Mittwoch, 21. Juli 2021

Ein Meter Unterschied

Nun rauschte zuletzt die Flutkatastrophe an uns vorbei. Knapp war es für die einen, während andere kein Glück hatten. Sie verloren Hab und Gut, Mensch und Tier.

Den Unterschied machen manchmal nur ein paar Meter, wenige Sekunden, eine unbedachte Reaktion. Und einmal mehr wird deutlich: der Übergang zwischen Qual und Zufriedenheit hat die Dimension eines hauchdünnen Tuchs.

Das Schicksal erscheint beliebig. Tausenden Familien lastet das Weiterleben ganz plötzlich schwer auf den Schultern und viele sehen sich unlösbaren Aufgaben ausgesetzt. Schwierig, fast aussichtslos und über eine lange Zeit.

Eine Katastrophe ist nicht nur direkt und unmittelbar. Sie kann lange wirken und lange quälen. Immer scheitern unter den Opfern auch Menschen ganz unbeachtet und allein.

Wer ist sicher vor den launigen Wogen des Lebens? Wer nicht sieht, dass wir uns weder vor Leid schützen, noch das Glück greifen können, muss blind sein. Wie oft war es schon ungemütlich knapp, dass uns ein Auto verfehlte, wir eben noch so das Gleichgewicht halten oder in letzter Sekunde ausweichen konnten? Es ist dasselbe mit einer Sturzflut, die ein paar Strassen weiter an uns vorbeirauscht.
Wir erleben "knapp" öfters im Leben und noch öfter kriegen wir nicht einmal mit, wo eine Gefahr lauerte und wir einfach nur Glück hatten.
Ist es verwunderlich, dass in manchen Menschen irgendwann der Wunsch nach Stille und Frieden unwiderstehlich wird?
Wer erkennen darf, dass in uns etwas Beständiges existiert, wie der Mond oder die Sonne, kommt diesem Wunsch nach Frieden näher.
Die Wege vorbestimmt, keine Gedanken um gestern und morgen, kein Anfang, kein Ende, keine Geburt und kein Tod. Darin vermag zu ruhen, wer davon erfährt und wen es unbedingt auf diesen Weg zieht.
Mit einem Bein in der Ewigkeit stehend als unbeweglicher Pfeiler inmitten der Wogen des Lebens, die unbestimmbar scheinen.



Montag, 19. Juli 2021

Die Liebeswurst aus San Fernando


Die Liebeswurst aus San Fernando

War ganz vernarrt in Marlon Brando

Nicht den Dünnen, den späteren Dicken

Erträumte sie nachts, sie zu beglücken


Fast jede Nacht musste er sie verführ´n

Mit ihr tanzen, reden, sie überall berühr´n


Brando, bereits tot, wusste davon recht wenig

Das Schicksal war manchmal durchaus gnädig


Bei einem sind wir uns sicher:

Die Liebeswurst aus San Fernando

Hätte gestalkt ihren Marlon Brando


So war es gut für beide Seelen

Dass sie sich nicht trafen

Denn sie wird ihm nicht fehlen

Und er muss sie nicht strafen


Die Moral von der Geschichte und die Weisheit zum Schluss 

Es kann schön sein, dass man sich niemals begegnen muss.



Samstag, 3. Juli 2021

Vertrauen ist gut – aber für was?

Beim Versuch den Begriff des Vertrauens irgendwie einzuordnen, stößt man automatisch auf Worte, wie Kontrolle, Naivität, Sorglosigkeit, wichtig, blind, dumm, leicht, einfach, kindlich... Sie haben in ihrer Bedeutung eine enge Verwandtschaft zum Vertrauensbegriff und wir nutzen sie im individuellen Rahmen unserer eigenen Erfahrungen. An den verschiedenen Ladungen dieser Begriffe, ob eher positiv oder negativ, befangen oder frei, lassen sich einige Freiheitsgrade ablesen, welche wir einem Wort wie Vertrauen zumessen.

Vertrauen kreiert den Lebenslauf

Vertrauen entwickelt sich im Laufe eines Lebens zu einem immer komplexeren und beladenerem Begriff, der, bezogen auf die verschiedenen Ebenen gesellschaftlichen Lebens, große Auswirkungen hat.

Die Fähigkeit (oder der Mangel) zu vertrauen beherrscht große Teile unseres Lebens und kreiert unsere Lebensgeschichte.
Vertraue ich in das Gute im Menschen? Vertraue ich meinem Nachbarn, meinem Partner, meinem Chef...? Vertraue ich in die Menschheit, die Regierung oder in eine gute Kraft, welche das Leben bestimmt? Oder misstraue ich dem Glück, erahne ich den Schrecken bereits hinter der nächsten Ecke und setze ich ein tiefes Grundvertrauen mit Dummheit gleich?
Es kristallisieren sich anhand unserer eigenen Erfahrungen und verinnerlichten Glaubenssätze Vertrauensbeziehungen heraus, die wir mit Personen, Institutionen oder auch grundlegenderen Aspekten des Lebens pflegen. Darunter auch Beziehungen zu Gott, dem Universum als belebte oder unbelebte Naturgewalt oder dem Mysterium der Liebe. Unsere mehr oder weniger vertrauensvolle Haltung gegenüber dem Leben bestimmt, wie wir dem Leben entgegen treten und wie es sich für uns gestalten kann.

Erlerntes Vertrauen

Aber woran bemessen wir, ob wir in etwas oder jemandem Vertrauen haben können? Ist es intuitiv, erlernt, rational oder alles zusammen? Und von welcher Ebene sollte das Vertrauen oder das Misstrauen idealerweise kommen?

Jeder Mensch findet im Laufe seines Lebens mehr oder weniger bewusste Antworten darauf. Selten entstehen dabei wunderbare Beziehungen zur gesamten Schöpfung. Das Gros der Menschen scheitert in seinem Vertrauen bereits an so etwas banalem wie der Hautfarbe und an vom Hörensagen erlernten Vorurteilen. Im letzten Jahr wurde es sehr deutlich, wie leicht der Mensch in seinem Vertrauen beeinflusst werden kann und wie fremdbestimmt er dadurch wird. Fremdbestimmt durch Ignoranz, Arroganz und dem Anspruch auf eine Meinungshoheit.
Wir werden bereits von Kindesbeinen an darin geschult, vorsichtig zu sein und auch vorsichtig mit unserem Vertrauen umzugehen.

Es erscheint überlebenswichtig, an den richtigen Stellen zu vertrauen und auch zu misstrauen, was nie rational aber höchst persönlich und subjektiv entschieden wird.

Aber wie tief kann dann noch das Vertrauen in das Leben sein?

Die leere Worthülse

Verlassen wir kurz die Diskussion um die Sinnhaftigkeit von gesundem Vertrauen bzw. gebotener Vorsicht. Was geschieht, wenn wir ein paar Schritte zurücktreten, den rein menschlichen Erfahrungsraum verlassen und die Welt unpersönlich und frei von geistigen Einschränkungen, wie Vorstellungen und Empfindlichkeiten betrachten?

Spielt das Vertrauen mit seinen Freiheitsgraden und seiner ganzen Vielfältigkeit dann noch eine Rolle?
Aus der Perspektive eines freien Beobachters wird die Ursächlichkeit des Problems offenbart. Vertrauen ist nur ein Wort. Verlassen wir die Ebene der Worte, spielen die Definitionen und Beurteilungen keine Rolle mehr – aus dem mit Bedeutung geladenem Wort wird eine leere Hülse.
In der Freiheit, wo die Stille und unser wahres Wesen beginnen, schwinden die Bestandteile des Bewusstseins, mit denen wir uns als Person identifizieren. Jeder Unterschied schwindet in der brutalen Schönheit und der Perfektion, die allem zugrunde liegt.
Setzen wir die winzigen Bestandteile zusammen: Gedanken und Erinnerungen, Empfindungen, Sinneseindrücke, Assoziationen...kreiert das Bewusstsein mühevoll eine Person, die immer wieder beginnen wird, ein Problem mit sich und der Welt zu haben. Aus der Perspektive unserer wahren Natur ist das ein echtes Meisterstück der Selbstverleugnung. Nur in dem kleinen Rahmen dieser Kreation kann ein Wort wie Vertrauen überhaupt eine Bedeutung haben.

Aus neuen Krügen gefüllt

Die wiederholte Erfahrung dieser grenzenlosen Erleichterung, welche wir durch rechtes Meditieren oder glückliche Fügung bzw. Gnade erfahren dürfen, formt auf natürlichem Wege die winzigen Bestandteile, die unsere menschliche Identifikation ausmachen. „Winzig“ deshalb, weil in der Erfahrbarkeit der Stille, diese Bestandteile in ein Nichts schwinden. Dennoch zieht es die Aufmerksamkeit immer wieder in die menschliche Form, da es scheinbar unsere Bestimmung ist, in dieser zu leben und zu erleben.

Idealerweise hat man die Aufmerksamkeit in „beiden“ Welten, die im Grund natürlich nur eine ist. Da es keinen Begriff des Vertrauens braucht, um Das zu sein, was wir immer waren und wir aus dieser Perspektive auch keine Gefahr, keinen Tod, kein Versagen oder Betrug kennen, passiert etwas befreiendes innerhalb der menschlichen Dimension des Vertrauens.

Es formt sich neu, da wir unsere eigene Unbegrenztheit erkennen. Es bildet sich ein tiefes Vertrauen in unser Selbst, dass dieses Leben formt und alles versuchen wird, damit unsere Aufmerksamkeit auf dieses Selbst gerichtet bleibt. Wir stehen dadurch mit gelösteren Beinen im Leben und haben einen sicheren Anker, welcher uns die Illusion des reinen Schreckens nimmt.

Das bedeutet nicht, dass wir allem blind vertrauen müssen.
Ich misstraue dem Vertreter, der mir eine weitere Versicherung andrehen möchte und in dessen Gedanken ich die geschulten Gesprächsmechanismen erkenne aber keine wirklich gute Absicht, mir zu helfen. Ich misstraue den Politikern, die mit geübter Rethorik jede Schuld von sich weisen und ich gehe z.B. nicht freiwillig an Orte, welche Ärger und Gewalt versprechen. Das sind erlernte Schutzmechanismen, die für mein Urvertrauen keinerlei Bedeutung haben. Sie gehören einfach dazu, wenn das Spiel des Lebens gespielt wird. Sie sind Teil des Theaters, dass für ein paar Akte als Mensch erlebbar wird und danach in Vergessenheit gerät.

Im Spiel als Kinder mit Freunden lernen wir, zu gewinnen, zu verlieren, besser zu werden und strategisch zu denken. Dennoch sind wir uns bewusst, dass der Wettbewerb während des Spiels keine Auswirkung auf unsere Freundschaft hat.

Das gesunde Misstrauen gegenüber anderen hat nicht wirklich etwas mit unserer inneren Haltung zu tun. Sie ist ein Ausdruck, den wir in diesem Spiel brauchen. Wir können unsere Nachbarn lieben, müssen aber nicht einer Meinung sein und gemeinsam in den Urlaub fahren. Durch diese Haltung kann sich das Verhältnis zu den Mitmenschen in vielen Fällen deutlich entspannen.

Wenn das Vertrauen in die Grundstrukturen unserer Lebenswelt wächst, schwindet das Verharren in Konzepten. Alte Krüge können langsam neu gefüllt werden. Vertrauen erhält ein völlig neues Fundament. Das heilt sogar einige alte Wunden, die das Leben mit sich gebracht hat.