Mittwoch, 13. Mai 2020

Bewusstsein, die Welt und die Frage nach einem erfolgreichen Leben

Der allgemeingültige, wissenschaftliche Ansatz zur Entstehung unserer Welt und unseres Bewusstseins proklamiert eine relativ klare Reihenfolge: in einer Art Urknall entstand das Universum, darin die Sterne und Planeten; auf dem Planeten entstand Leben; im komplexen Leben entstand dann letzter Instanz Bewusstsein (im Gehirn bzw. Nervensystem).
Von der Materie zum Bewusstsein: auf diese gelernte Weise nimmt der Mensch seine Position im Universum wahr: ein winziges verlorenes Lebewesen in einem unendlichen Universum - Leben ohne wirklichen Einfluss.

Diese materielle Sichtweise existiert rein gedanklich als wissenschaftliche Erkenntnis – sie hat nichts mit einer direkten Erfahrung zu tun. Sie ist auch nicht unumstritten: so gab und gibt es immer wieder Wissenschaftler, wie der Physiker John Wheeler oder auch Stephen Hawking, welche das Bewusstsein als Faktor für die Beschaffenheit des Universums berücksichtigen wollten.
Aus wissenschaftlicher Sicht kann und will ich das auch gar nicht beurteilen, was die Quantenphysik für theoretische Blüten treibt und wie diese wissenschaftlich diskutiert aber auch esoterisch missbraucht werden, um wilde Theorien zu stützen.
Ich kann an dieser Stelle nur berichten, wie sich der Blick auf die Welt ändert, wenn man täglich meditiert. Es ist eine klare und direkte Erfahrung, dass es keine Trennung zwischen Bewusstsein und Welt gibt. Als untrennbarer Teil der Erscheinungswelt erscheinen im Bewusstsein sowohl Geist und Körper, als Gedanke, Emotion, Empfindung... Die Welt wird zu einer direkten und unpersönlichen Erfahrung, weil die sogenannte Persönlichkeit in ihre Bestandteile zerlegt und nicht mehr durch Gedanken, Erinnerungen und Assoziationen zusammengesetzt wird. Diese existieren als lose Einzelteile im Erfahrungsraum des ICH BIN, dem Bewusstsein, aus welchem die Aufmerksamkeit entspringt, welche die Erfahrung überhaupt ermöglicht. Das Bewusstsein wird dabei zur Matrize für die Welt und alles was erscheint, d.h. die Welt existiert, anders als im materiellen Weltbild, ausschließlich innerhalb des Bewusstseins.

Auf eine meditative Weise die Welt zu erfahren, ist eine höchst natürliche Erfahrung, die dennoch nichts mit der erlernten menschlichen Wahrnehmung zu tun hat.
Ich gebe gerne ein Beispiel. Gestern habe ich eine kleine Wandermeditation gemacht. Man wandert dabei vorzugsweise durch die Natur und befindet sich dabei in einem meditativen Zustand. Es wird lediglich bemerkt, wie alles geschieht: das Laufen, Sehen, Hören, Empfinden... Alles findet statt, ohne das sich die Aufmerksamkeit darin verliert – diese ruht in ihrer Quelle. Losgelöst von den empfundenen Beschränkungen verändert sich die Welt dramatisch. Die Farben intensivieren sich, das Grün der Bäume wird leuchtend, das Vogelzwitschern ist intensiver, die Welt erscheint wabernd, wie in einem Traum...
Es ist als direkte Erfahrung spürbar, dass in der Kreation dieser Erscheinungswelt, nichts als Freude und Liebe steckt. Nichts, was darin passiert ist so real, wie wir Glauben mögen, aber es ist eine kraftvolle Erscheinung, die wir mithilfe eines Vehikels aus dieser Erfahrungswelt begreifen dürfen. Der Körper wird plötzlich als Geschenk wahrgenommen, wie ein U-Boot, welches uns erlaubt, zum ersten Mal die Tiefsee zu erleben.
Mit der Aufmerksamkeit im Bewusstsein ruhend, wird deutlich, dass wir als Vehikel einerseits ein Teil dieser Erscheinungswelt sind, aber niemals von dieser Welt sein können.

Da kann es keinen Wunsch mehr geben, irgendetwas in dieser Welt verändern zu wollen. Wer sollte so etwas tun? Und warum? Die Ursache für ein Warum ist ein Gedanke, eine fixe Idee, die irgendwelche Hoffnungen nährt. Dabei ist alles in dieser Welt derart, wie es das Bewusstsein ausspielt. Unendliche Variationen des Lebens, der Lebenserfahrungen – das gesamte Spektrum von möglichen Erfahrungen wird aus unendlich vielen Perspektiven erlebt. Ganz gleich, ob diese als schön oder hässlich wahrgenommen werden. Als Teil davon sind wir eine dieser unendlich vielen Perspektiven, jedoch immer mit der Wahl, einen Schritt zurück zu treten und das Spiel als solches und unsere wahre Natur zu erkennen.

Bleiben wir aber auf der Ebene des menschlichen Spiels. Menschen interpretieren ihr Leben und alles, was um sie herum geschieht. Ohne Interpretation wären wir gar nicht in der Lage zu glauben, dass wir ein getrenntes menschliches Wesen sind. Wir summieren im Geist die Einzelteile, bestehend aus Erinnerungen, Wahrnehmungen, Gedanken und formen daraus eine Person und eine Welt. Die Illusion wird im Geiste perfekt.
Wir interpretieren die Welt aber überdies in nutzlose Kategorien, wie Erfolg oder Misserfolg, gut oder schlecht, und versuchen selbst auf der Sonnenseite des Lebens zu stehen. Während das Leben als Person schon Leid verursacht, schaffen diese Kategorien noch größeres Leid.
Dabei wird nicht gesehen, dass wir mit oder ohne Urteil handeln werden, wie es die Natur von Körper und Psyche gebietet. Körper und Geist ändern sich durch Ereignisse im Leben – je dramatischer die Erfahrung, desto einschneidender die Veränderung an Körper und Geist. Ein Trauma kann beispielsweise die Lebensweise drastisch ändern.
Während einer Wandermediation, ohne direkten Bezug zu einer Person, läuft der Körper von selbst, wie er es gewohnt ist. Wir grüßen Menschen, die uns begegnen, ohne einen Gedanken daran zu verlieren. Es wird automatisch auf sämtliche einströmenden Reize reagiert. Körper und Psyche funktionieren so, wie sie durch die Ereignisse programmiert wurden - wie ein Automat und daran ist nichts seltsam.
Das bedeutet, wenn der Mensch z.B. in dieser Welt unter einer Form von Misserfolg leidet und die Entscheidung in der Psyche getroffen wird, sich Hilfe zu holen, dann ist diese Entscheidung eine Folge der psychischen Prägung. Je nach Prägung wird ein Motivationscoach bevorzugt oder aber ein Psychologe oder ein Astrologe, je nach Erfahrungshintergrund bzw. Programmierung.
Daraus kann Erfolg oder aber weiterhin kein Erfolg im Leben resultieren. Wer ist dafür verantwortlich? Ist es der Mensch, der den Gedanken an Hilfe hatte und dann entweder die erhaltenen Ratschläge umsetzen oder nicht umsetzen konnte, verantwortlich für den Erfolg oder Misserfolg?
Was ist der Mensch? Auf welche psychische Grundlage fällt ein Gedanke? Wer bestimmt die Ereignisse in dieser Welt? Wer entscheidet?

Für den menschlichen Geist klingen Ansätze von eingeschränkter menschlicher Entscheidungsfreiheit fatalistisch. Der Mensch in seinem Bestreben, sich zu erhalten, zu schützen und erfolgreich zu sein, wird seine Existenz als Person nicht in Frage stellen, auch wenn es dauerhaftes Leid bedeutet. Der Geist strebt immer nach Selbsterhalt und akzeptiert dabei die größten Leiden aus Liebe zu sich selbst.
Es kann aber nicht fatalistisch sein, wenn wir die Illusion an eine Person verlieren, weil wir erkennen, was da aus unseren Augen schaut. Wenn wir erkennen, das in unserem eigenen Bewusstsein alles entsteht. Dass wir selbst im Anfang von allem ruhen. Welchem fatalistisch anmutenden Schicksal könnten wir dann ausgeliefert sein?

Das eröffnet die Frage ob es Auswirkungen auf die Erfahrungswelt hat, wenn wir unsere Natur erkennen? Ändert sich etwas?
Natürlich tut es das - spätestens, wenn es keine Rolle mehr spielt. Veränderungen innerhalb der Erfahrungswelt geschehen in einem individuellen zeitlichen Rahmen. Wenn wir z.B. unsere Ängste nach und nach verlieren (vgl. hierzu https://freieintuition.blogspot.com/2020/03/spiritualitattraurigkeit-und-depression.html ), dann ändert sich auch unser Verhalten. Erkennen wir mehr die Schönheit des Lebens, ändert sich nach und nach unsere gesamte Erfahrungswelt. Das hat aber nicht unbedingt etwas mit unseren ursprünglichen Vorstellungen von einem erfolgreichen, schönen Leben zu tun, die unser Gedankenleben so produziert. Es gibt Menschen, die sitzen im Gefängnis, erkennen ihre Natur und leben fortan glücklich in ihrer Zelle. Und das war sicherlich nicht ihre ursprüngliche Idee von Erfolg.

Der Ansatz ist hier natürlich an anderer als bei jemandem, der einen Therapeuten aufsucht, um nach bestimmten Maßstäben sein Leben zu verbessern. Ganz gleich, welche Therapien eingesetzt werden: sie sind immer Bestandteil dieser Erfahrungswelt und damit Teil dieser Illusion. Das, was diese Illusion kreiert, kreiert eine unendliche Zahl an Möglichkeiten, dazu zählen erfolgreiche Therapien, Rückfälle, unerwartete Ereignisse etc.
Im Erkennen dessen hingegen, dass wir vollständig und im Frieden sind, entfällt der Wunsch nach Verbesserung. Auch, wenn dieser Prozess dauern kann, ist er von erheblicher Tragweite für diese Realitätsebene. Akzeptanz, die niemanden braucht, um gelebt zu werden, nimmt jede Erfahrung, einfach, wie sie ist, da nicht unterschieden und geurteilt werden muss. Es wird erkannt, dass der Frieden, der immer da ist, keine Bedingung braucht, um gelebt zu werden.

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