Die Wirklichkeit basiert auf einer ausgesprochen subjektiven
Wahrnehmungs- und Interpretationsebene. Aufgrund dieser subjektiven
Verarbeitung - der auf uns einströmenden Eindrücke - haben wir oftmals
unterschiedliche Bilder von der Wahrheit. Streitigkeiten darüber,
wer nun recht hat, sind nicht umsonst so häufig.
Alleine, die Ebene der Wahrheit in ihre Einflussebenen zu
unterteilen... nun, eine müßige Angelegenheit. Das soll auch gar
nicht Ziel des heutigen Textes sein.
Mich interessiert vielmehr die Frage, was Erfahrung eigentlich
bedeutet und wie diese unsere Wirklichkeit bestimmt. Und ist das, was
ich erfahre, auch die Wirklichkeit?
Das klingt erst einmal seltsam. Wir müssen uns jedoch die
Instrumente vergegenwärtigen, mit denen wir Erfahrungen machen.
Unser Sehsinn beispielsweise verarbeitet den Bereich des sichtbaren Lichts, das bedeutet: einen
kleinen Bruchteil des gesamten elektromagnetischen Wellenspektrums.
Das elektromagnetische Spektrum stellt wiederum einen Bruchteil der
gesamten Energie im Universum dar. Betrachtet man sich lediglich das
elektromagnetische Spektrum können wir ohne Hilfsmittel kaum etwas
davon wahrnehmen. Zudem lässt uns die Auflösung unserer Augen nur
Objekte ab einer bestimmten Größe erkennen. Wir können z.B. keine
Bakterien wahrnehmen oder theoretisch von der Erde nichts auf dem
Mond sehen, was im Durchmesser nicht größer als 130km ist.
Das gleiche Spiel gilt auch für unsere anderen Sinne. Der Hörsinn
kann nur einen bestimmten Freqenzbereich wahrnehmen - für alle
anderen Frequenzen sind wir taub. Um es kurz zu machen, auch der
Geschmackssinn, Geruchs- und Tastsinn haben begrenzte Rezeptoren für
die Wahrnehmung.
Wir nehmen also nur einen winzigen Bereich der Wirklichkeit
(soweit wir sie messen oder theoretisch bestimmen können) wahr. Wir
nehmen insbesondere den Teil wahr, den unser Körper für sein Überleben
braucht. Wir wissen, wann ein Feind kommt; wir können ihn hören und
sehen. Wir nehmen wahr, wenn wir erfrieren oder verbrennen und
schmecken, wenn etwas potentiell schlecht oder giftig ist.
Die Wahrnehmungsorgane sind wie bei (anderen) Tieren auf das
Überleben und die Existenz auf diesem Planeten unter dieses
Bedingungen ausgestattet. Nicht mehr und nicht weniger.
Aber zu sagen, wir erkennen die Welt so, wie sie ist oder zu
behaupten, was ich nicht sehe, das gibt es nicht, sind ungültige
Aussagen. Ein Fehler, der über die vergangenen Jahrhunderte immer
wieder gemacht wurde. Bevor z.B. das Mikroskop erfunden wurde, waren
Kleinstorganismen für uns einfach nicht existent.
Und dann gibt es Wahrnehmungen und Erfahrungen, die das
allgemeingültige Bild der Wirklichkeit völlig über den Haufen
werfen. Über die Jahre der Meditation habe ich festgestellt, das
sich unsere Sinneswahrnehmung erweitert, sobald wir die dafür
notwendigen Rezeptoren freischalten. Ich möchte jetzt keine
esoterischen Theorien für mögliche Erklärungen des Erfahrenen benutzen oder gar kreieren. Es ist schlichtweg
eine Erfahrung, die ich mit anderen teile, die einen ähnlichen
Erfahrungshintergrund haben. Es betrifft jedoch Bereiche, die
normalerweise nicht sichtbar, hörbar oder anderweitig zu empfinden
sind.
Ich gebe ein Beispiel, dass ich immer wieder von anderen höre und
selbst ständig, mal stärker, mal schwächer erlebe. Die sichtbare
Welt erscheint, sofern man viele Stunden Erfahrungen mit tieferen
meditativen Zuständen gemacht hat, nicht mehr so dicht und fest wie
zuvor. Sogenannte feste Objekte, ja sogar die Luft, fangen an zu
wabern und sich in sich zu bewegen. Das wirkt am Anfang psychedelisch
und erinnert an einen LSD Trip. Letztlich geschieht, was analog in
der Meditation passiert: die Trennung zwischen den Dingen hebt sich
sichtbar auf. Das heißt, die Tatsache, dass alles verschmilzt und
Eins wird, ist eine Erfahrung in der Meditation, die sich auf das
Sehen erweitert.
Auch weit verbreitet, bei mir jedoch seltener, ist ein
Hintergrundsummen, kein Ton aus dem Frequenzbereich, sondern aus
einem erweiterten Spektrum, der einfach da ist und zu einem Teil der
erfahrenen Wirklichkeit wird.
Die Wirklichkeit ändert sich auch dahingehend, dass ein Sinn für
die Gedanken entwickelt wird. Es wird in der Meditation deutlich,
dass das, was ich bin, kein Gedanke ist. Gedanken werden lediglich
erkannt ohne sich damit zu identifizieren. Dieses Erkennen hat zur Folge,
dass der Strom an Gedanken sukzessive abnimmt. Man gewöhnt sich an
mehr Stille. Pflegt man diese, werden zunächst die eigenen Gedanken
auffälliger – sie werden leichter bemerkt. Nach einiger Zeit
realisiert man, dass auch bestimmte Gedanken anderer Menschen
wahrgenommen werden. Das ist kein sonderlich schöner Nebeneffekt, da
besonders die negativen Gedanken in der Ruhe auffallen. Mittlerweile
ist mit klar, dass es nicht meine und deine Gedanken gibt. Es existiert vielmehr ein einziges Gedankenfeld, auf das jeder nach individueller Prägung und damit verbundener Rezeptionsfähigkeit zugreift.
Ich erlebe noch mehr solcher Beispiele und die meisten Leute
haben vereinzelt Erfahrungen, die sich nicht in das normale Bild einer Wirklichkeit einordnen lassen. Dann geschieht oft, was wohl die meisten Menschen mit nicht zu erklärenden Dingen machen. Sie werden verworfen, einfach weil sich diese Erfahrungen nicht
mit den Erwartungen und der Haltung gegenüber der eigenen Realität
in Übereinstimmung bringen lassen.
Das ist ein komplexes Thema und es lässt sich an dieser Stelle
nur anreißen. Es wäre doch aber schade, wenn wir unser Leben und
unsere Wirklichkeit nicht in ihrer Gänze erfahren wollen, nur weil
es vielleicht unbequeme Anpassungen unserer Vorstellungen über diese Welt erfordert.
Damit beschneiden wir uns unnötig selbst.
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