Mittwoch, 8. Dezember 2021

Die eine Konstante

Die Suche nach Zufriedenheit im Leben treibt natürlicherweise jeden im Leben um. Lebensglück fordert indirekt immer das Finden einer Konstante. Der Mensch sucht nach etwas, das sich im Leben nicht mehr verändert; etwas, das ihn nicht mehr verlässt, wie eine Verkörperung des Glücks, die beständig bleibt.
Verlieren wir das, was uns Glück beschert, führt das automatisch zu Trauer. Es ist in uns angelegt, dass wir unangenehme oder gar lebensbedrohliche Gefühle zu meiden versuchen und uns nach einer Konstante sehnen.

Ein erhofftes Glück mag tausend Dinge und für jeden etwas anderes bedeuten, ganz abhängig von unseren individuellen Vorlieben und Vorstellungen. Das ist eine Frage unserer sozialen Prägung oder anders ausgedrückt: unserer Programmierung.
Glück mag die Liebe durch einen Seelenpartner bedeuten, der uns nie mehr verlässt, die Heimat, die uns keiner raubt oder die Freiheit, immer unterwegs zu sein und großartige Erlebnisse zu haben. Die Hoffnung nach der Erfüllung dieses Glück ist der Grund, warum Menschen heiraten, ein Haus bauen, an ihrer Karriere arbeiten oder immer versuchen auf Reisen zu sein.

Es ist die natürliche Präferenz, das Glück dem Unglück vorzuziehen und, ergo, so zu leben, wie es uns halt glücklich macht. Direkt daran gekoppelt ist die irrige Idee, dass uns etwas oder jemand erst dieses Glück geben oder es in uns erwecken müsste. Das glauben wir, weil wir es nicht besser wissen und da niemand war, der uns etwas anderes beibringen konnte.

Irgendwann im Verlauf des Lebens dämmert es vielleicht, dass es diese durch eine Sache verkörperte Konstante nicht gibt. Im Leben kommt und verschwindet alles, nichts scheint für die Ewigkeit gemacht. Ewigkeit ist ohnehin ein Konzept, das wir mit dem Verstand nicht greifen können, obwohl es eine magische Anziehung auf uns ausübt. Das beginnt schon mit unserem Körper, mit dem wir nur eine bestimmte Zeit gesegnet sind. Aber es ist nicht bloß die vergängliche menschliche Hülle, sondern alles, was uns scheinbar umgibt. Nichts davon ist bleibend oder beständig.

Gehen wir einen Schritt zurück und werfen einen Blick auf unsere Welt, dann müssten wir spätestens seit den Erkenntnissen des letzten Jahrhundert zutiefst erschüttert sein. In der Schule lernen die Kinder bereits, dass die Zeit, welche unser Leben ordnet, abhängig von Geschwindigkeit und Gravitation ist. So ist messbar, dass die Zeit im hohen Gebirge minimal schneller verläuft als auf dem Level des Meeresspiegels; auf Planeten mit großer Gravitation entsprechend schneller und bei Lichtgeschwindigkeit steht sie für den Reisenden theoretisch förmlich still. Auf einer subjektiven Ebene ist Zeit ebenfalls relativ, da verschiedene Ereignisse auf uns wirken und das Zeitempfinden dehnen oder beschleunigen. Und die Zeit ist nur eine der Größen, die wir in unserem Leben fälschlicherweise als eine Konstante anerkennen.

Die Wahrheit kann unangenehm scheinen; die Wahrheit, dass unsere Lebenswelt nicht den angenommenen Gesetzmäßigkeiten und Konstanten unterliegt, wie wir vielleicht glauben wollen. Leben, Zeit, Raum, geliebte Menschen, Besitz und Macht sind bestenfalls geliehen und wir wissen nicht einmal, für wie lange.

Wenn uns etwas Beständiges glücklich machen soll, dann muss es etwas sein, das immer da ist und bereits immer da war. Wie sollte es sonst eine Konstante sein?

Es gibt nur einen Weg, diese Konstante zu finden. Dafür müssen wir ganz genau schauen und an uns selbst erforschen, was dies sein kann. Es kann kein Ding bzw. ein Objekt sein, da alle Objekte im Leben auftauchen und irgendwann wieder verschwinden. Diese ganze Subjekt-Objekt Beziehung ist nicht zuletzt der Grund für das duale Dilemma, welches uns immer zwischen Glück und Leid schwimmen lässt. Das mag menschlich genannt werden, es ist aber sicherlich nicht der sprichwörtlichen Weisheit letzter Schluss.

Die einzige Konstante, die wir finden können, ist das, was bereits unser gesamtes Leben durch unsere Augen blickt und über die Sinne das Leben erfährt. Es ist dieses (scheinbar) innere Wesen, das sich nie verändert hat. Prüft man es genau, dann war es mindestens das gesamte Leben da; ob mit 5, 50 oder 75 Jahren - es war immer gleich. Es ist das, was alle Umstände unberührt akzeptiert, ob nachts, im wilden Traum oder tags, im drögen Alltag. Es fühlt sich immer gleich friedlich, still und beständig an.  

Da diese innere Natur nicht immer für uns greifbar ist, können wir nach dem suchen, was sich darin finden lässt, wie z.B. Frieden oder Liebe. Die einfache Praxis, die wir leben und steuern können, scheint einfach und schwierig zugleich: die Aufmerksamkeit auf einer dieser Qualitäten ruhen zu lassen, und dabei nicht abzudriften, um irgendwelchen Gedanken zu folgen. Irgendwo lässt sich Frieden in uns finden, vielleicht ist das Empfinden dafür zunächst klein; bleibt die Aufmerksamkeit auf dieser Qualität wird auch der Frieden dominanter.

Dabei sollte an nichts festgehalten werden. Den Geist mehr und mehr zu leeren und die Pforte zu durchschreiten, welche durch die tägliche Schulung der Aufmerksamkeit geöffnet wird. Und schon werden wir auf einen mysteriösen Weg geführt.

Ein Ergebnis der täglichen Praxis, des dauerhaften Verweilens in unserer eigentlichen Natur wird dann offenbar. Es fällt irgendwann auf, dass keine Konstante mehr benötigt wird, da derjenige, welchen es nach einer Konstante verlangt, wegfällt. Gleichzeitig ist da die Realisation, dass das, was übrig bleibt und was wir im Kern sind, selbst diese ewige Konstante ist.

An dem Punkt setzen tiefe Erleichterung und Glück ein. Wir waren immer das, wonach wir suchten. Es liegt alles in uns. Das hat und wird uns niemals verlassen, wir sind es selbst!

 

Sonntag, 3. Oktober 2021

Behüter des Lebens

Ein Samen wurde vom Sturm getragen, weit weg vom Ort, wo er geboren war.

In ein fremdes Land mit fremden Boden und fremden Gewächsen.

Anders war es dort. Unwirtliche, harte Erde und nur wenig Wasser.

Konnte der Samen hier überleben? Dürre, karge Pflanzen, mehr schlafend als wach, waren hier zu Hause. 

Steinig, trostlos und verlassen wirkte das Land. Der wenige Regen reichte kaum für die Kraft zum Keimen.

Nur die Gnade des Willens zum Leben ließ kleine Wurzeln wachsen und winzige Blätter sprießen.

Oh Behüter aller Pflanzen, bitte erbarme Dich meiner! Wie soll ich hier für Dich gedeihen, um Dich zu erfreuen mit meinen bunten Blüten und meinem süßen Duft?“

Lange blieb das Pflänzchen scheinbar ungehört und kauerte in der trockenen, aufgerissen Erde. Das bisschen Leben in ihm wurde dennoch bewahrt von einer schützenden Kraft.

Manches muss gehen und anderes soll bleiben. Wir wissen nicht warum, aber so scheint das Spiel des Lebens.

Müde und klein stand das Pflänzchen in der trostlosen Fremde, umgeben von nichts, was es kannte aber durchdrungen von einer ungeahnten Liebe zum Leben.

Da war kein Plan in ihm und keine Aussicht. Nur die Gewissheit, dass es hier sein und überleben muss.

Lange harrte es so aus. Die Lebenskraft schwand mit der Zeit fast völlig. Das zarte Pflänzchen war längst bereit zu vergehen und Platz zu machen für andere, die folgen werden.

Dann kam der Regen, plötzlich und stark. Bäche bildeten sich und kleine Flüsse. Tiere erschienen, um zu trinken. Das Leben wurde mit einem Mal sichtbar.

Überall wuchsen kleine Blumen., wie durch ein Wunder. Kräftige Pflanzen mit saftigen Blättern sprossen aus dem kargen Boden und auch unser kleines Pflänzchen gedieh und wuchs schnell heran.

Mit einem Mal war überall Schönheit und das erstarkte Pflänzchen wurde von Dankbarkeit und Rührung erfasst.

Du hast mich nicht vergessen! Lass mich für Dich schön sein und Dir damit danken. Lass mich hunderte Samen tragen und in Deinem Namen das Land fruchtbar machen!“

So sollte es geschehen.

Generationen seiner Nachfahren veränderten das Land, machten es fruchtbar und der Schönheit des Himmels gleich.

Aus dem kraftlosen Pflänzchen mit nichts als Gnade im kleinen Körper entstand ein prächtiges Stück Land, das jeden, der es besuchen durfte, mit dem Wunder des Leben erfreute.



Samstag, 25. September 2021

Korruption

Vielleicht liegt es ja daran, dass ich älter werde und in der Lage bin, mich zu erinnern. Vielleicht erinnere ich mich auch falsch und vielleicht war es vor ein paar Jahrzehnten nicht besser. Aber korruptes Verhalten, so scheint es, ist heute normaler und allgegenwärtiger geworden. Ich kann mich nicht erinnern, dass der Lobbyismus in der Politik je so offen zur Schau gestellt wurde. Der reibungslose Wechsel zwischen politischen und wirtschaftlichen Ämtern erfährt lediglich seichte, folgenlose Kritik; daraus resultierende geschäftliche Beziehungen und der Fluss von Steuergeldern wird zwar gelegentlich öffentlich thematisiert, aber Rücktritte von Politikern sind dennoch selten geworden.
Vielleicht gibt es auch weniger Widerstand in einer Gesellschaft, wenn die Offenheit für Diskussionen und die Freude an verschiedenen Ansichten schwindet. In alten Talkshows aus den 60er und 70er Jahren kann man noch die einst lebendige und offene Diskussionskultur erleben – unaufgeregte Gespräche aus verschiedenen Lagern, Menschen, die im undurchdringlichen Nebel aus Zigarettenrauch einander sogar ausreden lassen. Dieses Echo aus der Vergangenheit wirkt heute fast unwirklich und befremdlich.
Ist dieser Verfall der Diskussionskultur nicht auch bereits ein Anzeichen dafür, dass eine Gesellschaft den Übergang von einer Demokratie in eine andere Verfassungsform besiegelt hat - so wie von antiken Philosophen wie Platon beschrieben? Nach Platon wäre die nächste Phase übrigens die Tyrannei, was ungemütlich aber nicht unbedingt abwegig erscheint. Vielleicht sollten wir präventiv alle wieder mit dem Rauchen anfangen...
Der Sinn für die Werte einer Gesellschaft müsste vermutlich in einem wesentlichen Teil selbiger lebendig gehalten werden; das Gefühl einer gesellschaftlichen Einheit (ganz gleich, wie groß diese sein mag) durch mediale Bemühungen allen ans Herz gelegt werden. Korrupte Medien und das Geschäft mit Verunsicherung und Ängsten, mit Meinungsbildung und subjektiver Berichterstattung tragen doch offensichtlich zu dieser Entwicklung bei.
Soziologische Beobachtungen gesellschaftlicher Entwicklungen müssten ernst genommen und entsprechende Gegenmaßnahmen politisch eingeleitet werden. Und wo ich es schreibe merke ich, wie
unsinnig und utopisch eine solche Forderung im momentanen gesellschaftlichen Kontext klingt.

Aber was passiert zum Beispiel, wenn zu viele Personen zur gleichen Zeit damit befasst sind, nur noch ihre eigene Position und ihren Status zu verbessern?
Es war vermutlich schon immer so, dass die Korruption, d.h. die Bestechlichkeit und damit verbundene Verführbarkeit, alle Ebenen des menschlichen Lebens durchzieht. Auch eine Gesellschaft muss ab einem bestimmten Punkt kippen, so wie ein Teich, der zu wenig Sauerstoff bekommt und in seinem eigenen Saft aus Bakterien und Abfallstoffen zu modern beginnt.

Gleichgewicht, Fokus und Achtsamkeit scheinen nicht nur für den Einzelnen relevant, sondern sind Werkzeuge, die eine Bedeutung für die gesamte gesellschaftliche Stabilität haben. Bei dem Einzelnen geht viel schief, wenn weder Gesellschaft noch Familie diese Werkzeuge vermitteln können.

Wie bereits oben beschrieben werde ich das Gefühl nicht los, dass die Hemmschwelle gesunken ist, korrupt zu denken und zu handeln.

Korruption am Herzen

Sicherlich, es gab schon immer diese Menschen, die scheinbar ohne Rückgrat geboren wurden. Rückgrat im Sinne von Treue und Integrität. Dabei geht es nicht darum, ob jemand „seinen“ Weg geht und für seine eigenen Wünsche und Vorstellungen eintritt. Diese können sich ändern und analog zu den Ereignissen im Leben in Fluktuation sein.
Für mich beginnt die eigentliche Korruption viel früher: weniger in der Welt der Ideen und Vorstellungen, sondern im Herzen. Herz im Sinne von Treue und Liebe gegenüber unserem Wesenskern, unserer Seele. Wir haben alle diesen Kern von unendlichem Frieden in uns, der in Freundlichkeit und Liebe strahlen kann, der frei ist von Angst und Schuld.

Der Verrat am Herzen lässt sich nicht so leicht rational vom Tisch wischen. Korruption gegenüber unserem Herzen bedeutet, Angst und Gier Raum zu geben. Diese negativsten der Emotionen richten dabei Schaden an uns und anderen an, aber das damit verbundene Abwenden und Vergessen von unserem Herzen wiegt ungleich schwerer. Es ist eine Entscheidung gegen die Freiheit und für die volle Wirkungskraft eines entfremdeten und dualistischen Lebens.

Es geht nicht um den persönlichen Vorteil. Auch die Treue gegenüber dem Herzen lässt den Schmerz nicht vermeiden. Wir bleiben Teil dieser Welt, selbst wenn wir unseren Wesenskern voll realisieren.
Auch ohne schlechte Absichten werden wir manchmal Menschen verlassen oder werden von anderen verstoßen; unser Verhalten wird nicht immer auf Verständnis stoßen; wir können als schlechte Person verurteilt werden, weil wir nicht den Erwartungen entsprechen, nicht als würdig erachtet oder nicht verstanden werden. Der Schmerz bleibt immer ein Begleiter, unabhängig davon, ob wir korrupt oder im Einklang mit uns selbst handeln.

Ein Lebensweg mag dabei vorbildlich und ganz linear oder aber völlig chaotisch in verschiedene Richtungen verlaufen. Das sagt nichts darüber aus, ob jemand bestechlich ist oder nicht. Wir können nichts für unsere Sozialisation und die Eigenschaften, mit denen wir ausgestattet wurden. Das einzige, was wir vermögen, ist unsere Aufmerksamkeit im Augenblick zu beherrschen. Das hat eine Wirkung auf unser gesamtes Wesen und die Menschen um uns.

Wesentliche Werkzeuge

Der Fokus im Leben ist entscheidend. Verfolgen wir Ziele, wie Erfolg im Beruf, Ansehen und Einfluss... und können wir nicht beizeiten von diesen Zielen ablassen, dann öffnen wir die Pforten ganz weit für korrupte Gedanken und Taten. Liegt die Aufmerksamkeit auf persönlichen Interessen und den damit verbundenen Gedanken werden wir letztlich korrupt handeln und dieses Handeln rechtfertigen, wenn auch mit einem bitteren Beigeschmack, der sich auf Dauer nicht vom kurzen Rausch des persönlichen Vorteils versüßen lässt.

Moralische Konzepte mögen uns nur bedingt vor schlechten Taten bewahren. Die auf Moral begründete Bewertung der Handlung hängt von Herkunft und den verinnerlichten gesellschaftlichen Werten ab – und diese sind oft fragwürdig und nicht wahrhaftig genug, was das Instrument der moralischen Vorstellungen gefährlich und im Grunde nutzlos macht. Moral ist wie das juristische Recht nur eine Richtschnur für diejenigen, die sich nicht anders zu helfen wissen.

Entsteht Korruption nicht immer aus der Angst, etwas nicht zu erreichen, zu kurz zu kommen, nicht geliebt zu werden, verloren zu gehen oder gar zu sterben? Die Angst vor dem Tod macht uns sicherlich korrupt. Über wie viele Leichen würden Menschen gehen, um ihre eigene Lebenszeit oder die ihrer geliebten Menschen zu verlängern?

Das erlernte Empfinden, ein kleiner Fisch in einem sehr großen Teich zu sein, wird uns alle Vorteile nutzen lassen, um ein etwas größerer Fisch zu werden. Die Realisation, als ewiges Wesen nicht sterben zu können, entspannt diese Ängste, auch wenn der Wille zum Leben ungebrochen bleibt. Der Wille zum Leben kann sich dann in der Liebe zur Wahrheit und gegenüber allen Dingen ausleben.

Dieser tiefe Respekt gegenüber allen Dingen, der nur aus unpersönlicher Liebe erwachsen kann, ist wesentlich im Zusammenleben mit anderen Menschen. Die politische Lösung zur langfristigen Steuerung einer Gesellschaft bleibt vermutlich eine Utopie, solange der Mensch über seine niederen korrupten Antriebe nicht hinauswachsen kann.
Die Motive korrupter Menschen sind meist offensichtlich und nachvollziehbar. Wer will sie dafür verurteilen? Bleibt unsere Aufmerksamkeit im Wesentlichen, wo sie hingehört, stellt sich die Frage nach dem Urteil auch gar nicht. Die Welt zeigt dann von selbst ihre unwirkliche Natur - ihre wahre Beschaffenheit und die zu entdeckende Schönheit in Allem wiegt vielfach schwerer.

Alle Bemühungen, unsere Lebenswelt besser zu gestalten, beginnen immer beim Einzelnen und seinem wachsamen Blick auf alles, was im Moment geschieht. Korruption entsteht aus der Vorstellung, in dieser Welt verloren zu sein. Nur durch rechtes Sehen können wir dem Teufelskreis dieser durch Angst motivierten, gesellschaftszersetzenden Handlung entkommen.

Samstag, 21. August 2021

Wenn der Gedanke 2x klingelt

Wie viele Gedanken hat der normale Mensch so am Tag? Hunderte... oder Tausend?
Nach kurzer Recherche im Netz findet man da Größenordnungen von 35.000-70.000 Gedanken am Tag. Nimmt man davon einen ungefähren Durchschnitt kommt man auf 18-20 Millionen Gedanken im Jahr. Ich denke, das könnte so in etwa stimmen. Klingt jedenfalls nach viel Arbeit im Kopf...

Gedankenstränge

Dabei müsste eigentlich unterschieden werden zwischen zwei Gedankensträngen, die man als aufmerksamer Beobachter leicht erkennen kann.
Der eine Strang an Gedanken ist sehr allgemein, unbewertet und nahezu unbemerkt. Darunter fallen Gedanken, wie: „da ist ein Baum“, „ein Auto fährt vorbei“, etc. Es sind wertfreie Gedanken, die keinen persönlichen Bezug haben und die auch keine Probleme schaffen.
Dann ist da noch der zweite Strang an Gedanken, der den Kern unseres Egos bildet, da er die ersten Gedanken persönlich einfärbt. Aus dem Gedanken: „jetzt einen Salat machen“ wird „ich habe Sorge, der Salat schmeckt meinen Gästen nicht“. Hier werden die Gedanken mit Erinnerungen und Erwartungen verknüpft, welche wiederum Emotionen triggern.

Ohne diesen zweiten Strang an Gedanken gäbe es keine wirklichen Probleme. Wir würden uns als räumliche undefinierte Wesen wahrnehmen, die lediglich Beobachter dieser Welt sind. Das mag nicht für jeden attraktiv klingen. Es ist aber ein ungemein schöner und befreiter Zustand, der sich sehr natürlich anfühlt.

Die meisten Menschen können erfahrungsgemäß nicht aufhören zu denken, auch nicht, wenn sie dazu aufgefordert werden oder es aus eigener Kraft versuchen. Die Aufmerksamkeit hört unaufhörlich dem Strom der Gedanken zu und versinkt regelrecht darin.
Das bedeutet, unser einziges Kapital über welches wir tatsächlich verfügen, nämlich unsere Aufmerksamkeit, versinkt im steten Fluss meist überflüssiger, alles kommentierender Gedanken.

Die Grenze zum Irrsinn

Noch erschreckender ist vielleicht die Aussage, die ich in einem Artikel auf Zeit online fand, dass lediglich 15 Prozent der Gedanken als positiv bewertet werden können. Andere Quellen sprechen sogar von nur 3 Prozent positiven Gedanken. Immer soll im Verhältnis der Anteil negativer Gedanken deutlich höher sein. Die Zahlen mögen vielleicht innerhalb der Beobachtungen drastisch abweichen. Es geht an dieser Stelle nicht um die Analyse einzelner Studien, sondern um die nachvollziehbare Aussage, dass wir viel und oft zu schlecht denken. Das bedeutet, es wäre besser, könnten wir den inneren Kommentator besser im Zaum halten.

Ein überaktives Gedankenleben geht so weit, dass Menschen endlose innere Diskussionen und sogar imaginäre Streitgespräche führen und irgendwann kaum noch unterscheiden können zwischen den tatsächlich stattgefundenen und den eingebildeten Gesprächen. Wer in dem Zusammenhang schon einmal Ziel höchst seltsamer und abstruser Anschuldigungen war, etwas Bestimmtes gesagt oder getan zu haben, weiß vielleicht worüber ich hier schreibe.

Sicherlich liegt ein Problem darin, dass sich das Gedankenleben mit Glaubenssätzen belädt. Alleine der Glaubenssatz, dass die beobachteten Gedanken wichtig oder richtig sind, ist absurd.
Der Glaubenssatz an sich besteht dabei aus sich selbst immer wieder bestätigenden Gedanken. Etwas wird als Tatsache akzeptiert und unsere Beziehung zur Lebenswelt gestaltet sich um diese fixe Vorstellung. Glaubenssätze, wie: „Person xy ist böse“ oder „ich bin wertlos“, werden und müssen sich immer wieder selbst bestätigen. Ein unbestätigter Glaubenssatz würde die Integrität desselben in Frage stellen und damit auch die Integrität des Egos. Das Ego ist lieber wertlos und suizidgefährdet als nicht existent.

Das Ego, eigentlich nur bestehend aus Gedanken und Glaubenssätzen, erschafft die scheinbare Integrität zwischen körperlichen und geistigen Phänomenen und kreiert damit eine Person, die es in der reinen Erfahrung nicht gibt. Zudem stellt es eine Abgrenzung zwischen Subjekt und Objekt her. Dieses Konstrukt aus Erinnerungen und fixen Ideen wird sich immer selbst schützen.

Gruppenwirkung

Ein stark verbreitetes, negativ gefärbtes Gedankenleben ist gesellschaftlich betrachtet durchaus ein Desaster. Es bedeutet, wir befruchten uns gegenseitig mit unangenehmen Schwingungen, welche wiederum zu negativen Emotionen und einer tendenziell negativen Haltung führen.

Erschwerend kommt hinzu, dass es einfacher ist, eine Gruppe von Menschen mit einer negativen Stimmung anzustecken als das Gegenteil zu tun und die Gruppe auf ein hoffnungsvolles oder vielleicht sogar glückliches Niveau anzuheben. Es reicht bereits ein richtig mies gelaunter Zeitgenosse, um eine Gruppe von Mitmenschen mit schlechter Stimmung anzustecken.
Ich sage immer, man sollte äußerst umsichtig sein, mit wem man so seine Zeit verbringt.

Hut ab vor Künstlern, die alleine einen ganzen Saal zum Lachen bringen können. Das ist kein leichtes Unterfangen, wird aber zumindest durch den Fokus und die gute Absicht der (hoffentlich) meisten Zuschauer erleichtert, eine schöne Zeit verleben zu wollen. Ohne gute Absicht hat es der Künstler nicht nur schwer, sondern seine Bemühungen bleiben garantiert wirkungslos.

Wie immer, können wir nur bei uns selbst beginnen, etwas an unserem inneren Fokus zu ändern.

Übung der Gedankenkontrolle vs. professionellem Nichtstun

Die Idee liegt nah, das Gedankenleben aktiv kontrollieren zu wollen, um über positive Gedanken direkt die Lebensqualität zu erhöhen. Wir müssen nicht darüber diskutieren, dass negative Gedanken nicht gut für uns sind und das Leben auf allen Ebenen verschlechtern.

Entsprechend möchte ich den Versuch der Gedankenkontrolle auch gar nicht als ein schlechtes Vorhaben verurteilen. Es gibt Übungen, die durchaus einen guten Effekt haben. Ich habe da in der Vergangenheit ein paar Praktiken getestet.

Wie zum Beispiel das positive Denken im Intervall: Über einen Zeitraum von 2 Stunden muss man in jeder einzelnen Minute für 10 Sekunden intensiv an etwas Positives denken.
Klar, es ist ziemlich herausfordernd, das 2 Stunden durchzuhalten. Die Übung funktioniert am besten mit einem Intervalltimer... und viel Ausdauer. Dabei wird trainiert, die Aufmerksamkeit auf positive, aufbauende Gedanken zu legen. Es ist anfangs nicht so leicht, jede Minute eine positive Vorstellung ins Bewusstsein zu bringen – nach 2 Stunden wird es aber zu einer Art Gewohnheit. Es lohnt sich, dies wenigstens einmal auszuprobieren.

Das ist eine spannende Übung, die sich aber in meiner täglichen Übungspraxis nicht durchsetzen konnte, da mein Bestreben immer darin lag, meine innere Natur kennenzulernen und dem näher zu kommen, was für diese ganze wunderbare Kreation verantwortlich ist. Und dafür gibt es direktere Wege, welche beiläufig auch die Beziehung zu aufkommenden Gedanken drastisch verändern. Die Wege sind aber für jeden verschieden, deshalb wollte ich andere Möglichkeiten wenigstens kurz anreißen.

In spirituellen Traditionen begegnet man immer wieder der Aussage, dass die Freiheit von Gedanken ein wichtiger Faktor für die spirituelle Entwicklung ist... nun, eigentlich muss die Aussage präzisiert werden. Es geht eigentlich nur um die Freiheit vom oben angesprochenen zweiten Gedankenstrang.

Das ruhige, absichtslose Sitzen und reine Beobachten hat sich für mich als Offenbarung herausgestellt. Ja, ja, es sieht aus wie Nichtstun aber es ist viel erfüllender als jede Form des Nichtstuns, von der ich zuvor glaubte, dass es Nichtstun sei. Gutes Nichtstun ist eine Kunstform, die meistens viel Zeit erfordert, damit man es zur Meisterschaft und ultimativen Befreiung bringen kann. Sie hat auch rein gar nichts mit Untätigkeit oder Faulheit zu tun. Im Gegenteil, es erfordert einen enormen Fokus, um die Art der Wahrnehmung zu ändern, mit der wir aufgewachsen sind.

Dazu müssen wir lernen, unsere Aufmerksamkeit zu bemerken, was erst einmal widersprüchlich klingt. Reines Beobachten erlaubt es, noch vor dem inneren Kommentator alles zu bemerken. Wir erkennen z.B. den Gedanken und die Bewegung im Geiste, diesen Gedanken interpretieren und färben zu wollen. Wir erkennen die damit verbundenen Gefühle, die körperlichen Empfindungen. All dies wird durch reines Beobachtung zu einem einzigen zusammengehörigen Phänomen im Raum.
Das Beobachten ist etwas, das wir automatisch immer tun. Wir müssen uns nun aber mit dem identifizieren, was die Gedanken und alle anderen Erscheinungen bemerkt. Das bedeutet nichts zu tun und sich innerlich weit zurückzulehnen und zu entspannen.
Es geht auch nicht darum, den Geist oder die Gefühle zu beruhigen, sondern das zu spüren, was der Kern unserer Aufmerksamkeit ist. Immer wieder diesen Kern des Ichs zu berühren, der vor jeder Erscheinung bereits da ist.

Aus der Tiefe an die Oberfläche blicken

Die Aufmerksamkeit selbst entspringt nicht dem Geist, sondern kommt aus einer tieferen Ebene des Selbst. Das Bewusstsein wird für die Forschung immer ein Rätsel bleiben, da es nicht ergründbar ist. In der Praxis lernt man, es nicht zu verstehen, sondern es einfach zu sein. Dabei stößt man auf Phänomene des tieferen Bewusstseins (andere würden „höher“ sagen), welches geprägt ist von Qualitäten wie Frieden, Liebe und Ausdehnung. Diese Phänomene sind ein erster guter Halt für das aufmerksame Beobachten. Wir können die Aufmerksamkeit darin fixieren und diese schönen Qualitäten als unsere wahre Natur akzeptieren.

Es gibt aber den Punkt, an welchem wir auch diese Phänomene loslassen und tiefer gleiten. In ein stilles Nichts, in welchem die Kreation verschwindet. Bevor es aber dazu kommt werden wir erkennen, wie sich die Art, Gedanken wahrzunehmen geändert hat. Sie kommen jetzt langsamer, gehören nicht mehr wirklich zu uns, sondern sind ein allgemeines Phänomen. Wir sehen, dass es nicht unsere Gedanken sind und sie sich im Zusammensein mit anderen Menschen verändern oder fremd werden – wir teilen alle einen Gedankenraum, der nun sichtbar wird.

Es ist ein Raum, der nicht mehr unsere Identität ist, obwohl er noch unsere alltäglichen Handlungen bestimmt. Wir sehen, wie Körper und Geist reagieren aber diese Reaktionen über die Zeit schwächer werden, da sie von der Aufmerksamkeit nicht mehr bestärkt werden. Wir können befreiter unserer Arbeit nachgehen, ohne z.B. Gedanken über das Urteil anderer verfolgen zu müssen.

Aber welchen Weg auch immer wir gehen, um das wild wuchernde Gedankenleben in den Griff zu bekommen. Irgendwas sollte getan werden und das sollte genauso selbstverständlich sein, wie die regelmäßige Körperpflege. Im Grunde stellt es die Lösung all unserer Probleme dar, oder?



 

Mittwoch, 21. Juli 2021

Ein Meter Unterschied

Nun rauschte zuletzt die Flutkatastrophe an uns vorbei. Knapp war es für die einen, während andere kein Glück hatten. Sie verloren Hab und Gut, Mensch und Tier.

Den Unterschied machen manchmal nur ein paar Meter, wenige Sekunden, eine unbedachte Reaktion. Und einmal mehr wird deutlich: der Übergang zwischen Qual und Zufriedenheit hat die Dimension eines hauchdünnen Tuchs.

Das Schicksal erscheint beliebig. Tausenden Familien lastet das Weiterleben ganz plötzlich schwer auf den Schultern und viele sehen sich unlösbaren Aufgaben ausgesetzt. Schwierig, fast aussichtslos und über eine lange Zeit.

Eine Katastrophe ist nicht nur direkt und unmittelbar. Sie kann lange wirken und lange quälen. Immer scheitern unter den Opfern auch Menschen ganz unbeachtet und allein.

Wer ist sicher vor den launigen Wogen des Lebens? Wer nicht sieht, dass wir uns weder vor Leid schützen, noch das Glück greifen können, muss blind sein. Wie oft war es schon ungemütlich knapp, dass uns ein Auto verfehlte, wir eben noch so das Gleichgewicht halten oder in letzter Sekunde ausweichen konnten? Es ist dasselbe mit einer Sturzflut, die ein paar Strassen weiter an uns vorbeirauscht.
Wir erleben "knapp" öfters im Leben und noch öfter kriegen wir nicht einmal mit, wo eine Gefahr lauerte und wir einfach nur Glück hatten.
Ist es verwunderlich, dass in manchen Menschen irgendwann der Wunsch nach Stille und Frieden unwiderstehlich wird?
Wer erkennen darf, dass in uns etwas Beständiges existiert, wie der Mond oder die Sonne, kommt diesem Wunsch nach Frieden näher.
Die Wege vorbestimmt, keine Gedanken um gestern und morgen, kein Anfang, kein Ende, keine Geburt und kein Tod. Darin vermag zu ruhen, wer davon erfährt und wen es unbedingt auf diesen Weg zieht.
Mit einem Bein in der Ewigkeit stehend als unbeweglicher Pfeiler inmitten der Wogen des Lebens, die unbestimmbar scheinen.



Montag, 19. Juli 2021

Die Liebeswurst aus San Fernando


Die Liebeswurst aus San Fernando

War ganz vernarrt in Marlon Brando

Nicht den Dünnen, den späteren Dicken

Erträumte sie nachts, sie zu beglücken


Fast jede Nacht musste er sie verführ´n

Mit ihr tanzen, reden, sie überall berühr´n


Brando, bereits tot, wusste davon recht wenig

Das Schicksal war manchmal durchaus gnädig


Bei einem sind wir uns sicher:

Die Liebeswurst aus San Fernando

Hätte gestalkt ihren Marlon Brando


So war es gut für beide Seelen

Dass sie sich nicht trafen

Denn sie wird ihm nicht fehlen

Und er muss sie nicht strafen


Die Moral von der Geschichte und die Weisheit zum Schluss 

Es kann schön sein, dass man sich niemals begegnen muss.



Samstag, 3. Juli 2021

Vertrauen ist gut – aber für was?

Beim Versuch den Begriff des Vertrauens irgendwie einzuordnen, stößt man automatisch auf Worte, wie Kontrolle, Naivität, Sorglosigkeit, wichtig, blind, dumm, leicht, einfach, kindlich... Sie haben in ihrer Bedeutung eine enge Verwandtschaft zum Vertrauensbegriff und wir nutzen sie im individuellen Rahmen unserer eigenen Erfahrungen. An den verschiedenen Ladungen dieser Begriffe, ob eher positiv oder negativ, befangen oder frei, lassen sich einige Freiheitsgrade ablesen, welche wir einem Wort wie Vertrauen zumessen.

Vertrauen kreiert den Lebenslauf

Vertrauen entwickelt sich im Laufe eines Lebens zu einem immer komplexeren und beladenerem Begriff, der, bezogen auf die verschiedenen Ebenen gesellschaftlichen Lebens, große Auswirkungen hat.

Die Fähigkeit (oder der Mangel) zu vertrauen beherrscht große Teile unseres Lebens und kreiert unsere Lebensgeschichte.
Vertraue ich in das Gute im Menschen? Vertraue ich meinem Nachbarn, meinem Partner, meinem Chef...? Vertraue ich in die Menschheit, die Regierung oder in eine gute Kraft, welche das Leben bestimmt? Oder misstraue ich dem Glück, erahne ich den Schrecken bereits hinter der nächsten Ecke und setze ich ein tiefes Grundvertrauen mit Dummheit gleich?
Es kristallisieren sich anhand unserer eigenen Erfahrungen und verinnerlichten Glaubenssätze Vertrauensbeziehungen heraus, die wir mit Personen, Institutionen oder auch grundlegenderen Aspekten des Lebens pflegen. Darunter auch Beziehungen zu Gott, dem Universum als belebte oder unbelebte Naturgewalt oder dem Mysterium der Liebe. Unsere mehr oder weniger vertrauensvolle Haltung gegenüber dem Leben bestimmt, wie wir dem Leben entgegen treten und wie es sich für uns gestalten kann.

Erlerntes Vertrauen

Aber woran bemessen wir, ob wir in etwas oder jemandem Vertrauen haben können? Ist es intuitiv, erlernt, rational oder alles zusammen? Und von welcher Ebene sollte das Vertrauen oder das Misstrauen idealerweise kommen?

Jeder Mensch findet im Laufe seines Lebens mehr oder weniger bewusste Antworten darauf. Selten entstehen dabei wunderbare Beziehungen zur gesamten Schöpfung. Das Gros der Menschen scheitert in seinem Vertrauen bereits an so etwas banalem wie der Hautfarbe und an vom Hörensagen erlernten Vorurteilen. Im letzten Jahr wurde es sehr deutlich, wie leicht der Mensch in seinem Vertrauen beeinflusst werden kann und wie fremdbestimmt er dadurch wird. Fremdbestimmt durch Ignoranz, Arroganz und dem Anspruch auf eine Meinungshoheit.
Wir werden bereits von Kindesbeinen an darin geschult, vorsichtig zu sein und auch vorsichtig mit unserem Vertrauen umzugehen.

Es erscheint überlebenswichtig, an den richtigen Stellen zu vertrauen und auch zu misstrauen, was nie rational aber höchst persönlich und subjektiv entschieden wird.

Aber wie tief kann dann noch das Vertrauen in das Leben sein?

Die leere Worthülse

Verlassen wir kurz die Diskussion um die Sinnhaftigkeit von gesundem Vertrauen bzw. gebotener Vorsicht. Was geschieht, wenn wir ein paar Schritte zurücktreten, den rein menschlichen Erfahrungsraum verlassen und die Welt unpersönlich und frei von geistigen Einschränkungen, wie Vorstellungen und Empfindlichkeiten betrachten?

Spielt das Vertrauen mit seinen Freiheitsgraden und seiner ganzen Vielfältigkeit dann noch eine Rolle?
Aus der Perspektive eines freien Beobachters wird die Ursächlichkeit des Problems offenbart. Vertrauen ist nur ein Wort. Verlassen wir die Ebene der Worte, spielen die Definitionen und Beurteilungen keine Rolle mehr – aus dem mit Bedeutung geladenem Wort wird eine leere Hülse.
In der Freiheit, wo die Stille und unser wahres Wesen beginnen, schwinden die Bestandteile des Bewusstseins, mit denen wir uns als Person identifizieren. Jeder Unterschied schwindet in der brutalen Schönheit und der Perfektion, die allem zugrunde liegt.
Setzen wir die winzigen Bestandteile zusammen: Gedanken und Erinnerungen, Empfindungen, Sinneseindrücke, Assoziationen...kreiert das Bewusstsein mühevoll eine Person, die immer wieder beginnen wird, ein Problem mit sich und der Welt zu haben. Aus der Perspektive unserer wahren Natur ist das ein echtes Meisterstück der Selbstverleugnung. Nur in dem kleinen Rahmen dieser Kreation kann ein Wort wie Vertrauen überhaupt eine Bedeutung haben.

Aus neuen Krügen gefüllt

Die wiederholte Erfahrung dieser grenzenlosen Erleichterung, welche wir durch rechtes Meditieren oder glückliche Fügung bzw. Gnade erfahren dürfen, formt auf natürlichem Wege die winzigen Bestandteile, die unsere menschliche Identifikation ausmachen. „Winzig“ deshalb, weil in der Erfahrbarkeit der Stille, diese Bestandteile in ein Nichts schwinden. Dennoch zieht es die Aufmerksamkeit immer wieder in die menschliche Form, da es scheinbar unsere Bestimmung ist, in dieser zu leben und zu erleben.

Idealerweise hat man die Aufmerksamkeit in „beiden“ Welten, die im Grund natürlich nur eine ist. Da es keinen Begriff des Vertrauens braucht, um Das zu sein, was wir immer waren und wir aus dieser Perspektive auch keine Gefahr, keinen Tod, kein Versagen oder Betrug kennen, passiert etwas befreiendes innerhalb der menschlichen Dimension des Vertrauens.

Es formt sich neu, da wir unsere eigene Unbegrenztheit erkennen. Es bildet sich ein tiefes Vertrauen in unser Selbst, dass dieses Leben formt und alles versuchen wird, damit unsere Aufmerksamkeit auf dieses Selbst gerichtet bleibt. Wir stehen dadurch mit gelösteren Beinen im Leben und haben einen sicheren Anker, welcher uns die Illusion des reinen Schreckens nimmt.

Das bedeutet nicht, dass wir allem blind vertrauen müssen.
Ich misstraue dem Vertreter, der mir eine weitere Versicherung andrehen möchte und in dessen Gedanken ich die geschulten Gesprächsmechanismen erkenne aber keine wirklich gute Absicht, mir zu helfen. Ich misstraue den Politikern, die mit geübter Rethorik jede Schuld von sich weisen und ich gehe z.B. nicht freiwillig an Orte, welche Ärger und Gewalt versprechen. Das sind erlernte Schutzmechanismen, die für mein Urvertrauen keinerlei Bedeutung haben. Sie gehören einfach dazu, wenn das Spiel des Lebens gespielt wird. Sie sind Teil des Theaters, dass für ein paar Akte als Mensch erlebbar wird und danach in Vergessenheit gerät.

Im Spiel als Kinder mit Freunden lernen wir, zu gewinnen, zu verlieren, besser zu werden und strategisch zu denken. Dennoch sind wir uns bewusst, dass der Wettbewerb während des Spiels keine Auswirkung auf unsere Freundschaft hat.

Das gesunde Misstrauen gegenüber anderen hat nicht wirklich etwas mit unserer inneren Haltung zu tun. Sie ist ein Ausdruck, den wir in diesem Spiel brauchen. Wir können unsere Nachbarn lieben, müssen aber nicht einer Meinung sein und gemeinsam in den Urlaub fahren. Durch diese Haltung kann sich das Verhältnis zu den Mitmenschen in vielen Fällen deutlich entspannen.

Wenn das Vertrauen in die Grundstrukturen unserer Lebenswelt wächst, schwindet das Verharren in Konzepten. Alte Krüge können langsam neu gefüllt werden. Vertrauen erhält ein völlig neues Fundament. Das heilt sogar einige alte Wunden, die das Leben mit sich gebracht hat.

 

Dienstag, 15. Juni 2021

Meinungsfreiheit

War das nicht ein faszinierendes Jahr? Turbulent, verstörend, wechselhaft... da gibt es so einige Attribute, die mir in den Sinn kommen. Für so manchen waren die Ereignisse regelrecht ein Weckruf, der sie aus der träumerisch traurigen Sicherheit riss, die wir Alltag nennen.

Angestachelt durch das mediale Schlachtgetümmel hat sich jeder irgendwie irgendwo positioniert. Unsere Bekanntenkreise teilten sich von unsichtbarer Hand gesteuert in wissende Meinungslager und wir alle mutierten zu Unterstützern, Kollaborateuren, Zweiflern oder Saboteuren zahlreicher Maßnahmen.
Abstand, Masken, Lockdown, Änderungen am Grundgesetz...da passierte viel – für manche zu viel und weckte Sorgen vor zu viel politischer Macht während andere damit beschäftigt waren, sich um ihre Gesundheit und die ihrer Liebsten zu sorgen. Bei den täglichen Meldungen über Neuinfizierte und Todesopfer kein Wunder...

Achtung Ansteckungsgefahr!

Die Infektionswahrscheinlichkeit bezogen auf Corona, Cholera oder Herpes ist die eine Sache. Ich fand es deutlich erstaunlicher, wie leicht und wahrscheinlich es ist, sich mit einer fixen Meinung anzustecken. Selbst für Menschen, die eigentlich keinen Wert auf Meinungen legen.

Dabei sollte ich geschulter sein, was Meinungen anbelangt, dachte ich zumindest.

Ich erinnere mich, wie ich die ersten drastischen Nebenwirkungen intensiver innerer Suche und Meditation bemerkte. Darunter waren einerseits sehr begrüßenswerte Effekte: Ängste vielen weg, vorher unbemerkte Traurigkeit zeigte sich, verschwand und hinterließ Raum für Leichtigkeit... Dinge veränderten sich. Unter anderem konnte ich mich nicht mehr auf meine Meinung verlassen, was auch für mein Umfeld nicht immer einfach war. Meinung war nur noch etwas gestriges.

Meinungshoheit

Sagt man heute dies und morgen das und wird sich darüber klar, dass beides im Grunde keine Relevanz hat, ist man eine wandelnde Herausforderung für andere Menschen. Dabei besteht eigentlich kein Grund für Irritationen. Jeder könnte an sich beobachten, dass die Taten ganz unabhängig von den Meinungen erfolgen. Die spirituellen Erfahrungen können so weit reichen, dass man auf einem Baum sitzt oder unter der Zimmerdecke klebt und seinem Körper da unten zusieht, wie er sein Tagwerk verrichtet.

Auch im dankbaren Zustand gedanklicher Leere macht der Körper einfach sein Ding weiter und unweigerlich kommt irgendwann auf die Frage, wer da eigentlich den Körper steuert.

Es lässt sich jedenfalls feststellen, dass diese menschliche Reise als Beifahrer deutlich angenehmer ist. Man sieht irgendwie auch mehr. Und wenn der Depp am Steuer mal wieder einen Unfall baut ist man zwar involviert aber dennoch ist es nur halb so schlimm.

Meinungen sind jedenfalls im Grunde kein großes Ding. Meinungshoheit wird im angesprochenen Erfahrungsraum zur Meinungshohlheit.

Dennoch, die Tendenz eine Meinung zu bilden, war im vergangenen Jahr besonders intensiv. Ich konnte mich nicht davon frei sprechen, wurde ich doch jeden Tag mit den Meinungen anderer und den gesellschaftlichen Veränderungen konfrontiert. Der Geist hat die Tendenz, sich zu positionieren, um die Welt verständlicher und damit auch erträglicher zu machen. Unser eigentliches Wesen braucht das nicht und kann es auch nicht.

Der Mensch darf meinen

Eine Meinung zu haben ist ein exklusives Recht der menschlichen Erscheinung. So vergänglich wie wir sind, so vergänglich sind auch Meinungen, wobei es nicht schadet, die eigenen Meinungen gelegentlich abzuwerfen, um wieder Raum für neues zu schaffen.

Das ist vielleicht der eigentliche Schlüssel zu dem Problem. Es macht Spaß eine Meinung zu haben und eine Meinung gibt dem Leben eine gewisse Würze aber man muss sich auch davon lösen können. Irgendwann stinkt die Meinung wie ein altes Hemd, das zu lange getragen und nicht gewaschen wurde.

Ich plädiere daher für mehr Meinungsfreiheit im Sinne von Freiheit von jeglicher Meinung – ab und zu zumindest.

Es ist ein tolles Experiment, dessen Wirkung sich nicht bloß auf den Geist beschränkt sondern das gesamte Leben erfasst.

 

Donnerstag, 15. April 2021

In Stille durch jede Krise

 Lass das Problem auseinderfallen, während du still bist. Alle Bestandteile,wie Emotion, Gedanke, körperliche Empfindung... dürfen im Raum aufgehen und sich auflösen.


Es ist ein Frage, die uns das gesamte Leben begleitet. Wie gehen wir in Krisenzeiten mit Schwierigkeiten um und wie bewältigen wir diese?

Jede Krise bzw. jedes Problem in unserem Leben wird durch die Tätigkeit unseres Geistes interpretiert und bewertet. Unsere individuelle Prägung und damit auch die Emotionen und Gedanken, die in uns vorherrschen, lassen uns Probleme mehr oder weniger rasch als eine unter Umständen bedrohliche Situation wahrnehmen.
Unser Geist interpretiert das, was uns begegnet im schlimmsten Fall als eine Bedrohung für Leib und Leben, sei es für uns oder unsere Angehörigen.
Unsere Gedanken verfolgen und analysieren Bedrohungen, auch wenn diese nur hypothetisch sind, d.h. wir in der momentanen Situation kein akutes Problem haben aber in der Zukunft unter Umständen etwas schlimmes geschehen könnte.
Ein unruhiges Gedankenleben, das immer von der Aufmerksamkeit bedient wurde, kann Bedrohungen ohne großen Anlass kreieren und damit bereits bestehende Ängste nähren. Auf diese Weise befinden sich Menschen in einem permanenten Überlebensmodus und verlernen nach und nach, befreit zu leben.

Wie wir hingegen konkreten Bedrohungen begegnen spielt in einer völlig anderen Liga. Hier geht es um Reaktionen, die oft im Affekt stattfinden müssen. Reaktionen auf lebensbedrohliche Situationen sind keine Frage des Geistes mehr, sondern der im Körper gespeicherten Erfahrungen und unserer Fähigkeit adäquat zu reagieren. Verharrt die Aufmerksamkeit zu lange in Gedanken kann das in einer akut bedrohlichen Situation unangenehm negative Auswirkungen haben. Wenn wir erst darüber nachdenken, ob wir in Anbetracht einer heranrollenden zentnerschweren Gefahr besser weglaufen oder uns ducken, ist es schon zu spät.

Unser Geist kann uns somit weder auf alle Gefahren vorbereiten, noch ist er eine verlässliche Stütze in konkreten Gefahrensituationen.

Gedanken kontra Erfahrung

Dennoch sind wir heute darauf trainiert, unser Leben auf Schwierigkeiten hin abzuklopfen. Vorsorge und Sicherheit erscheinen uns nicht nur schlüssig, sondern lebenswichtig. Dies wird uns überdies ständig suggeriert. Wir wägen Gefahren ab und schätzen das Risiko ein. Wir unterliegen dabei aber immer den Einschränkungen, die sich durch mangelndes Wissen (wir wissen niemals alles und können nicht alles vorhersehen) und durch Risikoverzerrungen, z.B. aufgrund persönlicher Ängste, ergeben. Wir wägen ab, so gut es geht, aber das ist nicht gleichbedeutend immer hilfreich oder zuträglich.

Unser Geist ist ständig gefordert (und in Wahrheit überfordert), das Leben zu überblicken und alle Vorkehrungen zu treffen, die maximale Sicherheit zu gewähren. Dieser Fokus hat natürlich seinen Preis, ist jedoch einem modernen Weltbild geschuldet.

Das schrittweise Erkennen des eigenen Selbst, wie es in diesem Blog immer wieder thematisiert wird, lässt Probleme in einem anderen Licht erscheinen und entstaubt das angenommene, erlernte Weltbild grundlegend.. Wir lernen, die erlernten Muster zugunsten eines frischen ungetrübten Erlebens weichen zu lassen. Zugleich werden die Barrieren geöffnet, welche uns daran hindern, unsere wahre Natur zu erkennen.

Die unmittelbare Erfahrung läuft dann nicht erst durch den gedanklichen Filter, welcher das direkte Wahrnehmen verzerrt. Kleinigkeiten, wie ein Waldspaziergang, können in der direkten Erfahrung zu einem überwältigen Erlebnis werden. Im Gegenzug werden zuvor große Probleme meist nicht mehr als solche erkannt.

Regeln für immer aber nicht für jeden

Nicht falsch verstehen. Auf diesem Weg herrscht keinesfalls nur immer eitel Sonnenschein und er ist sicherlich nicht für jeden Menschen in jeder Phase seines Lebens oder seiner derzeitigen Entwicklung hilfreich.
Ich kann an dieser Stelle lediglich davon berichten, wie sich Probleme verändern, wenn man sich intensiv mit der Schulung der eigenen Aufmerksamkeit befasst und ein tieferes Begreifen dafür entwickelt, dass wir nicht bloß ein kleiner Mensch in einem unendlichen Universum sind.

Wenn ich darüber sinniere, wie ich dem Leben momentan begegne, dann kristallisieren sich ein paar einfache Regeln heraus, die ich folgend aufführe:

Die erste Regel ist: sei still, so oft es geht, so oft wie dich zunächst daran erinnerst, still sein zu wollen. Später wird es zur Gewohnheit, so wie du dich daran gewöhnst, die Klappe zu halten. Freunde dich damit an, nicht jeden Gedanken zu verfolgen. Sei einfach still und registriere, wie gut sich das anfühlt. Bade in der Stille, welche sich immer mehr als deine eigentliche Natur offenbart und die nur verdeckt wird von der regen Tätigkeit des Geistes.

Zweite Regel: nutze jeden Moment zu erkennen, was du über deine wahre Natur erfahren kannst. Erfahrbar ist, dass da nichts als räumliche Wahrnehmung ist, in welcher sämtliche Phänomene auftauchen. Um dies zu erfahren, musst die erste Regel gepflegt werden. Erzwingen lässt sich dabei nichts.

Wenn du diese beiden einfachen Regeln verfolgst, gibt es niemanden mehr, der ein Problem haben könnte oder jemanden, der eine Krise durchlebt.

Das erfordert Konsequenz und Ernsthaftigkeit in der Ausrichtung der Aufmerksamkeit. Diese ist es gewöhnt, auf Gedanken und äußere Reize anzuspringen. Was zwangsläufig folgt ist die Tätigkeit des Geistes, welcher (1.) eine Person in einer Welt entstehen lässt, die folglich (2). immer irgendein Problem hat. Deshalb die ersten beiden Regeln. Still zu sein, bedeutet, diesen Impulsen nicht zu folgen.
Die Phase, bevor du morgens richtig wach bist, bietet einen guten Orientierungspunkt, wohin die Reise gehen soll. Der Punkt, wo der Traum vorbei ist, aber das Aufwachen in diese Welt noch nicht abgeschlossen ist. Es ist ein Stadium zwischen Traum und Wachtraum, den wir Leben nennen, Der Zustand, in dem wir uns dann befinden, lässt sich am besten mit einer Leere beschreiben, die sehr friedlich ist. In diesem Zustand bist du niemand und musst an nichts glauben.
Versuche diesen Zustand bewusst zu erleben, indem du vor dem Einschlafen die Absicht verinnerlichst.

Dritte Regel: lass alles los. Wenn du still bist und die räumliche Natur deines Wesens erkennst, dann werde noch ein bisschen stiller. Gedanken, Gefühle, Geräusche, Empfindungen, Eindrücke...alles ist wie ein Strom, welcher durch diesen Raum fließt und zu niemandem gehört.

Wenn der Gedanke dich erschreckt, dass du handeln und planen musst, damit du durch die Krise kommst, dann beruhige dich mit der Erkenntnis, dass alles so geschieht, wie es das Selbst kreiert. Du kannst in der Stille, ohne die Tätigkeit des Geistes, niemand entdecken bzw. eine Person erfahren. Es existiert keine Person, ohne die Erinnerung und den mühevollen Gedanken an eine persönliche Geschichte. Eine kraftvolle (und Kraft kostende) gedankliche Anstrengung ist vonnöten, um aus der Summe sinnlicher Erfahrung und unserem Erinnerungsvermögen eine Person zu konstruieren. Das mag absurd klingen, weil wir so daran gewöhnt sind, uns immer wieder auf das Spiel einzulassen, statt uns zu entspannen.

Das führt zur vierten Regel: erkenne, dass du ohnehin handelst und zum rechten Zeitpunkt Ideen und Einfälle kommen, die sich gut anfühlen. Dein Körper und dein Geist folgen einem eigenen Plan. Du kannst in der Stille erkennen, dass alles ohne das Zutun und den Glauben an eine Person erfolgt. Du kannst sehen, dass du morgens, ohne dies initiieren zu müssen, auf die Toilette gehen wirst. Du wirst viele Dinge erledigen, auch wenn deine Aufmerksamkeit in der Stille ruht und nicht auf der Idee, jemand zu sein, der handeln muss.

Erkenne diese Mechanismen, diese Handlungen, die einfach einem Programm folgen und versuche den zu finden, der diese Handlungen vollzieht.

Fünfte Regel: bemerke die Liebe, welche deine Natur ist und welche sich in der Stille offenbart. Entspanne und verliere dich darin. Erforsche die Natur der Liebe, indem du ihr passiv in deiner räumlichen Natur begegnest.

Sechste Regel: wenn du glaubst, dass du versagst und du ein Problem hast, dann sei still. Setze dich ruhig hin und bewege dich nicht. Stelle die Frage in den Raum, zu wem das Problem kommt und warte. Folge keinem Gedanken, sondern warte auf eine Empfindung tief im Innern deines Wesens. Die Antwort, die kein Gedanke ist, wird dich immer wieder in die Stille führen. Es gibt keine Person jenseits der Gedanken.

Auf diese Weise begrüßt du jedes scheinbare Problem als eine Gelegenheit, dein wahres Wesen zu erfahren und still zu werden.

Dienstag, 16. März 2021

Persona und Entwicklung

Ich schreibe hier meist über das Thema Selbstrealisation und wir sind alle mehr oder weniger offensichtlich Teil dieses Entwicklungsprozesses. Im Falle derjenigen, die sich die Mühe machen, z.B. solche Texte zu lesen, ist der Prozess bereits etwas brennender und damit auch deutlicher zu erkennen. Das Wort oder der Begriff der Selbstrealisation ist im Übrigen nicht weniger unglücklich als alle anderen Worte, die verwendet werden könnten, um zu beschreiben, was kaum in Worte zu fassen ist.

Mit Selbstrealisation gemeint ist zunächst immer eine Bewegung des Bewusstseins zu seiner Quelle bzw. dem Ursprung allen Seins. Das Bewusstsein an sich ist dabei bereits unpersönlich und trägt die Anteile, die uns als Mensch wahrnehmen lassen, als kleinsten Teil seiner Realität in sich. Das umfasst die Anteile des Geistes und des Körpers und auch alle kausalen Anteile, die uns eine bestimmte Form im Leben bescheren.
Das bedeutet, nach dieser Definition ist das Bewusstsein nicht auf die menschliche Psyche beschränkt, sondern es bedingt diese Psyche, den Körper und die gesamte Welt – alles entsteht im Bewusstsein in jedem Augenblick. Dieses Bewusstsein ist universell und damit allumfassend: die ganze Welt bzw. alle Welten. Bewusstsein kann entsprechend auch als die schöpferische Ebene verstanden werden.

Dem Bewusstsein wiederum liegt ein Ursprung zugrunde, welcher nicht mehr definiert werden kann. Er ist das, was immer war und was vor und nach jeder Schöpfung ist.

Aus dieser Anschauung heraus wird deutlich, wie beschränkt das menschliche Bewusstsein ist, sofern es sich fokussiert auf den Körper und den Geist - mit den Bestandteilen des Verstandes, der Erinnerung und der Emotionen. Diese Beschränkungen aufzulösen bedeutet wiederum, die Fokussierung auf diese menschliche Realität aufzugeben und sich in der vollen Größe des Bewusstseins zu entspannen. Ich sage hier ganz bewusst „entspannen“. Eine Anstrengung ist nicht förderlich, auch wenn dies zunächst paradox klingt und alle anfänglichen Bemühungen nicht sonderlich entspannt anfühlen.

Drang und Motivation

Der Wunsch nach Selbstrealisation bzw. die Entscheidung, das Leben nach diesem Ziel auszurichten, äußert sich im Menschen als ein eigentümlicher innerer Drang. Er ist nicht vergleichbar mit jeder anderen Motivation, die uns im Leben antreibt.

Dieser Drang beruht auf keiner Entscheidung, keiner Überlegung. Dieses innere Drängen ist unbedingt, bedarf auch keiner speziellen Vorgeschichte und kann Menschen ohne spirituelle Vorprägung ganz plötzlich treffen.

Ich kann nicht sagen, dass dieser menschlich evolutionären Bewegung ein Plan zugrunde liegt. Es wäre falsch, dies anzunehmen und ebenso falsch, eine Art göttlichen Plan zu negieren. Es spielt, und das ist das Entscheidende, auch überhaupt keine Rolle. Jeder Gedanke um eine göttliche Absicht ist ein Gedanke zu viel und auch nicht hilfreich. Wichtiger ist es, die Aufmerksamkeit auf diese spürbare Kraft zu legen, die alles durchdringt und nicht auf irgendwelche Ideen oder Vorstellungen, die den Fokus wieder auf Bewegungen im Geist beschränken.

Es gibt natürlich keine Standardbiografie, die eine typische Erwachensgeschichte beschreibt. Das Bewusstsein, dass sich wieder in seine wahre Natur entspannt bzw. erwacht und damit den Fokus „Mensch“ verlässt, kann unzählige Wege beschreiben. Da ist eine unfassbare Vielfalt in dieser Welt, die verschiedenste Biographien des Erwachens hervorbringt, inklusive mannigfaltiger Umwege.

Die wenigen, welche relativ direkt und geradlinig die angedeutete Selbstrealisation anstreben, besitzen eine gewisse Reife und Form der Hingabe. Es sind diejenigen, die bereit sind, alles zu opfern, ohne sich eines Opfers bewusst zu sein. Der Tod ist für sie kein Schreckgespenst mehr, da sie erfahren, dass sie nicht sterben können. Das einzige, das sterben muss und was herbeigesehnt wird, ist der Tod des Glaubens an eine Person in einer Welt.

Bei den meisten Menschen ist der Geist aber derart stark und das Bewusstsein sehr in diesem Fokus auf Körper und Geist gefangen, dass diese innere Drängen in erster Linie in persönlichen Eifer transformiert wird.

Eifrige Yogis

Eifer ist grundsätzlich nichts falsches – er ist ein Ausdruck unseres Geistes und hat eine Vorstellung, ein mentales Ziel als Treibstoff und Grundlage. Ohne dieses Ziel würde dem Eifer die Ausrichtung und die Kraft zum Handeln fehlen. Eifer lässt sich befeuern mit Visualisierungen, Plänen oder auch Verträgen, die jemand mit sich selbst oder anderen macht – dies betrifft sämtliche mentalen Konstrukte, welche z.B. in Erfolgsratgebern zu finden sind. An dieser Stelle erkennen wir schon sehr leicht die verschiedenen Dimensionen, in welche die Motivation nach Entwicklung fließen kann.

In vielen Fällen geht es dabei immer um eine Verbesserung der Person, um eine persönliche Bereicherung bzw. um ein Ziel, welches für die Person wichtig ist oder gar um die Erschaffung einer ganz neuen, großartigen Persona. 

Bei der oben angesprochenen Realisation des eigentlichen Selbst geht es um das genaue Gegenteil. Für die Person gibt es dabei nichts zu holen. Ein Umstand, welcher den meisten Menschen eher Angst macht.

Ich hatte es bereits angedeutet: die Motivation, von der wir sprechen, kommt von einer anderen Ebene und äußert sich auf eine geradezu mystische Weise. Und trotz dieser spürbaren Erhabenheit kann sie leicht, obwohl sie unpersönlicher Natur ist, von der Person okkupiert werden; die Person macht sich dieses Ziel zu eigen. Das geschieht sehr oft und ist als ein Teil der Entwicklungsvielfalt anzusehen.

Da gibt es dann diesen ursprünglich reinen, inneren Ruf, dieses starke Drängen. Die Schöpfungskraft erlaubt dem ungezügelten menschlichen Geist, daraus ein Ziel im Leben zu formen. Auch dies ist ein Teil der Erwachensbiografie.

Der Mensch wird zu einem Helfer für andere mit starken persönlichen Interessen und wirkt z.B. als Yogalehrer, Heiler, spiritueller Lehrer, Lebenshelfer. Viele weitere Formen des Ausdrucks sind an dieser Stelle denkbar. Dem inneren Drang nach Selbstrealisation wird auf die bestmögliche Weise entsprochen.

Spiritualitätsfalle

So formt sich im besten Fall aus diesem persönlichen Weg eine Möglichkeit des unpersönlichen Dienens und der Selbstvergessenheit. Persönliche Wege können aber auch anders verlaufen und zu einer noch stärkeren Identifikation mit einer neu kreierten spirituellen Persona führen.
Aus einer absoluten Perspektive spielt das alles keine Rolle aber von einem individuellen Standpunkt kann dies ein Rückschritt sein, da es oft vielfach schlimmer ist, „spirituell“ zu sein, als eine stinknormale Person, die einem langweiligen Job nachgeht und sich für nichts besonderes hält.

Die Erhöhung der Person ist eine typische Falle auf dem spirituellen Weg, die für die Betroffenen extrem schwer zu erkennen ist. Die Person schützt sich immer selbst und nimmt jede Form der Identifikation ein, um nicht verloren zu gehen. Eine spirituelle Person hat es dabei besonders schwer, da sie ihren Weg rechtfertigt und ihr Handeln immer entschuldigen kann. Sie redet sich z.B. ein, dass sie nur anderen dienen möchte und erkennt ihre Abhängigkeit von Anerkennung und materiellen Vorzügen nicht. Manchmal ist einer solchen Person nicht zu helfen, da sie ja bereits alles (besser) weiß. 

Raus aus der Falle

Diese Falle ist natürlich relativ und es gibt auch kein wirkliches Problem. Dennoch sind da in diesem Paradoxon zwischen absolutem und relativem Weg hilfreiche Möglichkeiten, die innerhalb unserer menschlichen Realität hilfreich sind.
Die Fragen, die sich jemand in dieser Position stellen kann, um dieses Dilemma aufzulösen, sind relativ einfach und tun bestenfalls weh:

Kann ich jetzt mit allem, was mir wichtig scheint, aufhören?

Bin ich bereit, niemand zu sein und damit unter Umständen auch ein Niemand zu werden?

Kann ich einfach das sein, was ich niemals nicht sein kann?

Es solte so radikal gefragt werden, da eine andere Herangehensweise nicht zielführend wäre und der Geist immer neue Entschuldigungen für sich selbst findet. Es erfordert etwas Wachsamkeit und auch Gnade, um nicht in diese Falle zu tappen.

Gnade, da es ist die Person aus sich selbst heraus nicht schaffen kann. Sie kann lediglich den Geist schulen, um nicht in die immer gleichen gedanklichen Fallen zu tappen. Die Gnade sind die Umstände, die Lehrer, die innere Kraft, einfach alles, was uns das universelle Bewusstsein in dem Moment zur Verfügung stellt.

Das Internet ist voll mit interessanten Menschen, die ein spirituelles Erwachenserlebnis hatten, und nun versuchen, als Lehrer gut davon zu leben. Anstatt sich gesellschaftlich zurück zu ziehen und das Erlebnis zu vertiefen suchen sie etwas im Außen. Das ist dem Mindset unserer Erfolgs-Gesellschaft geschuldet und dem Impuls, den Erfolg zu präsentieren. Wir sind gesellschaftlich ungeschult in den Wegen der Selbstrealisation, was oft seltsame Blüten und Lehrerpersönlichkeiten kreiert.

Wirft man einen Blick auf alte Schulen des Zen oder des Advaita Vedanta, dann ist das Erwachen lediglich ein erster Schritt. Nach den ersten Erwachenserlebnissen werden den Schülern in diesen Traditionen Jahre der Meditation und des Rückzugs angeraten.

Das bedeutet nicht, dass vor diesem ersten Schritt oft nicht zuerst alle (weltlichen) Bemühungen unternommen werden, um die Person zur Befreiung von allen Leiden zu führen. Ähnlich wie in Hermann Hesses Erzählung „Siddharta“, in welcher der Protagonist zunächst alle Versuche im Leben unternimmt – von spirituellen Bemühungen bis hin zu weltlichen Bestrebungen des Erfolgs und der Selbstverwirklichung. Kein Weg führte zum Ziel der Befreiung. Letztes Endes mündeten aber die Bemühungen in der Resignation und im selbstvergessenen, stillen Sitzen an einem Fluss. Diese Entspannung im selbstzufriedenen Betrachten des Flusses führte Siddharta zur Erleuchtung. Wichtig ist in dem Zusammenhang aber auch die Erkenntnis, dass alle vermeintlichen Fehler und Umwege nötig waren, um die Bereitschaft für das selbstvergessene Sitzen am Fluss zu ermöglichen. 

Das Leiden ist es dann auch letztendlich, welches jeden Umweg rechtfertigt. Die Identifikation mit der Person ist immer mit Leiden verbunden, da es für keinen Menschen immer nur gut läuft. Dafür sorgt unsere duale Welt, für die Adjektive wie super und toll nicht ausreichen.  

Das unverständliche Ziel

Die Realisation dessen, was wir sind, bedarf des Unterscheidungsvermögens. Wir können nichts sein, was wir beschreiben können. So wie der Weg kein persönlicher ist, so sind weder das innere Drängen noch das innere Verstehen persönlicher Natur. Worte sind dabei immer zu viel, auch wenn sie nötig sind, um den Geist eine gewisse Aufmerksamkeit zu ermöglichen, damit er sich vor sich selbst schützen kann.

Das eigentliche Verstehen findet nur in der Stille statt. Somit muss unterschieden werden zwischen dem, was immer war oder dem, was in der Stille gewahr wird und auf der anderen Seite den Objekten, die erscheinen und die immer einen Gegenspieler brauchen.

Die Quelle ist das, was kein Zweites kennt. Das, was als nondual beschrieben wird, entbehrt jeder Beschreibung. Das Gute braucht das Schlechte, um als gut erkannt zu werden. Jedes Ding braucht einen Gegenspieler, damit wir es beschreiben können: Glück und Unglück, das Schöne und das Hässliche, ich und die anderen.

Lassen wir uns in Stille auf das ein, was wir nicht fassen können, kommen dabei ganz natürlich Glück, Freude, Licht und andere Phänomene auf. Es sind Marker auf dem rechten Weg; Reaktionen in Geist und Körper. Sie sind aber niemals das Ziel und nichts, woran man sich klammern sollte.
Die Person muss still werden, um zu begreifen, dass sie die Fragen nicht beantworten kann. Die Bereitschaft dafür bedarf meist einiger Umwege. Manchmal schmecken Menschen an diesem Weg, um sich schnell einer anderen Möglichkeit der Selbstentfaltung zuzuwenden. Das ist völlig in Ordnung. Es gibt keine echten Regeln, da diese der Vielfalt niemals gerecht werden können. Aber es gibt einige Marker und Hilfestellungen, an denen man sich orientieren kann.

 

Sonntag, 28. Februar 2021

Spaßlos in der Spaßgesellschaft

Gelegentlich mache ich mir Gedanken über das unvermeidliche Geschehen in dieser Welt auch wenn ich mir generell nicht viele Gedanken mache. Warum auch? Es ist mir bewusst, dass es keine (politische) Lösung für unsere Probleme geben kann. Alleine schon aus dem Grund, weil wir nicht über die Reife verfügen, wenigstens friedlich und nett mit unserem Mitmenschen umzugehen.

Und dennoch wird ab und zu der Wunsch in mir wach, dass es doch vielleicht anders sein könnte. Dabei stehen zur Zeit wieder alle Zeichen auf Demontage... so scheinen Philosophen und Historiker mal wieder recht zu behalten: dekadente Gesellschaften werden letztlich fallen.

Not bringt Tugend

Andererseits und trotz aller Kritik am menschlichen Miteinander wissen wir, dass die Menschen in Schreckenszeiten und extremen Situationen zusammengehalten haben. Man hilft sich während und unmittelbar nach Kriegen, versucht gemeinsam das Überleben zu sichern und schützt sich im starken Miteinander vor akuten Gefahren. Diese Geschichten kennen wir, nur scheinen wir diese Tugenden nicht mehr anzuwenden in Zeiten des sogenannten Wohlstands, der eine allgemeine Orientierungslosigkeit zu fördern scheint.

Sind wir nur reif für gefährliche, nicht aber für friedliche, satte Zeiten?

Ziellos im Wohlstand

In diesen Zeiten ändern sich die Themen und Bedürfnisse. Der Mensch sucht nach einem Sinn im Leben oder wenigstens nach Spaß, wenn sich ein tieferer Sinn dem Geiste entzieht bzw. im gesellschaftlichen Erlebnisraum schlichtweg nicht angeboten wird. Wer erinnert sich nicht an Berichte über die sogenannte Spaßgesellschaft (gefühlt so seit den späten 80er Jahren), auch wenn dies im aktuellen Geschehen bereits wieder überholt klingt?

Worum geht es dabei? Um gesellschaftliche Dekadenz, fehlendem Tiefsinn und der Untergang einer auf Konsum gebürsteten Gemeinschaft.

Gesellschaften, die nicht mehr über die intrinsische Kraft gemeinschaftlichen Zusammenhalts verfügen, sind auf Dauer ähnlich anfällig für Krankheiten wie ein nackter, betrunkener Mann im Winter für eine Lungenentzündung.
Es geht in sogenannten Spaßgesellschaften das verloren, was den Menschen in Anbetracht unserer Geschichte eigentlich mit der Muttermilch eingeflösst werden müsste: das Verständnis, dass wir nur in einer funktionierenden Gemeinschaft überleben können.

Marker des Niedergangs

Was eine Gesellschaft hervorbringt, wenn ihre Mitglieder nicht mehr selbige im Blick haben, erleben wir momentan wieder, an diesem Punkt unserer gemeinsamen Geschichte. Einige typische Marker für einen drohenden Niedergang sind weitreichend bekannt:

  • Wenn eine Gesellschaft ihre Führung (im Gleichklang zum kulturellen Verfall und der allgemeinen Verdummung) zu einer egomanen, korrupten Brut verkommen lässt

  • Wenn menschliche Gemeinschaften es zulassen, dass wenige nahezu alles besitzen und viele nichts haben

  • Wenn Gerissenheit und Cleverness mit klugem und angemessenem Verhalten verwechselt werden. Wenn weder Reife noch Besonnenheit vonnöten sind für eine gesellschaftliche Führungsposition

  • Und entsprechend: wenn politische Führungspositionen durch Ellenbogen und fehlende Skrupel erkämpft werden müssen

Die Liste ließe sich beliebig fortführen und auf sämtliche Bereiche unserer Kultur erweitern. Auf die Funktionsweise unserer Wirtschaft, auf die Inhalte und Gestaltung von Bildung und Wissenschaft, auf unser spirituelles Verständnis und dem darauf aufbauendem Zusammenleben.

Spaßbefreiter Absolutismus

Was bedeutet die aktuelle Lage nun für unsere Spaßgesellschaft?

Sicher lässt sich sagen: auf jeden Fall weniger vom geliebten, alten Spaß.

Wir leben jetzt in Zeiten (höchst konstruierter) politischer Korrektheit, welche absurde politische Diskussionen erlaubt, deren Ergebnis in ihrem Anspruch nach Richtigkeit und Absolutheit faschistisch anmuten.
Wir erleben Demokratieabbau, Freiheitsbeschränkung, Verbote, mediale Gleichschaltung und Verlust der Meinungsfreiheit... das ist kein Nährboden für Spaß oder echten Humor; für Humor bedarf es der Toleranz und Freiheitsliebe.

Dem Menschen wird auch jetzt wieder über alle offiziellen Kanäle vermittelt, dass er seine persönlichen Interessen und Bedürfnisse dem großen Ziel unterordnen muss. Von diesen großen Zielen haben wir scheinbar noch nicht genug. Immer musste in unserer gemeinsamen Geschichte etwas befreit oder vernichtet werden oder wir mussten vor etwas Bösem beschützt werden.

Zum Schutz der Schwächsten müssen wir nun den kleinsten und tückischsten aller denkbaren Feinde bekämpfen, koste was es wolle. Alte Geschichten in neuem Gewand. Immer wieder funktioniert derselbe Taschenspielertrick. Lediglich Begrifflichkeiten werden ausgetauscht.

Notwendige Spaßevolution und der Blick in die Antike

Also, was tun? Dieser Zug ist erst einmal nicht mehr aufzuhalten. Es wird auch übermorgen kein gestern mehr geben – die alten Zeiten sind vorbei.

Der Spaß war aber niemals sinnlos. Er diente in den vermeintlich spaßigeren Zeiten der Zerstreuung von den Sorgen, der Sinnstiftung innerhalb eines ansonsten ernsthaftem Lebens mit ernsthaften Problemen. Er war Sinnbild für ein Leben, das keinen Sinn in den gesellschaftlich vorgegeben Zielen sah und von daher die Sinnhaftigkeit in der Lebensfülle suchte. Er war immer ein Schrei nach etwas mehr Freiheit, nach Leichtigkeit und Freude.

Nun, wer diesen Blog verfolgt hat, kennt meine Ansätze. Es geht unter anderem darum, diese tiefere Ebene der Spaßsehnsucht freizulegen und zu befreien. Wir können nur erfüllt leben, wenn wir uns nicht mit den Ängsten identifizieren, wenn wir erkennen, das wir unberührt von den Geschichten und Nöten sind.

Außerdem, die Sinnsuche muss an Tiefe gewinnen – nicht nur spirituell, sondern auch im Umgang mit den Dingen, die uns Freude bereiten können! So ist die oft genutzte Hedonismusdefinition zur Veranschaulichung der ungezügelten Spaßgesellschaft nicht korrekt.

Antike Hedonisten haben nicht nur die Lebensfülle und den Spaß gesehen. Sie haben erkannt, dass es auf die rechte Dosis ankommt; dass die Freude an köstlichen Speisen z.B. nur dann erlebt werden kann, wenn zuvor Verzicht geübt wurde. Es geht also einerseits um das rechte Maß und den rechten, maßvollen Umgang mit gelegentlicher Maßlosigkeit.

Hedonistische Ruhe zwischen Lust und Schmerz

Die ersten Hedonisten (i.S. einer philosophischen Denkrichtung) vertraten die Theorie das sich unsere Seele zwischen den Zuständen Schmerz und Lust bewegt. Natürlich möchten wir die Bewegung hin zur Lust, aber es gibt zudem noch den Hinweis bzw. die Erkenntnis, dass sich zwischen diesen beiden Zuständen die Seelenruhe (Ataraxie) befindet.

Ich erlaube mir, diesen Ansatz gemäß meiner eigenen Erkenntnissen weiter zu interpretieren (ist ja immerhin mein Blog).

In der Dualität zwischen Lust und Schmerz, zwischen Freude und Leid, zwischen ganz und gar nicht... liegt das Nonduale, das kein Zweites kennt und das den tiefsten Frieden überhaupt darstellt. Es ist der Zustand, welchen wir in der spirituellen Verwirklichung realisieren sollen. Es ist nichts, dass jemals erlangt werden kann, sondern die einzige beständige Wahrheit, die einfach IST.

Bewegen wir uns immer nur in Richtung Lust oder Spaß, müssen wir diese Wahrheitsebene zwangsläufig übersehen. Die gesamte Existenz spielt mit der Dualität und mit den Extremen als Hinweis auf das Eine, das kein Zweites bzw. keine Dualität kennt.

Freiheit im Erkennen

Entsprechend sind auch die aktuellen Geschehnisse nichts anderes als eine existentielle Gegenbewegung zu dem, was vorher war. Diese Bewegung ist unaufhaltsam. Es ist diese eine Erkenntnis, welche die gesamte Diskussion in ein neues Licht rückt, da es den Fokus auf das Unveränderliche rückt; auf die Leinwand, auf welche das gesamte Spiel des Lebens projiziert wird und welche selbst immer unveränderlich bleibt.

Ja, die von der Leinwand reflektierten Farben ändern sich laufend. Aber dieses Erkennen ist befreiend, dass wir das sind, was dieses ganze Schauspiel überhaupt erst erlaubt; nur der kleinste Teil unseres Seins spielt scheinbar aktiv in diesem Stück mit. Es ist der Teil, der sich Lust und Spaß wünscht und dabei doch jenseits aller Worte und Definitionen zuhause ist.

Donnerstag, 18. Februar 2021

Eiskristallflora

Schmelzwetter auf unserer Terrasse, der Schnee verflüchtigte sich.
Was blieb waren ein paar winzige Wasserpfützen, welche plötzlich erneut froren und zu meinem Erstaunen in eine Landschaft aus Blüten, Gräsern und allerlei Gewächsen erstarrten.

Wie offensichtlich die mathematischen Formeln unserer Lebenswelt entlarvt werden. Grundlegende Formen wiederholen sich in Mikro- und Makrokosmos. Sie zeigen die Schönheit dieser Welt, ihre klare Struktur und auch die Grenzen, in welche diese Dimension in Erscheinung treten kann.





Mittwoch, 10. Februar 2021

Selige Vergänglichkeit

In glücklich zerbrochenen Erinnerungen

Erblüht die Freiheit aus vergessenen Memoiren

Und die Liebe aus Menschen ohne Geschichte

Ohne die Illusion von Tat oder Untat

Ohne geglaubten Frevel oder Heiligkeit

Ohne die Idee von Namen oder Rang

Spielt das Leben gelassener nur mit sich selbst

Aktion statt Planung, Stille statt Widerstand

Kongruent in unvermeidlicher Direktheit


Erhebende Stimmung befreit von Anlass, Sinn und Ursache

Trauer ohne Anker, in Wind und Strömung verloren


Die Bühne des Lebens auf unsichtbarem Grund

Der frei von Bedingungen und Vorstellungen

Alles aus sich nährt und alles in sich vergehen lässt

Es wird verbrennen ohne Asche

Zerstören ohne Schutt

Nichts, was bleibt

Alles, das Ist