Sonntag, 7. Juni 2020

Adam und Eva und der Sündenfall

Ich bin kein Bibelexperte aber es macht durchaus Freude, die Geschichten aus der eigenen Perspektive zu deuten. Eine Perspektive, die hauptsächlich durch alternative Wege zum Christentum geprägt ist.
Die Geschichte von Adam und Eva aus der Genesis ist allgemein bekannt. Ebenso der Konflikt, welcher sich ergab, als Gott ihnen verbot vom Baum der Erkenntnis zu essen: „Du darfst essen von allen Bäumen im Garten, aber von dem Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen sollst du nicht essen; denn an dem Tage, da du von ihm isst, musst du des Todes sterben.“
Das ist eine ziemlich drastische Anweisung und man fragt sich, wieso das arme Paar überhaupt erst in eine Versuchung gebracht wurden, der es niemals auf ewig entsagen konnten. Ihnen wird mit dem Tode gedroht. Selbst über 900 lange Jahre Lebenszeit sind nichts verglichen mit der Ewigkeit.
Was die Kirche dabei betont: durch den Ungehorsam kam die Erbsünde über die Menschheit in Form aller Beschwerden, die wir heute so kennen – insbesondere der Tod, aber auch Schmerzen bei der Schwangerschaft, Hungersnöte, Krankheiten etc., das volle Programm.
Wir schauen uns aber noch einen weiteren Abschnitt an, bevor wir eine andere Interpretationsebene berühren, die in dem Text verborgen liegt. Offensichtlich gab es die Möglichkeit der Entscheidung, welche durch die Schlange an Eva herangetragen wurde:„Da sprach die Schlange zur Frau: Ihr werdet keineswegs des Todes sterben, sondern Gott weiß: an dem Tage, da ihr davon esst, werden eure Augen aufgetan, und ihr werdet sein wie Gott und wissen, was gut und böse ist.“
Ein weiterer Abschnitt erläutert dann, worin die Erkenntnis letztlich bestand: „Und die Frau sah, dass von dem Baum gut zu essen wäre und dass er eine Lust für die Augen wäre und verlockend, weil er klug machte. Und sie nahm von seiner Frucht und aß und gab ihrem Mann, der bei ihr war, auch davon und er aß. Da wurden ihnen beiden die Augen aufgetan und sie wurden gewahr, dass sie nackt waren, und flochten Feigenblätter zusammen und machten sich Schurze.“
Es wird hier der Übergang von einer (kindlichen) Perspektive der Unschuld hin zu einer reflektierten Sicht auf das eigene Menschsein, inklusive Scham, beschrieben. Die reflektierte Sicht ist das Erkennen des Selbst in menschlicher Gestalt: die Trennung in Ich und Du, in Richtig und Falsch, in Gut und Böse. Für Scham bedarf es der Reflektion, dass ein anderer etwas über mich denkt und mich als getrennte Person erkennt.
Es gibt im meditativen Zustand das Erleben des reinen Bewusstseins. Man nimmt sich nicht mehr als Person wahr, sondern als ein Teil des göttlichen Bewusstseins, was für mich der Vorstellung vom Paradies gleich kommt. Keine Trennung zwischen Gott und der Welt. Keine Probleme, keine Gedanken – es ist kein Wissen notwendig, um zu verstehen.
Der Baum der Erkenntnis führt zum Menschsein, zu den weltlichen Probleme und der Anerkennung dieser Realität. Das bedeutet auch Leid: von der Schwangerschaft, bis zur Essensbeschaffung und den Tod. Das oben beschriebene volle Programm menschlicher Beschwerden.
Wer hat sich dafür entschieden? Der Text beschreibt die Entscheidung als einen Fehler, eine Versuchung, der nachgegeben wurde. Es wird aber auch klar, dass es keine wirkliche Wahl gab. Einerseits war da die unwiderstehliche Versuchung, andererseits die Verführung durch die Schlange.
Aus der Perspektive des ICH BIN, der reinen Existenz ist da ohnehin niemand, welcher die Entscheidung treffen konnte, außer das Bewusstsein, das Leben an sich. So musste es also geschehen und das EINE begann, sich selbst durch viele Augenpaare zu erleben.
Adam und Eva waren keine Menschen im eigentlichen Sinne. Sie sind Seelen in Einheit mit Gott – da ist keine Verwirrung, etwas zu sein, dass getrennt von Gott ist. Der Garten Eden, das Paradies, beschreibt eben diese Einheit. Nur im Gewahrsein dieser Einheit sind wir wirklich im Paradies.
Der Sündenfall beschreibt die Menschwerdung und die Verwirrung, welche durch das Anerkennen der Trennung in Ich und Du geschieht. Die eigentliche Sünde liegt darin, das zu Verurteilen, was wir selbst sind, sich zu verlieren in Angst und Gier und die persönliche Erscheinung des Menschseins über alles andere zu erheben. Darin liegt das falsche Streben: eben dieses Paradies wieder herzustellen, ohne anzuerkennen, was wir sind.
Es ist zu bedenken: dieser Glaube an die Person, an die Illusion dieser Welt, welche im Erkennen über den Geist und die fünf Sinne geschieht, führt zum Leid. Der strafende Gott steht sinnbildlich für den falschen Glauben, welcher das Gegenteil vom reinen Erleben ist. (Mentale) Erkenntnis steht dem göttlichen Erleben gegenüber bzw. der Geist dem reinen Sein. Unser Geist trennt, urteilt und erkennt sich selbst als getrennt. Diese Trennung kann nicht aufrecht erhalten werden, wenn dem Geist, den Gedanken, keine Glaube geschenkt wird bzw. wenn Gedanken nicht beachtet werden. Das Königreich im Innern, unser eigentliches Erbe, wird wieder entdeckt, wodurch sich das (falsche) Erkennen auflöst und der Apfel seine Wirkung verliert.
Das Bild von der Schlange mit dem Baum der Erkenntnis erinnert an den Äskulapstab, dem Zeichen der Ärzte und Heilkundigen. In der Beschreibung der Kundalini, der mystischen Schlangenkraft, finden wir ein ähnliches Bild: die Schlangenkraft, die sich zweieinhalb mal um die Wirbelsäule wickelt. Die Kundalini ist unser Hauptenergiezentrum, das einerseits unser Menschsein überhaupt ermöglicht und andererseits, sofern die Kundalini wieder angeregt wird, unsere Heimkehr in das göttliche Reich einleitet.
Diese Kundalini oder Schlangenkraft kann in der Meditation erlebt werden. Teils sehr drastisch und intensiv, teils langsam und sanft, begleitet sie den Prozess der Realisation dessen, was wir sind. Bis dahin liegt sie schlafend in der Wurzel unserer Wirbelsäule und wartet auf ihre Erweckung.



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