Das anhaltende Einsperren und Aussperren, die fantasievollen
Verbote und Einschränkungen, treffen mittlerweile viele Menschen auf
unterschiedlichen Ebenen empfindlich in ihrer Lebensführung. Manche
kämpfen profan um die finanzielle Existenz, andere innerlich gegen
die Einsamkeit, wieder anderen wächst der Stress zwischen
Kinderbetreuung und Homeoffice über das geplagte Haupt.
Konstruierte Spaltung
Von allen Seiten ist zu spüren, wie Leute aller Couleur mürbe
werden. Mürbe sind die Gemüter, zermürbend die lenkende Macht,
welche das Leben in unerfreuliche Fahrwasser steuert. Zu genau
möchten viele nicht hinsehen, wollen nicht hören, dass dieser
Lockdown eine höchst politische und zugleich unwissenschaftliche
Lösung für ein medial zur Unkenntlichkeit aufgeblähtes Problem
ist.
Für viele geächtete Widerständler steckt die einst
bewegte Zeit des Aufklärens und der Rebellion im Trübsal der
sumpfigen Aussichtslosigkeit fest. Die Weichen sind alle gestellt,
der Schicksalszug hat längst seine Höchstgeschwindigkeit erreicht.
Erstaunlich ist der Opfermut der Gegenseite unserer künstlich
gespaltenen Gesellschaft. Sie steht noch immer begeistert an den
Gleisen und winkt eifrig ihrem alten Leben nach, fest daran
glaubend, dass Regierungen dazu da sind, sich ganz doll um uns zu
sorgen. Die Lektionen der Geschichte perlen an ihnen ab – ein
faszinierender Lotus-Effekt, dessen Ingredienzien (bestehend aus
kollektiver Gutgläubigkeit und Bequemlichkeit) jeden kritischen
Gedanken abgleiten lassen.
Schaltet man den Fernseher ein oder
schlägt die Zeitung auf, vernimmt man ebenfalls wenig Kritisches.
Kaum jemand berichtet über Gescheiterte, Depressive, über Suizide
und Gefährdete. Dabei knirscht es, wo man hinschaut, im
existenziellen Gebälk.
Neue Normalität = Zeit des inneren Prüfens
„The new normal“ wurde bereits, das hat man schon fast verdrängt, vor bald einem Jahr medial prophezeit - teils hübsch illustriert aber dennoch haarsträubend böse wirkend. Man hat den Verdacht, dass die Umsetzung der neuen Normalität noch gar nicht zur vollen Blüte gereift ist.
Ich
bin selbst ein auf mehreren beschriebenen Ebenen Betroffener. Das
Leben kann aber noch deutlich kreativer zuschlagen – mit mehr
Wucht und Fantasie, als es die Drahtzieher der Krise jemals mit ihren
einfachen Gemütern erdenken könnten. Dennoch will ich nicht
leugnen, dass die momentane Lage teils herausfordernd und anstrengend
ist und dass das Leben diese konstruierte Krise gerne mit weiteren
Schrecken garniert.
Irgendwie, man verzeihe mir das Wortspiel,
bin ich ein verfehlter Betroffener im Sinne von getroffen sein;
heißt: mir geht es unverzeihlich gut. Einfach, weil ich empfinde,
dass dies unser Geburtsrecht ist, weil es unserem Wesenskern
entspricht. Weil ich jeden Tag auf das blicke, was von diesem ganzen
Theater völlig unbeeindruckt ist. Und das bin ich selbst und jeder
andere ebenso. Ich hoffe, dass dies viele Menschen realisieren
dürfen, denn jene Perspektive erlaubt uns, auch in schwierigeren
Zeiten einfach mal zufrieden und gut drauf zu sein. „Gut drauf“
ist jetzt nicht unbedingt die in dem Kontext passendste
Ausdrucksweise, klingt aber griffig.
Jeder Ausdruck von Freude
oder Glück ist natürlich etwas, das immer irgendwie kommen und
gehen muss. Es kommt jedoch öfter in der Folge eines unabsichtlich
konsequent gegen den Strom schwimmenden Lebensstils, der keine
Rücksicht auf Normen und eine gelungene gesellschaftliche
Positionierung der eigenen Person nimmt. Aber wen jucken
Konventionen, gerade jetzt, wo ohnehin alles auf Talfahrt ist?
Talfahrt oder goldene Zeiten, darum geht es natürlich nicht. Im
Grunde muss die Lebensführung in jeder Lage für eine glücklichere
Ausrichtung mehr gefühlt als gedacht sein, mehr gesessen als
gerannt, mehr im Innern als im Außen. Alle Tugenden der
Rationalität, der Strebsamkeit, des Eifers, der Zielstrebigkeit sind
totaler Mist, wenn man wirklich erfüllt sein möchte.
Gesellschaftliche Normen und Tugenden dienen meist der Kontrolle und
der Ordnung; sie bringen aber niemanden ans Ziel, da sie ein falsches
Ego, ein Trugbild stärken. Und wir streben doch immer, ob in wirren
oder ruhigen Zeiten, ob wir arm oder reich sind, gefühlt oben oder
unten, mehr dem Glück entgegen.
Lass das Glück los
Kommt
dieses Glück öfter, ist die Gelegenheit da, auch dieses zu prüfen
und nicht daran zu klammern. Es kommt und geht beschwingter in
einem Raum erweiterter Gewahrsamkeit und mit gesteigerter Fähigkeit, einfach
alles loslassen zu können. In einem engen Mental-Kerker fühlt sich
das Glück hingegen nicht zu Hause. Es wird abgestoßen durch
Planung, durch Gier, durch jeden Versuch, seiner Habhaft zu werden.
Glück, genau wie bedingungslose Liebe, müssen frei fließen können.
Dieser Raum, in welchem Glück stattfinden kann, diese
Empfindung von Ausdehnung über die Sinnlichkeit hinaus, ist tiefer
als das Glück selbst. Glück ist ein Ausdruck oder eine Qualität
unserer Seele, aber selbst tiefes Glück berührt noch lange nicht
die Quelle unseres Seins. Es ist dennoch ein guter Wegweiser.
Letztendlich spielt in dem Erleben unserer Seele, unseres Selbst,
am Ende auch das Glück keine entscheidende Rolle mehr. Das Glück
mag zwar ein willkommener Besucher sein, aber es ist nicht das Ziel
der Suche. Somit ist auch jede andere Erscheinung im Leben mehr oder
weniger willkommen, aber niemals etwas, das dem innersten Frieden
gleichkommt.
Jede dieser empfundenen Bewegungen, so nett oder so
krampfig sie auch sein mögen, sind, und da wiederhole ich mich
wiederholt, Gelegenheiten, die Aufmerksamkeit zu schulen, und den
inneren Raum zu erkennen, in welchem alles stattfindet.
Aufmerksamkeits-Aikido
Im
Erleben dieses inneren Raumes wandelt sich das ernste Drama des
Lebens zu einem Theaterstück in unserem Selbst. Ein Schauspiel des
Lebens, das nur in uns stattfindet und dadurch seinen Schrecken
verliert.
Das Drama wird als Folge des Perspektivwechsels entmachtet, aber es wird immer nach dem Greifen,
was uns wieder in seinen Bann ziehen kann. Es wird alles tun, um unsere
Aufmerksamkeit auf die Gedanken zu richten, damit der Mindfuck uns
wieder in den Kerker des selbstkreierten Schreckens sperren kann.
Wie in einem
inneren Aikido ist es aber mit Übung möglich, die Gedanken frei
vorbeigleiten zu lassen, ohne Energie darauf zu verschwenden und
gleichzeitig die Aufmerksamkeit auf das Fühlen der inneren Welten zu
legen. Der durch die Gedanken aufgebaute innere Druck in Form von
Ängsten oder Sorgen ist dabei ein willkommenes Mittel der Wahl - eine Kraft die durch bloße Aufmerksamkeit umgewandelt wird.
Im
Fühlen und Verorten dieser Empfindungen im Körper, wird sowohl die
Natur des Gefühls gewahr als auch Natur des Beobachters, welcher
dieses Gefühl erkennt – hilfreich
kann diese Meditation sein. In dem Moment wird das negative
Gefühl zu einer Möglichkeit, tiefer in die Natur des Selbst
einzutauchen.
Auf diese Weise kann die Krise zum Hilfsmittel werden – nicht im Sinne des Erfinders, aber gerade deshalb umso besser.
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