Ich war öfters überrascht von einer inneren
Einladung in Form eines aufkommenden Gefühls. Erst subtil, dann
immer stärker werdend, von unbekannter Herkunft. Das Gefühl lädt
zu Beginn ein, intensiv auf die Suche nach etwas zu gehen. Etwas Aufregendes, Unbekanntes, das sich nicht richtig (be-)greifen lässt.
Wir greifen mit diesem inneren Drängen zu Beginn nach mehr
Erkenntnis, mehr Wissen, mehr Erfahrungen. Das Leben bereichern, das
Leben verstehen, das Leben bändigen... Das scheinen anfangs die Motive zu
sein, die jemanden antreiben, dem dieses merkwürdige Drängen
überkommt. Die erste Reaktion auf dieses Drängen mündet für viele in esoterischen
Welten, in psychologischen Ratgebern, in philosophischen
Weltanschauungen, in magischen Methoden und allem, was das Leben (und
natürlich uns selbst) irgendwie zu bändigen verspricht. Alles, was
halbwegs verspricht den Schmerz und den Schrecken des Lebens zu
nehmen und dabei den Erkenntnisraum zu erweitern.
Gesichter der Erlösung
Dieses beschriebene Phänomen eines starken inneren
Drängens nach einer Art - nennen wir es Erlösung - ist ein Ausdruck
dieser Reise, welche man eigentlich nicht näher benennen kann.
„Erlösung“ ist aber ein durchaus zutreffender Begriff, da sich
dieses innere Drängen als eine Suche nach selbiger interpretieren
lässt.
Im Grunde mündet die Suche nach Erlösung aber in der
Ergründung des Wesenskerns und der letztlichen Erkenntnis, dass es
in dieser, von uns akzeptierten irdischen Realität, keine Erlösung
von den Beschwerlichkeiten des Daseins und des unweigerlichen Todes
gibt. Der Tod bleibt abwartend in bedrohlicher Nähe und lässt sich
(glücklicherweise) nicht ausräumen. Wir mögen verblendet sein und
ein Weilchen daran glauben, das Leben durch Erfolg und eine gesunde
Lebensweise gezähmt zu haben – der
Tod wird uns aber stetig seine Namen in den Nacken hauchen, bis auch
der letzte seine eigene Endlichkeit begriffen hat.
Die Form der Erlösung, welche aber weder Tod noch
Leben niederringen möchte, hat nicht dieses Damoklesschwert über
dem empfindlichen Haupt schweben. Sie ist frei von den Bedingungen der
irdischen Existenz. Sie beginnt vor den Begrifflichkeiten von Leben
und Tod und hat ihren Ursprung jenseits aller Bedingungen und
Beschreibungen, jenseits der Wirkungswelt des Geistes.
Dankbare Entscheidungslosigkeit
Entsprechend
ist es dem Menschen in seiner Identifikation als Person - und damit
innerhalb der Fesseln von Existieren und Sterben - eigentlich nicht
möglich, diese Reise selbst anzutreten. Wir gehen diesen bestimmten
Lebensweg oder nicht, da gibt es keine wirkliche Entscheidung einer
Person. Es ist doch nachvollziehbar, dass Menschen, welche diesen inneren Ruf nie vernahmen, eher mit Unverständnis auf diese
esoterischen Spinner und Heilssucher blicken bzw. auf Leute die ihr
Leben der Meditation und ähnlichen lebensfernen Praktiken widmen.
Dabei ist es eine kompromisslose aber dankbare Einladung, ein unerschütterliches Drängen, das recht wenige Menschen überkommt. Begleitet von einem Hochgefühl, welches uns auffordert, uns ganz auf diese inneren Welten einzulassen. Die Stille, welche sich im Bewusstsein offenbart, die bedingungslose Liebe, so losgelöst von alten Begrenzungen, ist die beständige Richtschnur. Loslassen können, was Sicherheit und Anerkennung verspricht und verloren gehen in lichter Leichtigkeit.
Eine spezifische Qualität der Aufmerksamkeit
An
verschiedenen Stellen in diesem Blog wurde die Ergründung des Selbst
mithilfe
spezifischer Techniken besprochen. Durch gezieltes Fragen und
Innehalten hebelt sich der aktive, identifizierte Geist selbst aus.
Gleich einem Dorn, mit welchem wir einen Dorn entfernen, wird ein
Gedanke ins Bewusstsein entlassen, welcher das Gedankenleben
ausbremst. Das Innehalten in dem, was sich dabei offenbart geht mit
aufmerksamem Spüren einher.
Spüren ohne Gedanken ist ein sinnliches
Empfinden, von allem, was sich offenbart. Das Gefühl der Ausdehnung,
welche das Erkennen des Selbst oft begleitet, aber auch die Emotionen
und Körperempfindungen, die dabei Erlösung finden. Alles zu
erfühlen und „inne zu halten“ im besten Sinne des Wortes, womit
gemeint ist, dass wir diese Empfindungen aufmerksam im Bewusstsein halten.
Die
dafür benötigte Achtsamkeit bedarf einer Loslösung vom
Alltagsbewusstsein, die in erster Linie durch beständiges Üben
erreicht wird. Das dadurch gewonnene Vermögen, urteilsfrei spüren
zu können, ist unfassbar erlösend. Man kann diese Fähigkeit nur
zu schätzen wissen, wenn man sie selbst erlebt hat, da der
gesellschaftlich erlernte Impuls, über das Erfühlte nachzudenken,
diese freie Bewegung im Bewusstsein normalerweise kaum erlaubt.
Freies Erspüren sowohl innerer als auch äußerer Welten führt
immer zu dem einen Ziel: der Ergründung des Selbst, dem Erforschen
des eigenen Wesens. Jede Erscheinung, jedes noch so traurige Gefühl,
zeigt im erlösten Erspüren seinen wahren Kern und Ursprung und
wandelt sich scheinbar in Empfindungen von Liebe und Weite.
Daher wird das Loslassen immer wieder derart betont. Es ist eine Mischung aus diesem befreiten Erleben bzw. aufmerksamen Spüren sämtlicher Erscheinungen und der Fähigkeit, den Geist dabei nicht zu bedienen und die Gedanken nicht zu verfolgen. Das klingt vielleicht zunächst recht technisch, ist aber ein natürliches und freies Erleben, welches zu reiner Gewahrsamkeit führt.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen