Samstag, 13. Juni 2020


Wahrheit in Worten 
 
Worte der Wahrheit sind fließend. Die Wahrheit ist nicht fix. Es ist eine Perspektive, ein scheinbar fixer und zugleich temporärer Punkt, der für einen Moment eine Wahrheit liefert. Vielleicht morgen, aus einer anderen Perspektive wird eine andere Wahrheit offenbart, die mit anderen Worten genauso wahr ist. Wahrheit in Worten kann sich niemals auf Dauer bestätigen, deshalb gilt:

Wahrheit in der Stille
Wahrheit ohne Worte
Ist der einzige Platz
In welchem Wahrheit immer Bestand hat.

Denn was ist Wahrheit letztlich nicht? Sie kann keine Beschreibung von etwas sein, da ihr Erkennen von veränderlichen Standpunkten und trügerischen Sinnen oder Messmethoden abhängt. Das erkennt auch die Wissenschaft, welche Hypothesen als Überganglösung für eine temporär geltende Wahrheit liefert oder das Axiom, welches nicht bewiesen werden kann und nur innerhalb eines bestimmten Systems Gültigkeit hat. Da ist nichts Absolutes.
Wir hören oft, wie jemand behauptet, die Wahrheit zu verkünden. Und auch wir glauben in manchen Momenten, die Wahrheit zu vertreten, um dann irgendwann festzustellen, dass sich diese Wahrheit nicht bestätigt hat. Das gehört zum menschlichen Lernen dazu und es ist tragisch, wenn diese Einsicht eigener Fehlbarkeit im Geist keine Verankerung findet, wenn kein klares Verständnis für die eigene, menschliche Natur stattfindet. Ist es nicht ein Zeichen größter Dummheit, wenn der eigene Wahrheitsglaube zu Überheblichkeit führt?
Wahrheit in der Stille ist gültig, da die Stille unbeweglich ist. Sie ist der Zufluchtsort im Kern unseres Seins, wo keine Gedanken mehr existieren können und die Wahrheit nicht mehr verkündet werden muss. Es ist der Ort, an dem alles völlig klar ist, ohne Frage und Antwort.
Warum gibt es dann überhaupt Weisheitslehren, mag man sich dann fragen. Eine Lehre hat nur so lange eine Berechtigung, wie sie den Zuhörer in die Stille verweist, wo die Wahrheit selbst erkannt werden kann. Liest du einen Text oder hörst du einen Lehrer zu und die Gedanken werden still und ein Gefühl der Ausdehnung setzt ein, dann weist dieser Text oder Lehrer für dich in diesem Moment in die richtige Richtung. Diese Indikatoren sind wichtig. Nur sie lassen unterscheiden, ob ein Weg fruchtbar für mich ist oder nicht. Es ist das, was du selbst bist, das da ruft. Du hast dann einen Anhaltspunkt, um selbst in dir weiter zu suchen. Und wie findet man? Indem man alles fallen lässt, was eine Spur der Veränderlichkeit aufweist. Kommst du dem Unveränderlichen näher, wird auch die Wahrheit lauter. Direkt vermittelt werden kann sie jedoch niemals.

Sonntag, 7. Juni 2020

Adam und Eva und der Sündenfall

Ich bin kein Bibelexperte aber es macht durchaus Freude, die Geschichten aus der eigenen Perspektive zu deuten. Eine Perspektive, die hauptsächlich durch alternative Wege zum Christentum geprägt ist.
Die Geschichte von Adam und Eva aus der Genesis ist allgemein bekannt. Ebenso der Konflikt, welcher sich ergab, als Gott ihnen verbot vom Baum der Erkenntnis zu essen: „Du darfst essen von allen Bäumen im Garten, aber von dem Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen sollst du nicht essen; denn an dem Tage, da du von ihm isst, musst du des Todes sterben.“
Das ist eine ziemlich drastische Anweisung und man fragt sich, wieso das arme Paar überhaupt erst in eine Versuchung gebracht wurden, der es niemals auf ewig entsagen konnten. Ihnen wird mit dem Tode gedroht. Selbst über 900 lange Jahre Lebenszeit sind nichts verglichen mit der Ewigkeit.
Was die Kirche dabei betont: durch den Ungehorsam kam die Erbsünde über die Menschheit in Form aller Beschwerden, die wir heute so kennen – insbesondere der Tod, aber auch Schmerzen bei der Schwangerschaft, Hungersnöte, Krankheiten etc., das volle Programm.
Wir schauen uns aber noch einen weiteren Abschnitt an, bevor wir eine andere Interpretationsebene berühren, die in dem Text verborgen liegt. Offensichtlich gab es die Möglichkeit der Entscheidung, welche durch die Schlange an Eva herangetragen wurde:„Da sprach die Schlange zur Frau: Ihr werdet keineswegs des Todes sterben, sondern Gott weiß: an dem Tage, da ihr davon esst, werden eure Augen aufgetan, und ihr werdet sein wie Gott und wissen, was gut und böse ist.“
Ein weiterer Abschnitt erläutert dann, worin die Erkenntnis letztlich bestand: „Und die Frau sah, dass von dem Baum gut zu essen wäre und dass er eine Lust für die Augen wäre und verlockend, weil er klug machte. Und sie nahm von seiner Frucht und aß und gab ihrem Mann, der bei ihr war, auch davon und er aß. Da wurden ihnen beiden die Augen aufgetan und sie wurden gewahr, dass sie nackt waren, und flochten Feigenblätter zusammen und machten sich Schurze.“
Es wird hier der Übergang von einer (kindlichen) Perspektive der Unschuld hin zu einer reflektierten Sicht auf das eigene Menschsein, inklusive Scham, beschrieben. Die reflektierte Sicht ist das Erkennen des Selbst in menschlicher Gestalt: die Trennung in Ich und Du, in Richtig und Falsch, in Gut und Böse. Für Scham bedarf es der Reflektion, dass ein anderer etwas über mich denkt und mich als getrennte Person erkennt.
Es gibt im meditativen Zustand das Erleben des reinen Bewusstseins. Man nimmt sich nicht mehr als Person wahr, sondern als ein Teil des göttlichen Bewusstseins, was für mich der Vorstellung vom Paradies gleich kommt. Keine Trennung zwischen Gott und der Welt. Keine Probleme, keine Gedanken – es ist kein Wissen notwendig, um zu verstehen.
Der Baum der Erkenntnis führt zum Menschsein, zu den weltlichen Probleme und der Anerkennung dieser Realität. Das bedeutet auch Leid: von der Schwangerschaft, bis zur Essensbeschaffung und den Tod. Das oben beschriebene volle Programm menschlicher Beschwerden.
Wer hat sich dafür entschieden? Der Text beschreibt die Entscheidung als einen Fehler, eine Versuchung, der nachgegeben wurde. Es wird aber auch klar, dass es keine wirkliche Wahl gab. Einerseits war da die unwiderstehliche Versuchung, andererseits die Verführung durch die Schlange.
Aus der Perspektive des ICH BIN, der reinen Existenz ist da ohnehin niemand, welcher die Entscheidung treffen konnte, außer das Bewusstsein, das Leben an sich. So musste es also geschehen und das EINE begann, sich selbst durch viele Augenpaare zu erleben.
Adam und Eva waren keine Menschen im eigentlichen Sinne. Sie sind Seelen in Einheit mit Gott – da ist keine Verwirrung, etwas zu sein, dass getrennt von Gott ist. Der Garten Eden, das Paradies, beschreibt eben diese Einheit. Nur im Gewahrsein dieser Einheit sind wir wirklich im Paradies.
Der Sündenfall beschreibt die Menschwerdung und die Verwirrung, welche durch das Anerkennen der Trennung in Ich und Du geschieht. Die eigentliche Sünde liegt darin, das zu Verurteilen, was wir selbst sind, sich zu verlieren in Angst und Gier und die persönliche Erscheinung des Menschseins über alles andere zu erheben. Darin liegt das falsche Streben: eben dieses Paradies wieder herzustellen, ohne anzuerkennen, was wir sind.
Es ist zu bedenken: dieser Glaube an die Person, an die Illusion dieser Welt, welche im Erkennen über den Geist und die fünf Sinne geschieht, führt zum Leid. Der strafende Gott steht sinnbildlich für den falschen Glauben, welcher das Gegenteil vom reinen Erleben ist. (Mentale) Erkenntnis steht dem göttlichen Erleben gegenüber bzw. der Geist dem reinen Sein. Unser Geist trennt, urteilt und erkennt sich selbst als getrennt. Diese Trennung kann nicht aufrecht erhalten werden, wenn dem Geist, den Gedanken, keine Glaube geschenkt wird bzw. wenn Gedanken nicht beachtet werden. Das Königreich im Innern, unser eigentliches Erbe, wird wieder entdeckt, wodurch sich das (falsche) Erkennen auflöst und der Apfel seine Wirkung verliert.
Das Bild von der Schlange mit dem Baum der Erkenntnis erinnert an den Äskulapstab, dem Zeichen der Ärzte und Heilkundigen. In der Beschreibung der Kundalini, der mystischen Schlangenkraft, finden wir ein ähnliches Bild: die Schlangenkraft, die sich zweieinhalb mal um die Wirbelsäule wickelt. Die Kundalini ist unser Hauptenergiezentrum, das einerseits unser Menschsein überhaupt ermöglicht und andererseits, sofern die Kundalini wieder angeregt wird, unsere Heimkehr in das göttliche Reich einleitet.
Diese Kundalini oder Schlangenkraft kann in der Meditation erlebt werden. Teils sehr drastisch und intensiv, teils langsam und sanft, begleitet sie den Prozess der Realisation dessen, was wir sind. Bis dahin liegt sie schlafend in der Wurzel unserer Wirbelsäule und wartet auf ihre Erweckung.



Sonntag, 31. Mai 2020

Die ideale Gemeinschaft

Es vergeht kaum ein Jahrzehnt, in welchem die Gesellschaft ihre Werte, ihre Ziele und das Miteinander nicht kritisch gesehen werden. Aktuell ist der weltweite Umgang mit einer Krise wiederum ein Anlass, die Integrität der gesellschaftlichen Ordnungsebene in Frage zu stellen. Wohin man schaut, kann man Egomanen erkennen, die ihre eigenen Interesse verfolgen und nicht das Beste für die Allgemeinheit im Sinn haben. Das gilt nicht bloß für diese Krise, sondern auch für die Probleme, die vorher öffentlich angeprangert wurden, wie bspw. der Schutz unserer Lebenswelt.
Die Probleme sind nicht neu, erreichen aber ein bedenkliches globales Niveau und werden voraussichtlich in einem Kollaps der bisherigen politischen Strukturen enden, was sich jetzt bereits abzeichnet. Es bleibt zu bedenken: die menschliche Geschichte kann keine langfristigen, stabilen, wohlwollenden Gemeinschaften vorweisen.
So lebte der Mensch schon immer in Gemeinschaften, die auf unterschiedlichen Ebenen Schwierigkeiten mit sich bringen. Wir kennen nur vom Hörensagen oder aus Mythen ideale Gesellschaft. Die Menschheit kann scheinbar nur schwer friedlich miteinander umgehen.
Und entsprechend, da es ein urmenschliches Problem ist, kracht es auch in den kleineren sozialen Gefügen häufig im Gebälk - die Familie ist dafür wohl das klassischste Beispiel.
Die Mehrheit der Menschen wird sich, und das will ich hier gar nicht in Frage stellen, in ihren Gemeinschaften, ob gewählt oder geerbt, mehr oder weniger wohl fühlen. Wir arrangieren uns damit, dass es nicht immer optimal läuft und suchen Anschluss, je nach Interesse und Weltanschauung und mit unterschiedlichen Motiven. So dienen Gemeinschaften dem Zeitvertreib, der Zerstreuung oder z.B. beruflichen und gesellschaftlichen Vorteilen.
Wir wissen aus Erfahrung um unsere Probleme mit dem Miteinander und haben Strategien entwickelt, die Probleme mithilfe von Regeln und Institutionen zu lösen. Da ist die Justiz mit Legislative und Exekutive oder das simple Faustrecht mit dem vereinfachten Recht des Stärkeren. Heute hat jeder Kaninchenzüchterverein eine Satzung und ein Regelwerk, welche das Miteinander ordnen und Konflikte vermeiden sollen. In jeder Jugendherberge finden sich Hausregeln, welche dem blanken Vandalismus und der gelebten Rücksichtslosigkeit Einhalt gebieten sollen.
Letztlich, nach zehntausenden Jahren menschlicher Gesellschaften, muss man wohl zugeben, dass es keine politische Lösung gibt, um unser Zusammenleben zu harmonisieren und Kriege und Konflikte zu vermeiden. 
Im Kern liegen die Probleme, bricht man sie denn herunter auf menschliche Charakterzüge, immer in persönlicher Gier oder Angst begraben. Jedes Streben nach Macht (über andere) ist ein Ausdruck eines Strebens nach Sicherheit, welche aus Angst entsteht. Angst, zu kurz zu kommen; Angst, verloren zu gehen, zu verhungern, zu sterben; Angst nicht gehört, gesehen und geliebt zu werden... die Gier nach mehr ist nicht zuletzt auch ein Zeichen für den unstillbaren Durst nach etwas, dass wir im Innern suchen und in dieser Welt nicht finden können.

Die Lösung für die Gesamtheit kann somit nur in der Reifung des Einzelnen liegen. Das bloße Erkennen, dass wir mehr sind, als eine sterbliche Hülle, führt zu Sicherheit und Zufriedenheit; im Erkennen, dass wir im Kern unseres Selbst diese Welt - uns eingeschlossen – kreieren, ist ein liebevolles Miteinander ein selbstverständliches Handeln. Im Gegenschluss bedeutet das aber auch, zumindest vorerst, dass ein derartiges Miteinander wohl eine Utopie bleibt.

Dennoch sind vereinzelt Menschen auf diesem Weg und zugleich auf der Suche nach Anschluss. Die Auswahl ist diesbezüglich begrenzt und taucht in den vorherrschenden gesellschaftlichen Wertesystemen wohl nur als Subkultur auf.
Es braucht eine innere Reife als Voraussetzung für ein wohlwollendes Miteinander. Und ja, die Gemeinschaft von Menschen mit einem hohen Ziel ist erstrebenswert - aus vielerlei Gründen. Wir sprechen über Gemeinschaften, die danach trachten, sich jenseits menschlicher Wünsche und Verlangen (und damit Versuchung) zu bewegen. Welche sich die Entwicklung zum Ziel setzen innerhalb einer fruchtbaren Form der Begegnung.
Für eine Gruppe, welche sich Gott, Brahman oder dem spirituellen Selbst widmet, bedeutet ein gemeinsames Handeln eine Multiplikation von Kraft oder Shakti. Das ist spürbare, oft sehr starke Energie, welche die spirituelle Bemühung beflügelt und erleichtert, und die Bindung zwischen den Mitgliedern dieser Gruppe stärkt.
Die Energie, welche z.B. in einer Meditationsgruppe entstehen kann, die sich diesem Ziel hingibt, wirkt für die Beteiligten wie ein Katalysator. Idealerweise orientiert sich eine solche Gruppe an demjenigen, der in seiner Realisation am weitesten fortgeschritten ist - jemand, der bestimme Transformationen durchlaufen hat, reif dafür ist und weiß, wohin die Reise geht, ohne irgendwelche persönlichen Ziele zu verfolgen. Das ist nötig, damit das Zusammenkommen nicht für profane Zwecke missbraucht wird, wie es manchmal zu beobachten ist.
In einem Kloster kommt diese ordnende Vorbildfunktion immer einem Oberhaupt zu, was Vor- und Nachteile mit sich bringt. Die feste Organisation ist solange ein Vorteil, wie das Oberhaupt realisiert ist und die Ausrichtung rein hält. Es ist ungeheuer wichtig, dass die Ausrichtung hundertprozentig dem Zweck der tieferen Erkenntnis dient.
Deshalb ist es kein normales Miteinander, sondern eine exklusive, nicht alltägliche Oase in unserem sonst recht turbulenten Leben, die überdies nicht jedem offensteht. Nicht, weil es nicht erlaubt wäre, sondern weil es keine persönliche Entscheidungsebene gibt, die dies ermöglicht. Es ist schlicht für die meisten Menschen nicht von Interesse. Sie könnten sich nicht dafür entscheiden, weil es in ihrer individuellen Programmierung keine Option dafür gibt. Es braucht dafür das innere Streben nach Selbsterkenntnis und Transformation.
Auf dieses Ziel konzentrieren sich die Gruppen, über die wir hier sprechen, auch wenn unterschiedliche Begrifflichkeiten gewählt werden. Manche bauen an einem inneren Tempel, andere geben sich Gott hin, wieder andere heizen das Shakti und damit die Kundalini an, um die Realisation zu erreichen. Letztlich beflügeln viele Wege die transformatorische Kraft, welche die göttliche Natur offenbaren kann.
Ja, diese Gemeinschaften sind speziell und es kann auch innerhalb dieser Gruppen zu Schwierigkeiten kommen. Bereits profane Gespräche zwischen Menschen, die zu sehr gedanklich verhaftet sind, können dem intrinsischen Feld das Momentum rauben, welches sich in einer solchen Gruppe als transformatorische Kraft bilden kann. Jeder Einzelne wirkt durch seine Haltung und Ausrichtung mit. Das wichtigste Ziel im Leben sollte idealerweise die Realisation sein – das Erkennen von Gott, der Wahrheit, unserem spirituellen Kern. Nur dann kann sich der Erhalt der Gemeinschaft und das Wohlwollen untereinander jenseits einer übergestülpten Moral bewegen. Ethik und Moral sind anfällig, da sie ohne tiefere charakterliche Wurzeln, wie ein vertrocknetes Blatt im Wind, schnell ihren Halt verlieren.
Natürlich bleibt eine ideale Gemeinschaft nur ein Ideal. Das kann nach meiner Erfahrung ansatzweise in Zusammenkünften erreicht wird, in welchen die Ebene persönlicher Ziele und Wünsche durchbrochen wird und in welchen Liebe ein bedingungsloses Gut ist.
Den meisten von uns bleibt vorerst nur die Arbeit des Erkennen des Selbst und die Freude an den Menschen, die, mit welcher Methode auch immer, einen ähnlichen Lebensweg verfolgen. Die Welt an sich bleibt ein Spielplatz der Möglichkeiten und der Kontraste. Nach Murphys Gesetz: alles, was schief gehen kann, wird auch schief gehen.

Samstag, 23. Mai 2020

Lebenslanges Wachstum

Ein riesiger Vorteil, den ich auf einer menschlichen Ebene in der Spiritualität i.S. des Erkennens des Selbst sehe, ist die Möglichkeit des lebenslangen Wachstums, der ständigen Veränderung. Denn genauso wie das Altern (vgl. hierzu https://freieintuition.blogspot.com/2020/03/bewusstsein-und-altern-wie-kannst-du.html ) ist auch der Stillstand im Leben ein befremdlicher Zustand für das Bewusstsein. Was bleibt für eine Aussicht, wenn die Familie gegründet, alle Karriereleitern erklommen und alle Hobbys ausgelebt wurden? Zumal vieles an Glanz und Spannung einbüßt mit den Jahren. Kein Wunder, dass viele Menschen in eine Midlifecrisis schlittern und sich ein Stück der jugendlichen Aufregung zurückholen wollen.
In jungen Jahren ist alles neu und spannend, der berufliche Weg steht noch offen, die Ideale sind noch frisch und die Welt wartet geradezu auf das persönliche Erblühen in allen Lebensbereichen. Das kann eine sehr befriedigende Zeit sein und den Menschen beflügeln.
Ein paar Jahrzehnte später hat sich das meist drastisch relativiert und mit zunehmenden Alter kann die Welt plötzlich wieder ein sehr kleiner Ort werden. Die Jahre fliegen dann einem dann nur so um die Ohren, während die Möglichkeiten zu schwinden scheinen. Natürlich variiert das von Mensch zu Mensch – die Tendenz ist aber bei den meisten zu beobachten.

Es ist nicht verwunderlich, dass besonders ab Mitte vierzig viele Menschen anfangen zu suchen. Nicht jeder kauft sich einen Porsche und sucht nach einem neuen, erschreckend jungen Partner. Manche begeben sich auf die Suche nach einem tieferen Sinn, der im profanen Leben nicht so leicht zu finden ist. Es wird nach Heilung für die Wunden gesucht, die das Leben so mit sich bringt. Manch einer findet dabei in der Meditation eine tiefere Befriedigung.
Aber warum ist das so?
Zunächst einmal beruhigt sich in der Meditation der Geist. Das geschieht meist schon in den Übungen, die als Meditation verkauft werden aber letztlich nur Konzentrations- oder Kontemplationsübungen sind.
Die Gedanken und damit die aktiven Wunschgedanken werden erst einmal weniger. Wenn dies geschieht kann das natürliche, innewohnende Glück zum Vorschein treten. Überdies finden Veränderungen in der Persönlichkeit statt.
In der eigentlichen Meditation wird das tiefere Selbst schrittweise erkannt. Der Mensch erlebt dadurch eine entsprechende Transformation mit der das Umfeld oft gar nicht zurecht kommt. Viele Beziehungen zerbrechen, wenn der Mensch sich verändert bzw. seine Weltsicht nicht mehr mit denen seiner Mitmenschen übereinstimmt. Es folgen manchmal Phasen des Alleinseins, nicht zu verwechseln mit Einsamkeit(!), und neuen Bekanntschaften, die besser die eigene Perspektive nachvollziehen können.
Für mich war in diesem Prozess immer spannend zu sehen, wie beliebig plötzlich die sogenannten eigenen Meinungen zu allen möglichen Themen werden. Meinungen oder Ansichten verlieren an Konsistenz und werden wechselhaft, wie es normalerweise nur bei jungen Menschen der Fall ist. Das ist nichts schlechtes, da Meinungen extrem austauschbar und im Grunde bloß festgefahrene Gedanken sind. Das Gedankenleben versucht sich durch eine Meinung zu orientieren und die Persönlichkeit zu festigen. Erkennt der Meditierende, dass die Person lediglich ein weiteres Bündel an Vorstellungen ist, lösen sich diese Bindungen an Meinungen einfach auf.
Den normalen Geist wird hierbei vielleicht die Sorge an eine wachsende Profillosigkeit, ein ungehöriges Desinteresse oder furchtbares Phlegma beschleichen. Und ja, die Sicht auf das Leben und die Teilhabe daran ändern sich durchaus – aber nicht zum Schlechteren. Es kann nicht schlechter sein, wenn der Mensch ruhiger, netter und mitfühlender wird... aber das mag jeder anders sehen.
Es ist jedenfalls spannend, wenn man keine Ahnung hat, mit welchen Augen, aus welcher Perspektive man das Leben im nächsten Jahr sehen darf. Ich erkenne, was vor fünf Jahren an Gedanken und Zielen präsent war und wie sich das über die Jahre ständig verändert hat. In dem Wissen, dass der eigenen Natur eine unendliche Tiefe innewohnt, kann kein Stillstand stattfinden. Es ist lebendig und spannend, bis zum letzten Ausatmen und darüber hinaus.

Mittwoch, 13. Mai 2020

Bewusstsein, die Welt und die Frage nach einem erfolgreichen Leben

Der allgemeingültige, wissenschaftliche Ansatz zur Entstehung unserer Welt und unseres Bewusstseins proklamiert eine relativ klare Reihenfolge: in einer Art Urknall entstand das Universum, darin die Sterne und Planeten; auf dem Planeten entstand Leben; im komplexen Leben entstand dann letzter Instanz Bewusstsein (im Gehirn bzw. Nervensystem).
Von der Materie zum Bewusstsein: auf diese gelernte Weise nimmt der Mensch seine Position im Universum wahr: ein winziges verlorenes Lebewesen in einem unendlichen Universum - Leben ohne wirklichen Einfluss.

Diese materielle Sichtweise existiert rein gedanklich als wissenschaftliche Erkenntnis – sie hat nichts mit einer direkten Erfahrung zu tun. Sie ist auch nicht unumstritten: so gab und gibt es immer wieder Wissenschaftler, wie der Physiker John Wheeler oder auch Stephen Hawking, welche das Bewusstsein als Faktor für die Beschaffenheit des Universums berücksichtigen wollten.
Aus wissenschaftlicher Sicht kann und will ich das auch gar nicht beurteilen, was die Quantenphysik für theoretische Blüten treibt und wie diese wissenschaftlich diskutiert aber auch esoterisch missbraucht werden, um wilde Theorien zu stützen.
Ich kann an dieser Stelle nur berichten, wie sich der Blick auf die Welt ändert, wenn man täglich meditiert. Es ist eine klare und direkte Erfahrung, dass es keine Trennung zwischen Bewusstsein und Welt gibt. Als untrennbarer Teil der Erscheinungswelt erscheinen im Bewusstsein sowohl Geist und Körper, als Gedanke, Emotion, Empfindung... Die Welt wird zu einer direkten und unpersönlichen Erfahrung, weil die sogenannte Persönlichkeit in ihre Bestandteile zerlegt und nicht mehr durch Gedanken, Erinnerungen und Assoziationen zusammengesetzt wird. Diese existieren als lose Einzelteile im Erfahrungsraum des ICH BIN, dem Bewusstsein, aus welchem die Aufmerksamkeit entspringt, welche die Erfahrung überhaupt ermöglicht. Das Bewusstsein wird dabei zur Matrize für die Welt und alles was erscheint, d.h. die Welt existiert, anders als im materiellen Weltbild, ausschließlich innerhalb des Bewusstseins.

Auf eine meditative Weise die Welt zu erfahren, ist eine höchst natürliche Erfahrung, die dennoch nichts mit der erlernten menschlichen Wahrnehmung zu tun hat.
Ich gebe gerne ein Beispiel. Gestern habe ich eine kleine Wandermeditation gemacht. Man wandert dabei vorzugsweise durch die Natur und befindet sich dabei in einem meditativen Zustand. Es wird lediglich bemerkt, wie alles geschieht: das Laufen, Sehen, Hören, Empfinden... Alles findet statt, ohne das sich die Aufmerksamkeit darin verliert – diese ruht in ihrer Quelle. Losgelöst von den empfundenen Beschränkungen verändert sich die Welt dramatisch. Die Farben intensivieren sich, das Grün der Bäume wird leuchtend, das Vogelzwitschern ist intensiver, die Welt erscheint wabernd, wie in einem Traum...
Es ist als direkte Erfahrung spürbar, dass in der Kreation dieser Erscheinungswelt, nichts als Freude und Liebe steckt. Nichts, was darin passiert ist so real, wie wir Glauben mögen, aber es ist eine kraftvolle Erscheinung, die wir mithilfe eines Vehikels aus dieser Erfahrungswelt begreifen dürfen. Der Körper wird plötzlich als Geschenk wahrgenommen, wie ein U-Boot, welches uns erlaubt, zum ersten Mal die Tiefsee zu erleben.
Mit der Aufmerksamkeit im Bewusstsein ruhend, wird deutlich, dass wir als Vehikel einerseits ein Teil dieser Erscheinungswelt sind, aber niemals von dieser Welt sein können.

Da kann es keinen Wunsch mehr geben, irgendetwas in dieser Welt verändern zu wollen. Wer sollte so etwas tun? Und warum? Die Ursache für ein Warum ist ein Gedanke, eine fixe Idee, die irgendwelche Hoffnungen nährt. Dabei ist alles in dieser Welt derart, wie es das Bewusstsein ausspielt. Unendliche Variationen des Lebens, der Lebenserfahrungen – das gesamte Spektrum von möglichen Erfahrungen wird aus unendlich vielen Perspektiven erlebt. Ganz gleich, ob diese als schön oder hässlich wahrgenommen werden. Als Teil davon sind wir eine dieser unendlich vielen Perspektiven, jedoch immer mit der Wahl, einen Schritt zurück zu treten und das Spiel als solches und unsere wahre Natur zu erkennen.

Bleiben wir aber auf der Ebene des menschlichen Spiels. Menschen interpretieren ihr Leben und alles, was um sie herum geschieht. Ohne Interpretation wären wir gar nicht in der Lage zu glauben, dass wir ein getrenntes menschliches Wesen sind. Wir summieren im Geist die Einzelteile, bestehend aus Erinnerungen, Wahrnehmungen, Gedanken und formen daraus eine Person und eine Welt. Die Illusion wird im Geiste perfekt.
Wir interpretieren die Welt aber überdies in nutzlose Kategorien, wie Erfolg oder Misserfolg, gut oder schlecht, und versuchen selbst auf der Sonnenseite des Lebens zu stehen. Während das Leben als Person schon Leid verursacht, schaffen diese Kategorien noch größeres Leid.
Dabei wird nicht gesehen, dass wir mit oder ohne Urteil handeln werden, wie es die Natur von Körper und Psyche gebietet. Körper und Geist ändern sich durch Ereignisse im Leben – je dramatischer die Erfahrung, desto einschneidender die Veränderung an Körper und Geist. Ein Trauma kann beispielsweise die Lebensweise drastisch ändern.
Während einer Wandermediation, ohne direkten Bezug zu einer Person, läuft der Körper von selbst, wie er es gewohnt ist. Wir grüßen Menschen, die uns begegnen, ohne einen Gedanken daran zu verlieren. Es wird automatisch auf sämtliche einströmenden Reize reagiert. Körper und Psyche funktionieren so, wie sie durch die Ereignisse programmiert wurden - wie ein Automat und daran ist nichts seltsam.
Das bedeutet, wenn der Mensch z.B. in dieser Welt unter einer Form von Misserfolg leidet und die Entscheidung in der Psyche getroffen wird, sich Hilfe zu holen, dann ist diese Entscheidung eine Folge der psychischen Prägung. Je nach Prägung wird ein Motivationscoach bevorzugt oder aber ein Psychologe oder ein Astrologe, je nach Erfahrungshintergrund bzw. Programmierung.
Daraus kann Erfolg oder aber weiterhin kein Erfolg im Leben resultieren. Wer ist dafür verantwortlich? Ist es der Mensch, der den Gedanken an Hilfe hatte und dann entweder die erhaltenen Ratschläge umsetzen oder nicht umsetzen konnte, verantwortlich für den Erfolg oder Misserfolg?
Was ist der Mensch? Auf welche psychische Grundlage fällt ein Gedanke? Wer bestimmt die Ereignisse in dieser Welt? Wer entscheidet?

Für den menschlichen Geist klingen Ansätze von eingeschränkter menschlicher Entscheidungsfreiheit fatalistisch. Der Mensch in seinem Bestreben, sich zu erhalten, zu schützen und erfolgreich zu sein, wird seine Existenz als Person nicht in Frage stellen, auch wenn es dauerhaftes Leid bedeutet. Der Geist strebt immer nach Selbsterhalt und akzeptiert dabei die größten Leiden aus Liebe zu sich selbst.
Es kann aber nicht fatalistisch sein, wenn wir die Illusion an eine Person verlieren, weil wir erkennen, was da aus unseren Augen schaut. Wenn wir erkennen, das in unserem eigenen Bewusstsein alles entsteht. Dass wir selbst im Anfang von allem ruhen. Welchem fatalistisch anmutenden Schicksal könnten wir dann ausgeliefert sein?

Das eröffnet die Frage ob es Auswirkungen auf die Erfahrungswelt hat, wenn wir unsere Natur erkennen? Ändert sich etwas?
Natürlich tut es das - spätestens, wenn es keine Rolle mehr spielt. Veränderungen innerhalb der Erfahrungswelt geschehen in einem individuellen zeitlichen Rahmen. Wenn wir z.B. unsere Ängste nach und nach verlieren (vgl. hierzu https://freieintuition.blogspot.com/2020/03/spiritualitattraurigkeit-und-depression.html ), dann ändert sich auch unser Verhalten. Erkennen wir mehr die Schönheit des Lebens, ändert sich nach und nach unsere gesamte Erfahrungswelt. Das hat aber nicht unbedingt etwas mit unseren ursprünglichen Vorstellungen von einem erfolgreichen, schönen Leben zu tun, die unser Gedankenleben so produziert. Es gibt Menschen, die sitzen im Gefängnis, erkennen ihre Natur und leben fortan glücklich in ihrer Zelle. Und das war sicherlich nicht ihre ursprüngliche Idee von Erfolg.

Der Ansatz ist hier natürlich an anderer als bei jemandem, der einen Therapeuten aufsucht, um nach bestimmten Maßstäben sein Leben zu verbessern. Ganz gleich, welche Therapien eingesetzt werden: sie sind immer Bestandteil dieser Erfahrungswelt und damit Teil dieser Illusion. Das, was diese Illusion kreiert, kreiert eine unendliche Zahl an Möglichkeiten, dazu zählen erfolgreiche Therapien, Rückfälle, unerwartete Ereignisse etc.
Im Erkennen dessen hingegen, dass wir vollständig und im Frieden sind, entfällt der Wunsch nach Verbesserung. Auch, wenn dieser Prozess dauern kann, ist er von erheblicher Tragweite für diese Realitätsebene. Akzeptanz, die niemanden braucht, um gelebt zu werden, nimmt jede Erfahrung, einfach, wie sie ist, da nicht unterschieden und geurteilt werden muss. Es wird erkannt, dass der Frieden, der immer da ist, keine Bedingung braucht, um gelebt zu werden.

Dienstag, 12. Mai 2020

Jeder Moment

Erlebe den Tag, als ob es Dein erster wäre
Frisches Leben, im Augenblick kreiert
Neu in jedem zeitlosen Moment

Kein fahler Gedanke
Keine Erinnerung an ein Gestern
Kein Interesse an einem Morgen

Hier, ganz und absolut, entsteht alles in einem Rauschen von Göttlichkeit
Vor jedem Problem
Vor jedem Schmerz
Bevor das Ich ein Du erkennt
Ist bloß Schönheit und Glanz!