Dienstag, 3. März 2020

Spiritualität, Traurigkeit und Depression – was soll und kann ich tun?

Es scheint in spirituellen Kreisen ein endemisches Phänomen zu sein: Symptome von Traurigkeit oder gar depressiven Zügen sind stark verbreitet. Für viele, von denen ich weiß, ist eine tiefe Unzufriedenheit im Leben bzw. ein Unvermögen, sich im „normalen“ Leben zurechtzufinden, der ausschlaggebende Grund, auf eine spirituelle Suche zu gehen.
Viele Suchende scheinen dabei nicht richtig in der Gesellschaft zu funktionieren. Manche Glücklichen finden Nischen, in denen sie sich kreativ ausdrücken können und ein inneres Verlangen mit einer äußeren Tätigkeit verbinden. Andere werden unglücklich, deutlich unglücklicher als ihre Mitmenschen, mit ihrem weltlichen Lebensweg und versagen vor allem in Berufen, in denen sogenannte „Ellenbogen“ gebraucht werden.
Ich kann und will an dieser Stelle nicht alle über einen Kamm scheren. Allgemeingültige Aussagen sind einfach nicht richtig. Dennoch kann ich hier einen Trend erkennen. Ich bin in meinem Leben sicherlich mehr spirituell uninteressierten als interessierten Menschen begegnet, einfach, weil die erste Gruppe die große Mehrheit darstellt.
Unter den spirituell Suchenden, gibt es gibt ein paar Merkmale, die mir besonders auffällig erscheinen. Darunter z.B. eine höhere Empfindlichkeit und ein damit auch eine größere Verletzlichkeit. Die erhöhte Sensibilität beispielsweise gegenüber harschen Äußerungen oder ungerechtem Verhalten erschwert das Leben ungemein. Wunden werden leichter aufgerissen und brauchen lange zum Heilen. So gibt es eine große Gruppe spirituell Suchender (eigentlich die größte Gruppe), die nach Heilung sucht und eigentlich schon das ganze Leben leidet. Sie treibt die Frage nach der Heilung alter Traumata um und wie sie ein Leben auf dieser Welt erfolgreich, also glücklich, gestalten können. So erblühen immer neue Kurse, die sich mit Heilung und ganzheitlicher Lebensweise befassen. Die Tatsache, dass immer neue Kurse entstehen und immer neue Märkte erschaffen werden, zeigt einerseits, dass der Bedarf groß ist und andererseits, dass es scheinbar nicht so leicht ist, wirklich „heil“ zu werden. Das ist auch verständlich, denn die Sensibilität bleibt ein Hindernis in dieser für empfindliche Menschen unwirtlichen Gesellschaft. Auch wird die Hilfe über den Lehrer, die Methode oder die Energie gesucht, ist also immer von einem Faktor abhängig oder von etwas, das getan werden muss, um den Mißstand zu beseitigen.

Den Weg der Heilung bin ich selbst lange genug gegangen, um seine Grenzen abzustecken. Man sollte die Natur der Probleme verstehen, um sich selbst besser zu helfen.
Beginnen wir bei erstens beim Umgang mit Emotionen, wie Traurigkeit und Angst. Diese kommen und gehen und haben einen flüchtigen Charakter. Sie werden gefüttert durch Gedanken, Ideen von der Zukunft, Erinnerungen an die Vergangenheit. Durch die Gedanken gefüttert bleiben Emotionen länger aktiv und schmerzhaft. Ohne Gedanken sind Emotionen eine flüchtigere, rein energetische Erscheinung im Körper, wie ein Ziehen im Bauch, ein Druck im Nacken oder ein Schmerz in der Herzgegend.
Der für mich erfolgreichste Umgang mit Emotionen war es, still zu werden, nichts zu tun und der Emotion Raum zu geben. Dieser Raum entsteht in der Stille, indem die Aufmerksamkeit sanft auf die körperliche Erscheinung der Emotion gelegt wird. Dabei wird einerseits die Emotion bzw. das Gefühl im Körper zugelassen und andererseits macht man sich klar, dass man das ist, was diese Emotion beobachtet – das, was im Übrigen alles beobachtet und bemerkt. Während alles kommt und geht bleibt das, was beobachtet immer gleich. Die Gedanken werden ebenso nur bemerkt, nicht verfolgt und nicht unterdrückt.
Dieses Vorgehen braucht Zeit, aber erste Erfolge sind relativ schnell zu bemerken. Das Ziel dabei sollte nicht das Beseitigen der unerwünschten Emotion sein, sondern das Erkennen dessen, was schaut und beobachtet und was frei ist von alles Erscheinungen.

Zweitens sollte es klar sein, dass es einen Unterschied gibt zwischen Traurigkeit und einer Depression. Depressionen sind nicht nur flüchtige Erscheinungen, sondern bereits körperlich manifestierte und damit hartnäckige Zustände. Ich weiß von spirituell Suchenden, welche nach jahrelangem Leiden letztlich nur das Medikament geholfen hat, um dem Kreis aus Abgeschlagenheit und Traurigkeit zu entrinnen. Es besteht dann immer die Möglichkeit an sich zu arbeiten und die Medikation nach einer Zeit zu reduzieren. Man sollte in einem solchen Fall für alle, und damit auch medizinische, Optionen offen bleiben und sich nicht aufgrund irgendwelcher Vorstellungen verschließen.

Der dritte Punkt, der unbedingt zu beachten ist, ist der Kreis an Menschen, mit dem man zu tun hat. Soweit es möglich ist, sollte man sich einen ebenso feinfühligen Freundeskreis suchen oder besser die Zahl der Kontakte, die einem nicht guttut einschränken. Oft geschieht dies auf einem solchen Weg von selbst, dennoch gibt es tendenziell immer Verbindungen, mit denen man sein eigenes Wohlbefinden sabotiert. Davon ist auch die Familie nicht ausgenommen – da ist weniger Kontakt oft hilfreich. Dafür können, sofern es sich ergibt, erbauende Bekanntschaften und das Gefühl schöner Verbindungen gepflegt werden. Dabei helfen die richtigen Kreise, wie Ashram, Sangha, der Meditationsgruppe etc.

Viertens: sei nett und nachsichtig mit dir selbst! Die spirituelle Suche ist kein Rennen und kein Wettbewerb. Schenke dir Zeit und siehe Rückschläge als wichtigen Teil des Weges. Vertraue dabei auf eine innere Führung. Die Gedanken können die Lösungen und den Weg nicht erkennen, akzeptiere, dass du nichts wissen kannst. Du kannst nur dein Bestes versuchen.

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