Sonntag, 3. Oktober 2021

Behüter des Lebens

Ein Samen wurde vom Sturm getragen, weit weg vom Ort, wo er geboren war.

In ein fremdes Land mit fremden Boden und fremden Gewächsen.

Anders war es dort. Unwirtliche, harte Erde und nur wenig Wasser.

Konnte der Samen hier überleben? Dürre, karge Pflanzen, mehr schlafend als wach, waren hier zu Hause. 

Steinig, trostlos und verlassen wirkte das Land. Der wenige Regen reichte kaum für die Kraft zum Keimen.

Nur die Gnade des Willens zum Leben ließ kleine Wurzeln wachsen und winzige Blätter sprießen.

Oh Behüter aller Pflanzen, bitte erbarme Dich meiner! Wie soll ich hier für Dich gedeihen, um Dich zu erfreuen mit meinen bunten Blüten und meinem süßen Duft?“

Lange blieb das Pflänzchen scheinbar ungehört und kauerte in der trockenen, aufgerissen Erde. Das bisschen Leben in ihm wurde dennoch bewahrt von einer schützenden Kraft.

Manches muss gehen und anderes soll bleiben. Wir wissen nicht warum, aber so scheint das Spiel des Lebens.

Müde und klein stand das Pflänzchen in der trostlosen Fremde, umgeben von nichts, was es kannte aber durchdrungen von einer ungeahnten Liebe zum Leben.

Da war kein Plan in ihm und keine Aussicht. Nur die Gewissheit, dass es hier sein und überleben muss.

Lange harrte es so aus. Die Lebenskraft schwand mit der Zeit fast völlig. Das zarte Pflänzchen war längst bereit zu vergehen und Platz zu machen für andere, die folgen werden.

Dann kam der Regen, plötzlich und stark. Bäche bildeten sich und kleine Flüsse. Tiere erschienen, um zu trinken. Das Leben wurde mit einem Mal sichtbar.

Überall wuchsen kleine Blumen., wie durch ein Wunder. Kräftige Pflanzen mit saftigen Blättern sprossen aus dem kargen Boden und auch unser kleines Pflänzchen gedieh und wuchs schnell heran.

Mit einem Mal war überall Schönheit und das erstarkte Pflänzchen wurde von Dankbarkeit und Rührung erfasst.

Du hast mich nicht vergessen! Lass mich für Dich schön sein und Dir damit danken. Lass mich hunderte Samen tragen und in Deinem Namen das Land fruchtbar machen!“

So sollte es geschehen.

Generationen seiner Nachfahren veränderten das Land, machten es fruchtbar und der Schönheit des Himmels gleich.

Aus dem kraftlosen Pflänzchen mit nichts als Gnade im kleinen Körper entstand ein prächtiges Stück Land, das jeden, der es besuchen durfte, mit dem Wunder des Leben erfreute.