Dienstag, 16. März 2021

Persona und Entwicklung

Ich schreibe hier meist über das Thema Selbstrealisation und wir sind alle mehr oder weniger offensichtlich Teil dieses Entwicklungsprozesses. Im Falle derjenigen, die sich die Mühe machen, z.B. solche Texte zu lesen, ist der Prozess bereits etwas brennender und damit auch deutlicher zu erkennen. Das Wort oder der Begriff der Selbstrealisation ist im Übrigen nicht weniger unglücklich als alle anderen Worte, die verwendet werden könnten, um zu beschreiben, was kaum in Worte zu fassen ist.

Mit Selbstrealisation gemeint ist zunächst immer eine Bewegung des Bewusstseins zu seiner Quelle bzw. dem Ursprung allen Seins. Das Bewusstsein an sich ist dabei bereits unpersönlich und trägt die Anteile, die uns als Mensch wahrnehmen lassen, als kleinsten Teil seiner Realität in sich. Das umfasst die Anteile des Geistes und des Körpers und auch alle kausalen Anteile, die uns eine bestimmte Form im Leben bescheren.
Das bedeutet, nach dieser Definition ist das Bewusstsein nicht auf die menschliche Psyche beschränkt, sondern es bedingt diese Psyche, den Körper und die gesamte Welt – alles entsteht im Bewusstsein in jedem Augenblick. Dieses Bewusstsein ist universell und damit allumfassend: die ganze Welt bzw. alle Welten. Bewusstsein kann entsprechend auch als die schöpferische Ebene verstanden werden.

Dem Bewusstsein wiederum liegt ein Ursprung zugrunde, welcher nicht mehr definiert werden kann. Er ist das, was immer war und was vor und nach jeder Schöpfung ist.

Aus dieser Anschauung heraus wird deutlich, wie beschränkt das menschliche Bewusstsein ist, sofern es sich fokussiert auf den Körper und den Geist - mit den Bestandteilen des Verstandes, der Erinnerung und der Emotionen. Diese Beschränkungen aufzulösen bedeutet wiederum, die Fokussierung auf diese menschliche Realität aufzugeben und sich in der vollen Größe des Bewusstseins zu entspannen. Ich sage hier ganz bewusst „entspannen“. Eine Anstrengung ist nicht förderlich, auch wenn dies zunächst paradox klingt und alle anfänglichen Bemühungen nicht sonderlich entspannt anfühlen.

Drang und Motivation

Der Wunsch nach Selbstrealisation bzw. die Entscheidung, das Leben nach diesem Ziel auszurichten, äußert sich im Menschen als ein eigentümlicher innerer Drang. Er ist nicht vergleichbar mit jeder anderen Motivation, die uns im Leben antreibt.

Dieser Drang beruht auf keiner Entscheidung, keiner Überlegung. Dieses innere Drängen ist unbedingt, bedarf auch keiner speziellen Vorgeschichte und kann Menschen ohne spirituelle Vorprägung ganz plötzlich treffen.

Ich kann nicht sagen, dass dieser menschlich evolutionären Bewegung ein Plan zugrunde liegt. Es wäre falsch, dies anzunehmen und ebenso falsch, eine Art göttlichen Plan zu negieren. Es spielt, und das ist das Entscheidende, auch überhaupt keine Rolle. Jeder Gedanke um eine göttliche Absicht ist ein Gedanke zu viel und auch nicht hilfreich. Wichtiger ist es, die Aufmerksamkeit auf diese spürbare Kraft zu legen, die alles durchdringt und nicht auf irgendwelche Ideen oder Vorstellungen, die den Fokus wieder auf Bewegungen im Geist beschränken.

Es gibt natürlich keine Standardbiografie, die eine typische Erwachensgeschichte beschreibt. Das Bewusstsein, dass sich wieder in seine wahre Natur entspannt bzw. erwacht und damit den Fokus „Mensch“ verlässt, kann unzählige Wege beschreiben. Da ist eine unfassbare Vielfalt in dieser Welt, die verschiedenste Biographien des Erwachens hervorbringt, inklusive mannigfaltiger Umwege.

Die wenigen, welche relativ direkt und geradlinig die angedeutete Selbstrealisation anstreben, besitzen eine gewisse Reife und Form der Hingabe. Es sind diejenigen, die bereit sind, alles zu opfern, ohne sich eines Opfers bewusst zu sein. Der Tod ist für sie kein Schreckgespenst mehr, da sie erfahren, dass sie nicht sterben können. Das einzige, das sterben muss und was herbeigesehnt wird, ist der Tod des Glaubens an eine Person in einer Welt.

Bei den meisten Menschen ist der Geist aber derart stark und das Bewusstsein sehr in diesem Fokus auf Körper und Geist gefangen, dass diese innere Drängen in erster Linie in persönlichen Eifer transformiert wird.

Eifrige Yogis

Eifer ist grundsätzlich nichts falsches – er ist ein Ausdruck unseres Geistes und hat eine Vorstellung, ein mentales Ziel als Treibstoff und Grundlage. Ohne dieses Ziel würde dem Eifer die Ausrichtung und die Kraft zum Handeln fehlen. Eifer lässt sich befeuern mit Visualisierungen, Plänen oder auch Verträgen, die jemand mit sich selbst oder anderen macht – dies betrifft sämtliche mentalen Konstrukte, welche z.B. in Erfolgsratgebern zu finden sind. An dieser Stelle erkennen wir schon sehr leicht die verschiedenen Dimensionen, in welche die Motivation nach Entwicklung fließen kann.

In vielen Fällen geht es dabei immer um eine Verbesserung der Person, um eine persönliche Bereicherung bzw. um ein Ziel, welches für die Person wichtig ist oder gar um die Erschaffung einer ganz neuen, großartigen Persona. 

Bei der oben angesprochenen Realisation des eigentlichen Selbst geht es um das genaue Gegenteil. Für die Person gibt es dabei nichts zu holen. Ein Umstand, welcher den meisten Menschen eher Angst macht.

Ich hatte es bereits angedeutet: die Motivation, von der wir sprechen, kommt von einer anderen Ebene und äußert sich auf eine geradezu mystische Weise. Und trotz dieser spürbaren Erhabenheit kann sie leicht, obwohl sie unpersönlicher Natur ist, von der Person okkupiert werden; die Person macht sich dieses Ziel zu eigen. Das geschieht sehr oft und ist als ein Teil der Entwicklungsvielfalt anzusehen.

Da gibt es dann diesen ursprünglich reinen, inneren Ruf, dieses starke Drängen. Die Schöpfungskraft erlaubt dem ungezügelten menschlichen Geist, daraus ein Ziel im Leben zu formen. Auch dies ist ein Teil der Erwachensbiografie.

Der Mensch wird zu einem Helfer für andere mit starken persönlichen Interessen und wirkt z.B. als Yogalehrer, Heiler, spiritueller Lehrer, Lebenshelfer. Viele weitere Formen des Ausdrucks sind an dieser Stelle denkbar. Dem inneren Drang nach Selbstrealisation wird auf die bestmögliche Weise entsprochen.

Spiritualitätsfalle

So formt sich im besten Fall aus diesem persönlichen Weg eine Möglichkeit des unpersönlichen Dienens und der Selbstvergessenheit. Persönliche Wege können aber auch anders verlaufen und zu einer noch stärkeren Identifikation mit einer neu kreierten spirituellen Persona führen.
Aus einer absoluten Perspektive spielt das alles keine Rolle aber von einem individuellen Standpunkt kann dies ein Rückschritt sein, da es oft vielfach schlimmer ist, „spirituell“ zu sein, als eine stinknormale Person, die einem langweiligen Job nachgeht und sich für nichts besonderes hält.

Die Erhöhung der Person ist eine typische Falle auf dem spirituellen Weg, die für die Betroffenen extrem schwer zu erkennen ist. Die Person schützt sich immer selbst und nimmt jede Form der Identifikation ein, um nicht verloren zu gehen. Eine spirituelle Person hat es dabei besonders schwer, da sie ihren Weg rechtfertigt und ihr Handeln immer entschuldigen kann. Sie redet sich z.B. ein, dass sie nur anderen dienen möchte und erkennt ihre Abhängigkeit von Anerkennung und materiellen Vorzügen nicht. Manchmal ist einer solchen Person nicht zu helfen, da sie ja bereits alles (besser) weiß. 

Raus aus der Falle

Diese Falle ist natürlich relativ und es gibt auch kein wirkliches Problem. Dennoch sind da in diesem Paradoxon zwischen absolutem und relativem Weg hilfreiche Möglichkeiten, die innerhalb unserer menschlichen Realität hilfreich sind.
Die Fragen, die sich jemand in dieser Position stellen kann, um dieses Dilemma aufzulösen, sind relativ einfach und tun bestenfalls weh:

Kann ich jetzt mit allem, was mir wichtig scheint, aufhören?

Bin ich bereit, niemand zu sein und damit unter Umständen auch ein Niemand zu werden?

Kann ich einfach das sein, was ich niemals nicht sein kann?

Es solte so radikal gefragt werden, da eine andere Herangehensweise nicht zielführend wäre und der Geist immer neue Entschuldigungen für sich selbst findet. Es erfordert etwas Wachsamkeit und auch Gnade, um nicht in diese Falle zu tappen.

Gnade, da es ist die Person aus sich selbst heraus nicht schaffen kann. Sie kann lediglich den Geist schulen, um nicht in die immer gleichen gedanklichen Fallen zu tappen. Die Gnade sind die Umstände, die Lehrer, die innere Kraft, einfach alles, was uns das universelle Bewusstsein in dem Moment zur Verfügung stellt.

Das Internet ist voll mit interessanten Menschen, die ein spirituelles Erwachenserlebnis hatten, und nun versuchen, als Lehrer gut davon zu leben. Anstatt sich gesellschaftlich zurück zu ziehen und das Erlebnis zu vertiefen suchen sie etwas im Außen. Das ist dem Mindset unserer Erfolgs-Gesellschaft geschuldet und dem Impuls, den Erfolg zu präsentieren. Wir sind gesellschaftlich ungeschult in den Wegen der Selbstrealisation, was oft seltsame Blüten und Lehrerpersönlichkeiten kreiert.

Wirft man einen Blick auf alte Schulen des Zen oder des Advaita Vedanta, dann ist das Erwachen lediglich ein erster Schritt. Nach den ersten Erwachenserlebnissen werden den Schülern in diesen Traditionen Jahre der Meditation und des Rückzugs angeraten.

Das bedeutet nicht, dass vor diesem ersten Schritt oft nicht zuerst alle (weltlichen) Bemühungen unternommen werden, um die Person zur Befreiung von allen Leiden zu führen. Ähnlich wie in Hermann Hesses Erzählung „Siddharta“, in welcher der Protagonist zunächst alle Versuche im Leben unternimmt – von spirituellen Bemühungen bis hin zu weltlichen Bestrebungen des Erfolgs und der Selbstverwirklichung. Kein Weg führte zum Ziel der Befreiung. Letztes Endes mündeten aber die Bemühungen in der Resignation und im selbstvergessenen, stillen Sitzen an einem Fluss. Diese Entspannung im selbstzufriedenen Betrachten des Flusses führte Siddharta zur Erleuchtung. Wichtig ist in dem Zusammenhang aber auch die Erkenntnis, dass alle vermeintlichen Fehler und Umwege nötig waren, um die Bereitschaft für das selbstvergessene Sitzen am Fluss zu ermöglichen. 

Das Leiden ist es dann auch letztendlich, welches jeden Umweg rechtfertigt. Die Identifikation mit der Person ist immer mit Leiden verbunden, da es für keinen Menschen immer nur gut läuft. Dafür sorgt unsere duale Welt, für die Adjektive wie super und toll nicht ausreichen.  

Das unverständliche Ziel

Die Realisation dessen, was wir sind, bedarf des Unterscheidungsvermögens. Wir können nichts sein, was wir beschreiben können. So wie der Weg kein persönlicher ist, so sind weder das innere Drängen noch das innere Verstehen persönlicher Natur. Worte sind dabei immer zu viel, auch wenn sie nötig sind, um den Geist eine gewisse Aufmerksamkeit zu ermöglichen, damit er sich vor sich selbst schützen kann.

Das eigentliche Verstehen findet nur in der Stille statt. Somit muss unterschieden werden zwischen dem, was immer war oder dem, was in der Stille gewahr wird und auf der anderen Seite den Objekten, die erscheinen und die immer einen Gegenspieler brauchen.

Die Quelle ist das, was kein Zweites kennt. Das, was als nondual beschrieben wird, entbehrt jeder Beschreibung. Das Gute braucht das Schlechte, um als gut erkannt zu werden. Jedes Ding braucht einen Gegenspieler, damit wir es beschreiben können: Glück und Unglück, das Schöne und das Hässliche, ich und die anderen.

Lassen wir uns in Stille auf das ein, was wir nicht fassen können, kommen dabei ganz natürlich Glück, Freude, Licht und andere Phänomene auf. Es sind Marker auf dem rechten Weg; Reaktionen in Geist und Körper. Sie sind aber niemals das Ziel und nichts, woran man sich klammern sollte.
Die Person muss still werden, um zu begreifen, dass sie die Fragen nicht beantworten kann. Die Bereitschaft dafür bedarf meist einiger Umwege. Manchmal schmecken Menschen an diesem Weg, um sich schnell einer anderen Möglichkeit der Selbstentfaltung zuzuwenden. Das ist völlig in Ordnung. Es gibt keine echten Regeln, da diese der Vielfalt niemals gerecht werden können. Aber es gibt einige Marker und Hilfestellungen, an denen man sich orientieren kann.

 

Sonntag, 28. Februar 2021

Spaßlos in der Spaßgesellschaft

Gelegentlich mache ich mir Gedanken über das unvermeidliche Geschehen in dieser Welt auch wenn ich mir generell nicht viele Gedanken mache. Warum auch? Es ist mir bewusst, dass es keine (politische) Lösung für unsere Probleme geben kann. Alleine schon aus dem Grund, weil wir nicht über die Reife verfügen, wenigstens friedlich und nett mit unserem Mitmenschen umzugehen.

Und dennoch wird ab und zu der Wunsch in mir wach, dass es doch vielleicht anders sein könnte. Dabei stehen zur Zeit wieder alle Zeichen auf Demontage... so scheinen Philosophen und Historiker mal wieder recht zu behalten: dekadente Gesellschaften werden letztlich fallen.

Not bringt Tugend

Andererseits und trotz aller Kritik am menschlichen Miteinander wissen wir, dass die Menschen in Schreckenszeiten und extremen Situationen zusammengehalten haben. Man hilft sich während und unmittelbar nach Kriegen, versucht gemeinsam das Überleben zu sichern und schützt sich im starken Miteinander vor akuten Gefahren. Diese Geschichten kennen wir, nur scheinen wir diese Tugenden nicht mehr anzuwenden in Zeiten des sogenannten Wohlstands, der eine allgemeine Orientierungslosigkeit zu fördern scheint.

Sind wir nur reif für gefährliche, nicht aber für friedliche, satte Zeiten?

Ziellos im Wohlstand

In diesen Zeiten ändern sich die Themen und Bedürfnisse. Der Mensch sucht nach einem Sinn im Leben oder wenigstens nach Spaß, wenn sich ein tieferer Sinn dem Geiste entzieht bzw. im gesellschaftlichen Erlebnisraum schlichtweg nicht angeboten wird. Wer erinnert sich nicht an Berichte über die sogenannte Spaßgesellschaft (gefühlt so seit den späten 80er Jahren), auch wenn dies im aktuellen Geschehen bereits wieder überholt klingt?

Worum geht es dabei? Um gesellschaftliche Dekadenz, fehlendem Tiefsinn und der Untergang einer auf Konsum gebürsteten Gemeinschaft.

Gesellschaften, die nicht mehr über die intrinsische Kraft gemeinschaftlichen Zusammenhalts verfügen, sind auf Dauer ähnlich anfällig für Krankheiten wie ein nackter, betrunkener Mann im Winter für eine Lungenentzündung.
Es geht in sogenannten Spaßgesellschaften das verloren, was den Menschen in Anbetracht unserer Geschichte eigentlich mit der Muttermilch eingeflösst werden müsste: das Verständnis, dass wir nur in einer funktionierenden Gemeinschaft überleben können.

Marker des Niedergangs

Was eine Gesellschaft hervorbringt, wenn ihre Mitglieder nicht mehr selbige im Blick haben, erleben wir momentan wieder, an diesem Punkt unserer gemeinsamen Geschichte. Einige typische Marker für einen drohenden Niedergang sind weitreichend bekannt:

  • Wenn eine Gesellschaft ihre Führung (im Gleichklang zum kulturellen Verfall und der allgemeinen Verdummung) zu einer egomanen, korrupten Brut verkommen lässt

  • Wenn menschliche Gemeinschaften es zulassen, dass wenige nahezu alles besitzen und viele nichts haben

  • Wenn Gerissenheit und Cleverness mit klugem und angemessenem Verhalten verwechselt werden. Wenn weder Reife noch Besonnenheit vonnöten sind für eine gesellschaftliche Führungsposition

  • Und entsprechend: wenn politische Führungspositionen durch Ellenbogen und fehlende Skrupel erkämpft werden müssen

Die Liste ließe sich beliebig fortführen und auf sämtliche Bereiche unserer Kultur erweitern. Auf die Funktionsweise unserer Wirtschaft, auf die Inhalte und Gestaltung von Bildung und Wissenschaft, auf unser spirituelles Verständnis und dem darauf aufbauendem Zusammenleben.

Spaßbefreiter Absolutismus

Was bedeutet die aktuelle Lage nun für unsere Spaßgesellschaft?

Sicher lässt sich sagen: auf jeden Fall weniger vom geliebten, alten Spaß.

Wir leben jetzt in Zeiten (höchst konstruierter) politischer Korrektheit, welche absurde politische Diskussionen erlaubt, deren Ergebnis in ihrem Anspruch nach Richtigkeit und Absolutheit faschistisch anmuten.
Wir erleben Demokratieabbau, Freiheitsbeschränkung, Verbote, mediale Gleichschaltung und Verlust der Meinungsfreiheit... das ist kein Nährboden für Spaß oder echten Humor; für Humor bedarf es der Toleranz und Freiheitsliebe.

Dem Menschen wird auch jetzt wieder über alle offiziellen Kanäle vermittelt, dass er seine persönlichen Interessen und Bedürfnisse dem großen Ziel unterordnen muss. Von diesen großen Zielen haben wir scheinbar noch nicht genug. Immer musste in unserer gemeinsamen Geschichte etwas befreit oder vernichtet werden oder wir mussten vor etwas Bösem beschützt werden.

Zum Schutz der Schwächsten müssen wir nun den kleinsten und tückischsten aller denkbaren Feinde bekämpfen, koste was es wolle. Alte Geschichten in neuem Gewand. Immer wieder funktioniert derselbe Taschenspielertrick. Lediglich Begrifflichkeiten werden ausgetauscht.

Notwendige Spaßevolution und der Blick in die Antike

Also, was tun? Dieser Zug ist erst einmal nicht mehr aufzuhalten. Es wird auch übermorgen kein gestern mehr geben – die alten Zeiten sind vorbei.

Der Spaß war aber niemals sinnlos. Er diente in den vermeintlich spaßigeren Zeiten der Zerstreuung von den Sorgen, der Sinnstiftung innerhalb eines ansonsten ernsthaftem Lebens mit ernsthaften Problemen. Er war Sinnbild für ein Leben, das keinen Sinn in den gesellschaftlich vorgegeben Zielen sah und von daher die Sinnhaftigkeit in der Lebensfülle suchte. Er war immer ein Schrei nach etwas mehr Freiheit, nach Leichtigkeit und Freude.

Nun, wer diesen Blog verfolgt hat, kennt meine Ansätze. Es geht unter anderem darum, diese tiefere Ebene der Spaßsehnsucht freizulegen und zu befreien. Wir können nur erfüllt leben, wenn wir uns nicht mit den Ängsten identifizieren, wenn wir erkennen, das wir unberührt von den Geschichten und Nöten sind.

Außerdem, die Sinnsuche muss an Tiefe gewinnen – nicht nur spirituell, sondern auch im Umgang mit den Dingen, die uns Freude bereiten können! So ist die oft genutzte Hedonismusdefinition zur Veranschaulichung der ungezügelten Spaßgesellschaft nicht korrekt.

Antike Hedonisten haben nicht nur die Lebensfülle und den Spaß gesehen. Sie haben erkannt, dass es auf die rechte Dosis ankommt; dass die Freude an köstlichen Speisen z.B. nur dann erlebt werden kann, wenn zuvor Verzicht geübt wurde. Es geht also einerseits um das rechte Maß und den rechten, maßvollen Umgang mit gelegentlicher Maßlosigkeit.

Hedonistische Ruhe zwischen Lust und Schmerz

Die ersten Hedonisten (i.S. einer philosophischen Denkrichtung) vertraten die Theorie das sich unsere Seele zwischen den Zuständen Schmerz und Lust bewegt. Natürlich möchten wir die Bewegung hin zur Lust, aber es gibt zudem noch den Hinweis bzw. die Erkenntnis, dass sich zwischen diesen beiden Zuständen die Seelenruhe (Ataraxie) befindet.

Ich erlaube mir, diesen Ansatz gemäß meiner eigenen Erkenntnissen weiter zu interpretieren (ist ja immerhin mein Blog).

In der Dualität zwischen Lust und Schmerz, zwischen Freude und Leid, zwischen ganz und gar nicht... liegt das Nonduale, das kein Zweites kennt und das den tiefsten Frieden überhaupt darstellt. Es ist der Zustand, welchen wir in der spirituellen Verwirklichung realisieren sollen. Es ist nichts, dass jemals erlangt werden kann, sondern die einzige beständige Wahrheit, die einfach IST.

Bewegen wir uns immer nur in Richtung Lust oder Spaß, müssen wir diese Wahrheitsebene zwangsläufig übersehen. Die gesamte Existenz spielt mit der Dualität und mit den Extremen als Hinweis auf das Eine, das kein Zweites bzw. keine Dualität kennt.

Freiheit im Erkennen

Entsprechend sind auch die aktuellen Geschehnisse nichts anderes als eine existentielle Gegenbewegung zu dem, was vorher war. Diese Bewegung ist unaufhaltsam. Es ist diese eine Erkenntnis, welche die gesamte Diskussion in ein neues Licht rückt, da es den Fokus auf das Unveränderliche rückt; auf die Leinwand, auf welche das gesamte Spiel des Lebens projiziert wird und welche selbst immer unveränderlich bleibt.

Ja, die von der Leinwand reflektierten Farben ändern sich laufend. Aber dieses Erkennen ist befreiend, dass wir das sind, was dieses ganze Schauspiel überhaupt erst erlaubt; nur der kleinste Teil unseres Seins spielt scheinbar aktiv in diesem Stück mit. Es ist der Teil, der sich Lust und Spaß wünscht und dabei doch jenseits aller Worte und Definitionen zuhause ist.

Donnerstag, 18. Februar 2021

Eiskristallflora

Schmelzwetter auf unserer Terrasse, der Schnee verflüchtigte sich.
Was blieb waren ein paar winzige Wasserpfützen, welche plötzlich erneut froren und zu meinem Erstaunen in eine Landschaft aus Blüten, Gräsern und allerlei Gewächsen erstarrten.

Wie offensichtlich die mathematischen Formeln unserer Lebenswelt entlarvt werden. Grundlegende Formen wiederholen sich in Mikro- und Makrokosmos. Sie zeigen die Schönheit dieser Welt, ihre klare Struktur und auch die Grenzen, in welche diese Dimension in Erscheinung treten kann.





Mittwoch, 10. Februar 2021

Selige Vergänglichkeit

In glücklich zerbrochenen Erinnerungen

Erblüht die Freiheit aus vergessenen Memoiren

Und die Liebe aus Menschen ohne Geschichte

Ohne die Illusion von Tat oder Untat

Ohne geglaubten Frevel oder Heiligkeit

Ohne die Idee von Namen oder Rang

Spielt das Leben gelassener nur mit sich selbst

Aktion statt Planung, Stille statt Widerstand

Kongruent in unvermeidlicher Direktheit


Erhebende Stimmung befreit von Anlass, Sinn und Ursache

Trauer ohne Anker, in Wind und Strömung verloren


Die Bühne des Lebens auf unsichtbarem Grund

Der frei von Bedingungen und Vorstellungen

Alles aus sich nährt und alles in sich vergehen lässt

Es wird verbrennen ohne Asche

Zerstören ohne Schutt

Nichts, was bleibt

Alles, das Ist



 

Sonntag, 31. Januar 2021

Aufmerksames Spüren

Ich war öfters überrascht von einer inneren Einladung in Form eines aufkommenden Gefühls. Erst subtil, dann immer stärker werdend, von unbekannter Herkunft. Das Gefühl lädt zu Beginn ein, intensiv auf die Suche nach etwas zu gehen. Etwas Aufregendes, Unbekanntes, das sich nicht richtig (be-)greifen lässt.
Wir greifen mit diesem inneren Drängen zu Beginn nach mehr Erkenntnis, mehr Wissen, mehr Erfahrungen. Das Leben bereichern, das Leben verstehen, das Leben bändigen... Das scheinen anfangs die Motive zu sein, die jemanden antreiben, dem dieses merkwürdige Drängen überkommt. Die erste Reaktion auf dieses Drängen mündet für viele in esoterischen Welten, in psychologischen Ratgebern, in philosophischen Weltanschauungen, in magischen Methoden und allem, was das Leben (und natürlich uns selbst) irgendwie zu bändigen verspricht. Alles, was halbwegs verspricht den Schmerz und den Schrecken des Lebens zu nehmen und dabei den Erkenntnisraum zu erweitern.

Gesichter der Erlösung

Dieses beschriebene Phänomen eines starken inneren Drängens nach einer Art - nennen wir es Erlösung - ist ein Ausdruck dieser Reise, welche man eigentlich nicht näher benennen kann. „Erlösung“ ist aber ein durchaus zutreffender Begriff, da sich dieses innere Drängen als eine Suche nach selbiger interpretieren lässt.
Im Grunde mündet die Suche nach Erlösung aber in der Ergründung des Wesenskerns und der letztlichen Erkenntnis, dass es in dieser, von uns akzeptierten irdischen Realität, keine Erlösung von den Beschwerlichkeiten des Daseins und des unweigerlichen Todes gibt. Der Tod bleibt abwartend in bedrohlicher Nähe und lässt sich (glücklicherweise) nicht ausräumen. Wir mögen verblendet sein und ein Weilchen daran glauben, das Leben durch Erfolg und eine gesunde Lebensweise gezähmt zu haben – der Tod wird uns aber stetig seine Namen in den Nacken hauchen, bis auch der letzte seine eigene Endlichkeit begriffen hat.
Die Form der Erlösung, welche aber weder Tod noch Leben niederringen möchte, hat nicht dieses Damoklesschwert über dem empfindlichen Haupt schweben. Sie ist frei von den Bedingungen der irdischen Existenz. Sie beginnt vor den Begrifflichkeiten von Leben und Tod und hat ihren Ursprung jenseits aller Bedingungen und Beschreibungen, jenseits der Wirkungswelt des Geistes.

Dankbare Entscheidungslosigkeit

Entsprechend ist es dem Menschen in seiner Identifikation als Person - und damit innerhalb der Fesseln von Existieren und Sterben - eigentlich nicht möglich, diese Reise selbst anzutreten. Wir gehen diesen bestimmten Lebensweg oder nicht, da gibt es keine wirkliche Entscheidung einer Person. Es ist doch nachvollziehbar, dass Menschen, welche diesen inneren Ruf nie vernahmen, eher mit Unverständnis auf diese esoterischen Spinner und Heilssucher blicken bzw. auf Leute die ihr Leben der Meditation und ähnlichen lebensfernen Praktiken widmen.

Dabei ist es eine kompromisslose aber dankbare Einladung, ein unerschütterliches Drängen, das recht wenige Menschen überkommt. Begleitet von einem Hochgefühl, welches uns auffordert, uns ganz auf diese inneren Welten einzulassen. Die Stille, welche sich im Bewusstsein offenbart, die bedingungslose Liebe, so losgelöst von alten Begrenzungen, ist die beständige Richtschnur. Loslassen können, was Sicherheit und Anerkennung verspricht und verloren gehen in lichter Leichtigkeit.

Eine spezifische Qualität der Aufmerksamkeit

An verschiedenen Stellen in diesem Blog wurde die Ergründung des Selbst mithilfe spezifischer Techniken besprochen. Durch gezieltes Fragen und Innehalten hebelt sich der aktive, identifizierte Geist selbst aus. Gleich einem Dorn, mit welchem wir einen Dorn entfernen, wird ein Gedanke ins Bewusstsein entlassen, welcher das Gedankenleben ausbremst. Das Innehalten in dem, was sich dabei offenbart geht mit aufmerksamem Spüren einher.
Spüren ohne Gedanken ist ein sinnliches Empfinden, von allem, was sich offenbart. Das Gefühl der Ausdehnung, welche das Erkennen des Selbst oft begleitet, aber auch die Emotionen und Körperempfindungen, die dabei Erlösung finden. Alles zu erfühlen und „inne zu halten“ im besten Sinne des Wortes, womit gemeint ist, dass wir diese Empfindungen aufmerksam im Bewusstsein halten.
Die dafür benötigte Achtsamkeit bedarf einer Loslösung vom Alltagsbewusstsein, die in erster Linie durch beständiges Üben erreicht wird. Das dadurch gewonnene Vermögen, urteilsfrei spüren zu können, ist unfassbar erlösend. Man kann diese Fähigkeit nur zu schätzen wissen, wenn man sie selbst erlebt hat, da der gesellschaftlich erlernte Impuls, über das Erfühlte nachzudenken, diese freie Bewegung im Bewusstsein normalerweise kaum erlaubt.
Freies Erspüren sowohl innerer als auch äußerer Welten führt immer zu dem einen Ziel: der Ergründung des Selbst, dem Erforschen des eigenen Wesens. Jede Erscheinung, jedes noch so traurige Gefühl, zeigt im erlösten Erspüren seinen wahren Kern und Ursprung und wandelt sich scheinbar in Empfindungen von Liebe und Weite.

Daher wird das Loslassen immer wieder derart betont. Es ist eine Mischung aus diesem befreiten Erleben bzw. aufmerksamen Spüren sämtlicher Erscheinungen und der Fähigkeit, den Geist dabei nicht zu bedienen und die Gedanken nicht zu verfolgen. Das klingt vielleicht zunächst recht technisch, ist aber ein natürliches und freies Erleben, welches zu reiner Gewahrsamkeit führt.



 

Freitag, 15. Januar 2021

Mürbe Macht

Das anhaltende Einsperren und Aussperren, die fantasievollen Verbote und Einschränkungen, treffen mittlerweile viele Menschen auf unterschiedlichen Ebenen empfindlich in ihrer Lebensführung. Manche kämpfen profan um die finanzielle Existenz, andere innerlich gegen die Einsamkeit, wieder anderen wächst der Stress zwischen Kinderbetreuung und Homeoffice über das geplagte Haupt.

Konstruierte Spaltung

Von allen Seiten ist zu spüren, wie Leute aller Couleur mürbe werden. Mürbe sind die Gemüter, zermürbend die lenkende Macht, welche das Leben in unerfreuliche Fahrwasser steuert. Zu genau möchten viele nicht hinsehen, wollen nicht hören, dass dieser Lockdown eine höchst politische und zugleich unwissenschaftliche Lösung für ein medial zur Unkenntlichkeit aufgeblähtes Problem ist.
Für viele geächtete Widerständler steckt die einst bewegte Zeit des Aufklärens und der Rebellion im Trübsal der sumpfigen Aussichtslosigkeit fest. Die Weichen sind alle gestellt, der Schicksalszug hat längst seine Höchstgeschwindigkeit erreicht.
Erstaunlich ist der Opfermut der Gegenseite unserer künstlich gespaltenen Gesellschaft. Sie steht noch immer begeistert an den Gleisen und winkt eifrig ihrem alten Leben nach, fest daran glaubend, dass Regierungen dazu da sind, sich ganz doll um uns zu sorgen. Die Lektionen der Geschichte perlen an ihnen ab – ein faszinierender Lotus-Effekt, dessen Ingredienzien (bestehend aus kollektiver Gutgläubigkeit und Bequemlichkeit) jeden kritischen Gedanken abgleiten lassen.
Schaltet man den Fernseher ein oder schlägt die Zeitung auf, vernimmt man ebenfalls wenig Kritisches. Kaum jemand berichtet über Gescheiterte, Depressive, über Suizide und Gefährdete. Dabei knirscht es, wo man hinschaut, im existenziellen Gebälk.

Neue Normalität = Zeit des inneren Prüfens

„The new normal“ wurde bereits, das hat man schon fast verdrängt, vor bald einem Jahr medial prophezeit - teils hübsch illustriert aber dennoch haarsträubend böse wirkend. Man hat den Verdacht, dass die Umsetzung der neuen Normalität noch gar nicht zur vollen Blüte gereift ist.

Ich bin selbst ein auf mehreren beschriebenen Ebenen Betroffener. Das Leben kann aber noch deutlich kreativer zuschlagen – mit mehr Wucht und Fantasie, als es die Drahtzieher der Krise jemals mit ihren einfachen Gemütern erdenken könnten. Dennoch will ich nicht leugnen, dass die momentane Lage teils herausfordernd und anstrengend ist und dass das Leben diese konstruierte Krise gerne mit weiteren Schrecken garniert.
Irgendwie, man verzeihe mir das Wortspiel, bin ich ein verfehlter Betroffener im Sinne von getroffen sein; heißt: mir geht es unverzeihlich gut. Einfach, weil ich empfinde, dass dies unser Geburtsrecht ist, weil es unserem Wesenskern entspricht. Weil ich jeden Tag auf das blicke, was von diesem ganzen Theater völlig unbeeindruckt ist. Und das bin ich selbst und jeder andere ebenso. Ich hoffe, dass dies viele Menschen realisieren dürfen, denn jene Perspektive erlaubt uns, auch in schwierigeren Zeiten einfach mal zufrieden und gut drauf zu sein. „Gut drauf“ ist jetzt nicht unbedingt die in dem Kontext passendste Ausdrucksweise, klingt aber griffig.
Jeder Ausdruck von Freude oder Glück ist natürlich etwas, das immer irgendwie kommen und gehen muss. Es kommt jedoch öfter in der Folge eines unabsichtlich konsequent gegen den Strom schwimmenden Lebensstils, der keine Rücksicht auf Normen und eine gelungene gesellschaftliche Positionierung der eigenen Person nimmt. Aber wen jucken Konventionen, gerade jetzt, wo ohnehin alles auf Talfahrt ist?
Talfahrt oder goldene Zeiten, darum geht es natürlich nicht. Im Grunde muss die Lebensführung in jeder Lage für eine glücklichere Ausrichtung mehr gefühlt als gedacht sein, mehr gesessen als gerannt, mehr im Innern als im Außen. Alle Tugenden der Rationalität, der Strebsamkeit, des Eifers, der Zielstrebigkeit sind totaler Mist, wenn man wirklich erfüllt sein möchte. Gesellschaftliche Normen und Tugenden dienen meist der Kontrolle und der Ordnung; sie bringen aber niemanden ans Ziel, da sie ein falsches Ego, ein Trugbild stärken. Und wir streben doch immer, ob in wirren oder ruhigen Zeiten, ob wir arm oder reich sind, gefühlt oben oder unten, mehr dem Glück entgegen.

Lass das Glück los

Kommt dieses Glück öfter, ist die Gelegenheit da, auch dieses zu prüfen und nicht daran zu klammern. Es kommt und geht beschwingter in einem Raum erweiterter Gewahrsamkeit und mit gesteigerter Fähigkeit, einfach alles loslassen zu können. In einem engen Mental-Kerker fühlt sich das Glück hingegen nicht zu Hause. Es wird abgestoßen durch Planung, durch Gier, durch jeden Versuch, seiner Habhaft zu werden. Glück, genau wie bedingungslose Liebe, müssen frei fließen können.

Dieser Raum, in welchem Glück stattfinden kann, diese Empfindung von Ausdehnung über die Sinnlichkeit hinaus, ist tiefer als das Glück selbst. Glück ist ein Ausdruck oder eine Qualität unserer Seele, aber selbst tiefes Glück berührt noch lange nicht die Quelle unseres Seins. Es ist dennoch ein guter Wegweiser.
Letztendlich spielt in dem Erleben unserer Seele, unseres Selbst, am Ende auch das Glück keine entscheidende Rolle mehr. Das Glück mag zwar ein willkommener Besucher sein, aber es ist nicht das Ziel der Suche. Somit ist auch jede andere Erscheinung im Leben mehr oder weniger willkommen, aber niemals etwas, das dem innersten Frieden gleichkommt.
Jede dieser empfundenen Bewegungen, so nett oder so krampfig sie auch sein mögen, sind, und da wiederhole ich mich wiederholt, Gelegenheiten, die Aufmerksamkeit zu schulen, und den inneren Raum zu erkennen, in welchem alles stattfindet.

Aufmerksamkeits-Aikido

Im Erleben dieses inneren Raumes wandelt sich das ernste Drama des Lebens zu einem Theaterstück in unserem Selbst. Ein Schauspiel des Lebens, das nur in uns stattfindet und dadurch seinen Schrecken verliert.
Das Drama wird als Folge des Perspektivwechsels entmachtet, aber es wird immer nach dem Greifen, was uns wieder in seinen Bann ziehen kann. Es wird alles tun, um unsere Aufmerksamkeit auf die Gedanken zu richten, damit der Mindfuck uns wieder in den Kerker des selbstkreierten Schreckens sperren kann.
Wie in einem inneren Aikido ist es aber mit Übung möglich, die Gedanken frei vorbeigleiten zu lassen, ohne Energie darauf zu verschwenden und gleichzeitig die Aufmerksamkeit auf das Fühlen der inneren Welten zu legen. Der durch die Gedanken aufgebaute innere Druck in Form von Ängsten oder Sorgen ist dabei ein willkommenes Mittel der Wahl - eine Kraft die durch bloße Aufmerksamkeit umgewandelt wird.
Im Fühlen und Verorten dieser Empfindungen im Körper, wird sowohl die Natur des Gefühls gewahr als auch Natur des Beobachters, welcher dieses Gefühl erkennt – hilfreich kann diese Meditation sein. In dem Moment wird das negative Gefühl zu einer Möglichkeit, tiefer in die Natur des Selbst einzutauchen. 

Auf diese Weise kann die Krise zum Hilfsmittel werden – nicht im Sinne des Erfinders, aber gerade deshalb umso besser.

 

Montag, 28. Dezember 2020

Leere – Abgrund oder Tor?

In bestimmten Momenten erleben wir eine Leere in uns. Ein tiefes Gefühl, dass nichts diese Leere wirklich füllen mag. Aus Gewohnheit oder weil wir es nicht besser wissen, stopfen wir das empfundene Loch in uns mit Aktivität, mit Dingen, mit Menschen oder schlimmstenfalls mit schlechtem Fernsehen. Das Gefühl von tiefgreifender Leere kann uns Trauer empfinden lassen und in eine Depression führen. Sie wird als etwas betrachtet, dass wir besser schnell wieder los werden. Wir denken, sie ist ein gefährlicher Makel, dem ein weltlicher Mangel zugrunde liegt. Menschen, welche die Leere öfters empfinden, machen jedoch die Erfahrung, dass sie nicht mit Objekten zu füllen und nicht wirklich zu beseitigen ist.

Diese Leere ist noch tiefgreifender als das Gefühl der Langeweile, welche ein Aufhänger für den letzten Text war. Die Langeweile kann noch bedient werden, sie kann durch Aktivität beseitigt werden oder wir vermögen ihre Natur rasch durch eine Frage zu entlarven. Die Leere ist in ihrem Wesen substantieller.

Es ist, als könne uns das Leben nichts wirklich Erfüllendes mehr bieten – nichts, was irgendwie von Bestand ist und nicht den fahlen Beigeschmack der Vergänglichkeit in sich trägt. Eine Weile können wir die Leere vielleicht überspielen und uns selbst Zufriedenheit vorgaukeln. Vielleicht wandern wir von Job zu Job, von Partner zu Partner, von Ort zu Ort, bloß um nach einiger Zeit wieder die Leere in uns zu spüren. Ein starker Geist, eine zielstrebige Natur kann uns dabei leicht zum Verhängnis werden, akzeptieren diese Eigenschaften doch keine Schwäche. Aber diese Leere ist keine Trägheit, keine Depression und keine Lustlosigkeit – die Unkenntnis um den rechten Umgang mit ihr, lässt sie lediglich diese Charakterzüge hervorbringen.

Wenn wir schlafen und träumen aber unser physischer Körper hungrig ist, dann kann keine erträumte Speise uns jemals sättigen. Rastlos irren wir im Traum umher und versuchen vergeblich den Hunger zu stillen. Aber es hilft nichts, wir müssen aufwachen und das Bedürfnis unseres Körpers nach Nahrung stillen.

Die Leere spiegelt ein tieferes Bedürfnis und nichts, was diese Welt zu bieten hat, kann sie füllen. Sie ist ein Ausdruck des Hungers unserer Seele, die nun diesen Traum, den wir Leben nennen, zu Ende träumen möchte und den Blick wieder auf ihre wahre Heimat richtet. Viele haben diese Transformation durchlebt und sind zunächst in einer Art Depression gelandet. Ich erinnere mich unter anderem an Bücher von Eckhart Tolle oder Jeff Foster. Das sind gute Beispiele, da beide in unserer westlichen Zivilisation an ihre Grenzen stießen, keine Erfüllung fanden und sehr eindrücklich die Phase der Depression und die empfundene Sinnlosigkeit ihres Lebens beschrieben haben. Sie wurden durch ein inneres Erwachen „gerettet“ - sie erkannten, dass sie bereits vollkommen sind und einer Illusion nachhingen, die sie fälschlicherweise Leben nannten.

Natürlich überkommt nicht jeden diese tiefe Verzweiflung und nicht jeder erlebt die Unfähigkeit, überhaupt noch am Leben teilnehmen zu können. Es ist eine Gnade, diesem inneren Ruf irgendwie entsprechen zu können. Ihn zu bedienen mit Phasen der Innenschau, mit stillem Sitzen, mit Meditation oder mit einem Lehrer, der diesen Weg bereits beschritten hat. Es bedarf für manche des Erkennens, des Differenzierens und der Stille. Für andere der Hingabe, des Dienens und der Liebe.

Gute Wege enden in der Selbstvergessenheit, in welcher das göttliche Erleben zum Zentrum des Seins wird. Die Vorstellung von einer Person geht auf diesen Wegen verloren. Verloren im Sinne von nicht existent, von nicht wichtig, da „wir als Person in einer Welt“ nur eine Idee sind, die zu lange bedient wurde. Dann kann sich die Leere in Erfüllung wandeln. Meist sogar langsam und beständig - selten sind wohl eher die überwältigenden, plötzlich explosiven Transformationen im Bewusstsein, wie von obigen Beispielen beschrieben. Es braucht auch keine mystische Erleuchtung, um die Schönheit in allem zu erkennen. Der Weg an sich ist dann Erfüllung genug.