultur erweitern. Auf die Funktionsweise unserer Wirtschaft, auf die Inhalte und Gestaltung von Bildung und Wissenschaft, auf unser spirituelles Verständnis und dem darauf aufbauendem Zusammenleben.

Spaßbefreiter Absolutismus

Was bedeutet die aktuelle Lage nun für unsere Spaßgesellschaft?

Sicher lässt sich sagen: auf jeden Fall weniger vom geliebten, alten Spaß.

Wir leben jetzt in Zeiten (höchst konstruierter) politischer Korrektheit, welche absurde politische Diskussionen erlaubt, deren Ergebnis in ihrem Anspruch nach Richtigkeit und Absolutheit faschistisch anmuten.
Wir erleben Demokratieabbau, Freiheitsbeschränkung, Verbote, mediale Gleichschaltung und Verlust der Meinungsfreiheit... das ist kein Nährboden für Spaß oder echten Humor; für Humor bedarf es der Toleranz und Freiheitsliebe.

Dem Menschen wird auch jetzt wieder über alle offiziellen Kanäle vermittelt, dass er seine persönlichen Interessen und Bedürfnisse dem großen Ziel unterordnen muss. Von diesen großen Zielen haben wir scheinbar noch nicht genug. Immer musste in unserer gemeinsamen Geschichte etwas befreit oder vernichtet werden oder wir mussten vor etwas Bösem beschützt werden.

Zum Schutz der Schwächsten müssen wir nun den kleinsten und tückischsten aller denkbaren Feinde bekämpfen, koste was es wolle. Alte Geschichten in neuem Gewand. Immer wieder funktioniert derselbe Taschenspielertrick. Lediglich Begrifflichkeiten werden ausgetauscht.

Notwendige Spaßevolution und der Blick in die Antike

Also, was tun? Dieser Zug ist erst einmal nicht mehr aufzuhalten. Es wird auch übermorgen kein gestern mehr geben – die alten Zeiten sind vorbei.

Der Spaß war aber niemals sinnlos. Er diente in den vermeintlich spaßigeren Zeiten der Zerstreuung von den Sorgen, der Sinnstiftung innerhalb eines ansonsten ernsthaftem Lebens mit ernsthaften Problemen. Er war Sinnbild für ein Leben, das keinen Sinn in den gesellschaftlich vorgegeben Zielen sah und von daher die Sinnhaftigkeit in der Lebensfülle suchte. Er war immer ein Schrei nach etwas mehr Freiheit, nach Leichtigkeit und Freude.

Nun, wer diesen Blog verfolgt hat, kennt meine Ansätze. Es geht unter anderem darum, diese tiefere Ebene der Spaßsehnsucht freizulegen und zu befreien. Wir können nur erfüllt leben, wenn wir uns nicht mit den Ängsten identifizieren, wenn wir erkennen, das wir unberührt von den Geschichten und Nöten sind.

Außerdem, die Sinnsuche muss an Tiefe gewinnen – nicht nur spirituell, sondern auch im Umgang mit den Dingen, die uns Freude bereiten können! So ist die oft genutzte Hedonismusdefinition zur Veranschaulichung der ungezügelten Spaßgesellschaft nicht korrekt.

Antike Hedonisten haben nicht nur die Lebensfülle und den Spaß gesehen. Sie haben erkannt, dass es auf die rechte Dosis ankommt; dass die Freude an köstlichen Speisen z.B. nur dann erlebt werden kann, wenn zuvor Verzicht geübt wurde. Es geht also einerseits um das rechte Maß und den rechten, maßvollen Umgang mit gelegentlicher Maßlosigkeit.

Hedonistische Ruhe zwischen Lust und Schmerz

Die ersten Hedonisten (i.S. einer philosophischen Denkrichtung) vertraten die Theorie das sich unsere Seele zwischen den Zuständen Schmerz und Lust bewegt. Natürlich möchten wir die Bewegung hin zur Lust, aber es gibt zudem noch den Hinweis bzw. die Erkenntnis, dass sich zwischen diesen beiden Zuständen die Seelenruhe (Ataraxie) befindet.

Ich erlaube mir, diesen Ansatz gemäß meiner eigenen Erkenntnissen weiter zu interpretieren (ist ja immerhin mein Blog).

In der Dualität zwischen Lust und Schmerz, zwischen Freude und Leid, zwischen ganz und gar nicht... liegt das Nonduale, das kein Zweites kennt und das den tiefsten Frieden überhaupt darstellt. Es ist der Zustand, welchen wir in der spirituellen Verwirklichung realisieren sollen. Es ist nichts, dass jemals erlangt werden kann, sondern die einzige beständige Wahrheit, die einfach IST.

Bewegen wir uns immer nur in Richtung Lust oder Spaß, müssen wir diese Wahrheitsebene zwangsläufig übersehen. Die gesamte Existenz spielt mit der Dualität und mit den Extremen als Hinweis auf das Eine, das kein Zweites bzw. keine Dualität kennt.

Freiheit im Erkennen

Entsprechend sind auch die aktuellen Geschehnisse nichts anderes als eine existentielle Gegenbewegung zu dem, was vorher war. Diese Bewegung ist unaufhaltsam. Es ist diese eine Erkenntnis, welche die gesamte Diskussion in ein neues Licht rückt, da es den Fokus auf das Unveränderliche rückt; auf die Leinwand, auf welche das gesamte Spiel des Lebens projiziert wird und welche selbst immer unveränderlich bleibt.

Ja, die von der Leinwand reflektierten Farben ändern sich laufend. Aber dieses Erkennen ist befreiend, dass wir das sind, was dieses ganze Schauspiel überhaupt erst erlaubt; nur der kleinste Teil unseres Seins spielt scheinbar aktiv in diesem Stück mit. Es ist der Teil, der sich Lust und Spaß wünscht und dabei doch jenseits aller Worte und Definitionen zuhause ist.

Donnerstag, 18. Februar 2021

Eiskristallflora

Schmelzwetter auf unserer Terrasse, der Schnee verflüchtigte sich.
Was blieb waren ein paar winzige Wasserpfützen, welche plötzlich erneut froren und zu meinem Erstaunen in eine Landschaft aus Blüten, Gräsern und allerlei Gewächsen erstarrten.

Wie offensichtlich die mathematischen Formeln unserer Lebenswelt entlarvt werden. Grundlegende Formen wiederholen sich in Mikro- und Makrokosmos. Sie zeigen die Schönheit dieser Welt, ihre klare Struktur und auch die Grenzen, in welche diese Dimension in Erscheinung treten kann.





Mittwoch, 10. Februar 2021

Selige Vergänglichkeit

In glücklich zerbrochenen Erinnerungen

Erblüht die Freiheit aus vergessenen Memoiren

Und die Liebe aus Menschen ohne Geschichte

Ohne die Illusion von Tat oder Untat

Ohne geglaubten Frevel oder Heiligkeit

Ohne die Idee von Namen oder Rang

Spielt das Leben gelassener nur mit sich selbst

Aktion statt Planung, Stille statt Widerstand

Kongruent in unvermeidlicher Direktheit


Erhebende Stimmung befreit von Anlass, Sinn und Ursache

Trauer ohne Anker, in Wind und Strömung verloren


Die Bühne des Lebens auf unsichtbarem Grund

Der frei von Bedingungen und Vorstellungen

Alles aus sich nährt und alles in sich vergehen lässt

Es wird verbrennen ohne Asche

Zerstören ohne Schutt

Nichts, was bleibt

Alles, das Ist