Beim Versuch den
Begriff des Vertrauens irgendwie einzuordnen, stößt man automatisch
auf Worte, wie Kontrolle, Naivität, Sorglosigkeit, wichtig, blind,
dumm, leicht, einfach, kindlich... Sie haben in ihrer Bedeutung eine
enge Verwandtschaft zum Vertrauensbegriff und wir nutzen sie im
individuellen Rahmen unserer eigenen Erfahrungen. An den
verschiedenen Ladungen dieser Begriffe, ob eher positiv oder negativ,
befangen oder frei, lassen sich einige Freiheitsgrade ablesen, welche
wir einem Wort wie Vertrauen zumessen.
Vertrauen
kreiert den Lebenslauf
Vertrauen
entwickelt sich im Laufe eines Lebens zu einem immer komplexeren und
beladenerem Begriff, der, bezogen auf die verschiedenen Ebenen
gesellschaftlichen Lebens, große Auswirkungen hat.
Die Fähigkeit
(oder der Mangel) zu vertrauen beherrscht große Teile unseres Lebens
und kreiert unsere Lebensgeschichte.
Vertraue ich in das Gute im
Menschen? Vertraue ich meinem Nachbarn, meinem Partner, meinem
Chef...? Vertraue ich in die Menschheit, die Regierung oder in eine
gute Kraft, welche das Leben bestimmt? Oder misstraue ich dem Glück,
erahne ich den Schrecken bereits hinter der nächsten Ecke und setze
ich ein tiefes Grundvertrauen mit Dummheit gleich?
Es
kristallisieren sich anhand unserer eigenen Erfahrungen und
verinnerlichten Glaubenssätze Vertrauensbeziehungen heraus, die wir
mit Personen, Institutionen oder auch grundlegenderen Aspekten des
Lebens pflegen. Darunter auch Beziehungen zu Gott, dem Universum als
belebte oder unbelebte Naturgewalt oder dem Mysterium der Liebe.
Unsere mehr oder weniger vertrauensvolle Haltung gegenüber dem Leben
bestimmt, wie wir dem Leben entgegen treten und wie es sich für uns
gestalten kann.
Erlerntes Vertrauen
Aber woran
bemessen wir, ob wir in etwas oder jemandem Vertrauen haben können?
Ist es intuitiv, erlernt, rational oder alles zusammen? Und von
welcher Ebene sollte das Vertrauen oder das Misstrauen idealerweise
kommen?
Jeder Mensch
findet im Laufe seines Lebens mehr oder weniger bewusste Antworten
darauf. Selten entstehen dabei wunderbare Beziehungen zur gesamten
Schöpfung. Das Gros der Menschen scheitert in seinem Vertrauen
bereits an so etwas banalem wie der Hautfarbe und an vom Hörensagen
erlernten Vorurteilen. Im letzten Jahr wurde es sehr deutlich, wie
leicht der Mensch in seinem Vertrauen beeinflusst werden kann und wie
fremdbestimmt er dadurch wird. Fremdbestimmt durch Ignoranz, Arroganz
und dem Anspruch auf eine Meinungshoheit.
Wir werden bereits von Kindesbeinen an darin geschult,
vorsichtig zu sein und auch vorsichtig mit unserem Vertrauen
umzugehen.
Es erscheint
überlebenswichtig, an den richtigen Stellen zu vertrauen und auch zu
misstrauen, was nie rational aber höchst persönlich und subjektiv
entschieden wird.
Aber wie tief
kann dann noch das Vertrauen in das Leben sein?
Die leere
Worthülse
Verlassen wir
kurz die Diskussion um die Sinnhaftigkeit von gesundem Vertrauen bzw.
gebotener Vorsicht. Was geschieht, wenn wir ein paar Schritte
zurücktreten, den rein menschlichen Erfahrungsraum verlassen und die
Welt unpersönlich und frei von geistigen Einschränkungen, wie
Vorstellungen und Empfindlichkeiten betrachten?
Spielt das
Vertrauen mit seinen Freiheitsgraden und seiner ganzen Vielfältigkeit
dann noch eine Rolle?
Aus der Perspektive eines freien Beobachters
wird die Ursächlichkeit des Problems offenbart. Vertrauen ist nur
ein Wort. Verlassen wir die Ebene der Worte, spielen die Definitionen
und Beurteilungen keine Rolle mehr – aus dem mit Bedeutung
geladenem Wort wird eine leere Hülse.
In der Freiheit, wo die
Stille und unser wahres Wesen beginnen, schwinden die Bestandteile
des Bewusstseins, mit denen wir uns als Person identifizieren. Jeder
Unterschied schwindet in der brutalen Schönheit und der Perfektion,
die allem zugrunde liegt.
Setzen wir die winzigen Bestandteile
zusammen: Gedanken und Erinnerungen, Empfindungen, Sinneseindrücke,
Assoziationen...kreiert das Bewusstsein mühevoll eine Person, die
immer wieder beginnen wird, ein Problem mit sich und der Welt zu
haben. Aus der Perspektive unserer wahren Natur ist das ein echtes
Meisterstück der Selbstverleugnung. Nur in dem kleinen Rahmen dieser
Kreation kann ein Wort wie Vertrauen überhaupt eine Bedeutung haben.
Aus neuen
Krügen gefüllt
Die wiederholte
Erfahrung dieser grenzenlosen Erleichterung, welche wir durch rechtes
Meditieren oder glückliche Fügung bzw. Gnade erfahren dürfen,
formt auf natürlichem Wege die winzigen Bestandteile, die unsere
menschliche Identifikation ausmachen. „Winzig“ deshalb, weil in
der Erfahrbarkeit der Stille, diese Bestandteile in ein Nichts
schwinden. Dennoch zieht es die Aufmerksamkeit immer wieder in die
menschliche Form, da es scheinbar unsere Bestimmung ist, in dieser zu
leben und zu erleben.
Idealerweise hat
man die Aufmerksamkeit in „beiden“ Welten, die im Grund natürlich
nur eine ist. Da es keinen Begriff des Vertrauens braucht, um Das
zu sein, was wir immer waren und wir aus dieser Perspektive auch
keine Gefahr, keinen Tod, kein Versagen oder Betrug kennen, passiert
etwas befreiendes innerhalb der menschlichen Dimension des Vertrauens.
Es formt sich
neu, da wir unsere eigene Unbegrenztheit erkennen. Es bildet sich ein
tiefes Vertrauen in unser Selbst, dass dieses Leben formt und alles
versuchen wird, damit unsere Aufmerksamkeit auf dieses Selbst
gerichtet bleibt. Wir stehen dadurch mit gelösteren Beinen im Leben
und haben einen sicheren Anker, welcher uns die Illusion des reinen
Schreckens nimmt.
Das bedeutet
nicht, dass wir allem blind vertrauen müssen.
Ich misstraue dem
Vertreter, der mir eine weitere Versicherung andrehen möchte und in
dessen Gedanken ich die geschulten Gesprächsmechanismen erkenne aber
keine wirklich gute Absicht, mir zu helfen. Ich misstraue den
Politikern, die mit geübter Rethorik jede Schuld von sich weisen und
ich gehe z.B. nicht freiwillig an Orte, welche Ärger und Gewalt
versprechen. Das sind erlernte Schutzmechanismen, die für mein
Urvertrauen keinerlei Bedeutung haben. Sie gehören einfach dazu,
wenn das Spiel des Lebens gespielt wird. Sie sind Teil des Theaters,
dass für ein paar Akte als Mensch erlebbar wird und danach in
Vergessenheit gerät.
Im Spiel als
Kinder mit Freunden lernen wir, zu gewinnen, zu verlieren, besser zu
werden und strategisch zu denken. Dennoch sind wir uns bewusst, dass
der Wettbewerb während des Spiels keine Auswirkung auf unsere
Freundschaft hat.
Das gesunde
Misstrauen gegenüber anderen hat nicht wirklich etwas mit unserer
inneren Haltung zu tun. Sie ist ein Ausdruck, den wir in diesem Spiel
brauchen. Wir können unsere Nachbarn lieben, müssen aber nicht
einer Meinung sein und gemeinsam in den Urlaub fahren. Durch diese Haltung kann
sich das Verhältnis zu den Mitmenschen in vielen Fällen deutlich
entspannen.
Wenn das
Vertrauen in die Grundstrukturen unserer Lebenswelt wächst, schwindet das Verharren in Konzepten. Alte Krüge können langsam neu
gefüllt werden. Vertrauen erhält ein völlig neues Fundament. Das heilt sogar einige alte Wunden, die das Leben mit sich gebracht hat.