Es
scheint in spirituellen Kreisen ein endemisches Phänomen zu sein:
Symptome von Traurigkeit oder gar depressiven Zügen sind stark
verbreitet. Für viele, von denen ich weiß, ist eine tiefe
Unzufriedenheit im Leben bzw. ein Unvermögen, sich im „normalen“
Leben zurechtzufinden, der ausschlaggebende Grund, auf eine
spirituelle Suche zu gehen.
Viele
Suchende scheinen dabei nicht richtig in der Gesellschaft zu
funktionieren. Manche Glücklichen finden Nischen, in denen sie sich
kreativ ausdrücken können und ein inneres Verlangen mit einer
äußeren Tätigkeit verbinden. Andere werden unglücklich, deutlich
unglücklicher als ihre Mitmenschen, mit ihrem weltlichen Lebensweg
und versagen vor allem in Berufen, in denen sogenannte „Ellenbogen“
gebraucht werden.
Ich
kann und will an dieser Stelle nicht alle über einen Kamm scheren.
Allgemeingültige Aussagen sind einfach nicht richtig. Dennoch kann
ich hier einen Trend erkennen. Ich bin in meinem Leben sicherlich
mehr spirituell uninteressierten als interessierten Menschen
begegnet, einfach, weil die erste Gruppe die große Mehrheit
darstellt.
Unter
den spirituell Suchenden, gibt es gibt ein paar Merkmale, die mir
besonders auffällig erscheinen. Darunter z.B. eine höhere
Empfindlichkeit und ein damit auch eine größere Verletzlichkeit.
Die erhöhte Sensibilität beispielsweise gegenüber harschen
Äußerungen oder ungerechtem Verhalten erschwert das Leben ungemein.
Wunden werden leichter aufgerissen und brauchen lange zum Heilen. So
gibt es eine große Gruppe spirituell Suchender (eigentlich die
größte Gruppe), die nach Heilung sucht und eigentlich schon das
ganze Leben leidet. Sie treibt die Frage nach der Heilung alter
Traumata um und wie sie ein Leben auf dieser Welt erfolgreich, also
glücklich, gestalten können. So erblühen immer neue Kurse, die
sich mit Heilung und ganzheitlicher Lebensweise befassen. Die
Tatsache, dass immer neue Kurse entstehen und immer neue Märkte
erschaffen werden, zeigt einerseits, dass der Bedarf groß ist und
andererseits, dass es scheinbar nicht so leicht ist, wirklich „heil“
zu werden. Das ist auch verständlich, denn die Sensibilität bleibt
ein Hindernis in dieser für empfindliche Menschen unwirtlichen Gesellschaft. Auch
wird die Hilfe über den Lehrer, die Methode oder die Energie
gesucht, ist also immer von einem Faktor abhängig oder von etwas,
das getan werden muss, um den Mißstand zu beseitigen.
Den
Weg der Heilung bin ich selbst lange genug gegangen, um seine Grenzen
abzustecken. Man sollte die Natur der Probleme verstehen, um sich
selbst besser zu helfen.
Beginnen
wir bei erstens beim Umgang mit Emotionen, wie Traurigkeit und
Angst. Diese kommen und gehen und haben einen flüchtigen Charakter.
Sie werden gefüttert durch Gedanken, Ideen von der Zukunft,
Erinnerungen an die Vergangenheit. Durch die Gedanken gefüttert bleiben Emotionen länger aktiv und schmerzhaft. Ohne Gedanken sind Emotionen
eine flüchtigere, rein energetische Erscheinung im Körper, wie ein
Ziehen im Bauch, ein Druck im Nacken oder ein Schmerz in der
Herzgegend.
Der
für mich erfolgreichste Umgang mit Emotionen war es, still zu
werden, nichts zu tun und der Emotion Raum zu geben. Dieser Raum
entsteht in der Stille, indem die Aufmerksamkeit sanft auf die
körperliche Erscheinung der Emotion gelegt wird. Dabei wird
einerseits die Emotion bzw. das Gefühl im Körper zugelassen und
andererseits macht man sich klar, dass man das ist, was diese Emotion
beobachtet – das, was im Übrigen alles beobachtet und bemerkt. Während alles
kommt und geht bleibt das, was beobachtet immer gleich. Die Gedanken
werden ebenso nur bemerkt, nicht verfolgt und nicht unterdrückt.
Dieses
Vorgehen braucht Zeit, aber erste Erfolge sind relativ schnell zu
bemerken. Das Ziel dabei sollte nicht das Beseitigen der
unerwünschten Emotion sein, sondern das Erkennen dessen, was schaut
und beobachtet und was frei ist von alles Erscheinungen.
Zweitens sollte
es klar sein, dass es einen Unterschied gibt zwischen Traurigkeit und
einer Depression. Depressionen sind nicht nur flüchtige
Erscheinungen, sondern bereits körperlich manifestierte und damit
hartnäckige Zustände. Ich weiß von spirituell Suchenden, welche
nach jahrelangem Leiden letztlich nur das Medikament geholfen hat, um
dem Kreis aus Abgeschlagenheit und Traurigkeit zu entrinnen. Es
besteht dann immer die Möglichkeit an sich zu arbeiten und die
Medikation nach einer Zeit zu reduzieren. Man sollte in einem solchen
Fall für alle, und damit auch medizinische, Optionen offen bleiben und sich nicht aufgrund irgendwelcher Vorstellungen verschließen.
Der
dritte Punkt, der unbedingt zu beachten ist, ist der Kreis an
Menschen, mit dem man zu tun hat. Soweit es möglich ist, sollte man
sich einen ebenso feinfühligen Freundeskreis suchen oder besser die
Zahl der Kontakte, die einem nicht guttut einschränken. Oft
geschieht dies auf einem solchen Weg von selbst, dennoch gibt es
tendenziell immer Verbindungen, mit denen man sein eigenes
Wohlbefinden sabotiert. Davon ist auch die Familie nicht ausgenommen
– da ist weniger Kontakt oft hilfreich. Dafür können, sofern es
sich ergibt, erbauende Bekanntschaften und das Gefühl schöner
Verbindungen gepflegt werden. Dabei helfen die richtigen Kreise, wie
Ashram, Sangha, der Meditationsgruppe etc.
Viertens: sei
nett und nachsichtig mit dir selbst! Die spirituelle Suche ist kein
Rennen und kein Wettbewerb. Schenke dir Zeit und siehe Rückschläge
als wichtigen Teil des Weges. Vertraue dabei auf eine innere Führung.
Die Gedanken können die Lösungen und den Weg nicht erkennen,
akzeptiere, dass du nichts wissen kannst. Du kannst nur dein Bestes
versuchen.
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