Adam und Eva und der Sündenfall
Ich bin kein
Bibelexperte aber es macht durchaus Freude, die Geschichten aus der
eigenen Perspektive zu deuten. Eine Perspektive, die hauptsächlich
durch alternative Wege zum Christentum geprägt ist.
Die
Geschichte von Adam und Eva aus der Genesis ist allgemein bekannt.
Ebenso der Konflikt, welcher sich ergab, als Gott ihnen verbot vom
Baum der Erkenntnis zu essen: „Du darfst essen
von allen Bäumen im Garten, aber von dem Baum der Erkenntnis
des Guten und Bösen sollst du nicht essen; denn an dem Tage, da du
von ihm isst, musst du des Todes sterben.“
Das ist eine ziemlich drastische
Anweisung und man fragt sich, wieso das arme Paar überhaupt erst in
eine Versuchung gebracht wurden, der es niemals auf ewig entsagen
konnten. Ihnen wird mit dem Tode gedroht. Selbst über 900 lange
Jahre Lebenszeit sind nichts verglichen mit der Ewigkeit.
Was die Kirche dabei betont: durch den
Ungehorsam kam die Erbsünde über die Menschheit in Form aller
Beschwerden, die wir heute so kennen – insbesondere der Tod, aber
auch Schmerzen bei der Schwangerschaft, Hungersnöte, Krankheiten
etc., das volle Programm.
Wir schauen uns aber noch einen
weiteren Abschnitt an, bevor wir eine andere Interpretationsebene
berühren, die in dem Text verborgen liegt. Offensichtlich gab es die
Möglichkeit der Entscheidung, welche durch die Schlange an Eva
herangetragen wurde:„Da sprach die Schlange zur Frau: Ihr werdet
keineswegs des Todes sterben, sondern Gott weiß: an dem Tage, da ihr
davon esst, werden eure Augen aufgetan, und ihr werdet sein wie Gott
und wissen, was gut und böse ist.“
Ein weiterer Abschnitt erläutert dann,
worin die Erkenntnis letztlich bestand: „Und die Frau sah, dass von
dem Baum gut zu essen wäre und dass er eine Lust für die Augen wäre
und verlockend, weil er klug machte. Und sie nahm von seiner Frucht
und aß und gab ihrem Mann, der bei ihr war, auch davon und er aß.
Da wurden ihnen beiden die Augen aufgetan und sie wurden gewahr, dass
sie nackt waren, und flochten Feigenblätter zusammen und machten
sich Schurze.“
Es wird hier der Übergang von einer
(kindlichen) Perspektive der Unschuld hin zu einer reflektierten
Sicht auf das eigene Menschsein, inklusive Scham, beschrieben. Die
reflektierte Sicht ist das Erkennen des Selbst in menschlicher
Gestalt: die Trennung in Ich und Du, in Richtig und Falsch, in Gut und Böse. Für
Scham bedarf es der Reflektion, dass ein anderer etwas über mich
denkt und mich als getrennte Person erkennt.
Es gibt im meditativen Zustand das
Erleben des reinen Bewusstseins. Man nimmt sich nicht mehr als Person
wahr, sondern als ein Teil des göttlichen Bewusstseins, was für
mich der Vorstellung vom Paradies gleich kommt. Keine Trennung
zwischen Gott und der Welt. Keine Probleme, keine Gedanken – es ist
kein Wissen notwendig, um zu verstehen.
Der Baum der Erkenntnis führt zum Menschsein, zu den weltlichen
Probleme und der Anerkennung dieser Realität. Das bedeutet auch
Leid: von der Schwangerschaft, bis zur Essensbeschaffung und den Tod.
Das oben beschriebene volle Programm menschlicher Beschwerden.
Wer hat sich dafür entschieden? Der Text beschreibt die
Entscheidung als einen Fehler, eine Versuchung, der nachgegeben
wurde. Es wird aber auch klar, dass es keine wirkliche Wahl gab.
Einerseits war da die unwiderstehliche Versuchung, andererseits die
Verführung durch die Schlange.
Aus der Perspektive des ICH BIN,
der reinen Existenz ist da ohnehin niemand, welcher die Entscheidung
treffen konnte, außer das Bewusstsein, das Leben an sich. So musste
es also geschehen und das EINE begann, sich selbst durch viele
Augenpaare zu erleben.
Adam und Eva waren keine Menschen im
eigentlichen Sinne. Sie sind Seelen in Einheit mit Gott – da ist
keine Verwirrung, etwas zu sein, dass getrennt von Gott ist. Der
Garten Eden, das Paradies, beschreibt eben diese Einheit. Nur im
Gewahrsein dieser Einheit sind wir wirklich im Paradies.
Der Sündenfall beschreibt die Menschwerdung und die Verwirrung,
welche durch das Anerkennen der Trennung in Ich und Du geschieht. Die
eigentliche Sünde liegt darin, das zu Verurteilen, was wir selbst
sind, sich zu verlieren in Angst und Gier und die persönliche
Erscheinung des Menschseins über alles andere zu erheben. Darin
liegt das falsche Streben: eben dieses Paradies wieder herzustellen,
ohne anzuerkennen, was wir sind.
Es ist zu bedenken: dieser Glaube an die Person, an die Illusion
dieser Welt, welche im Erkennen über den Geist und die fünf Sinne
geschieht, führt zum Leid. Der strafende Gott steht sinnbildlich für
den falschen Glauben, welcher das Gegenteil vom reinen Erleben ist.
(Mentale) Erkenntnis steht dem göttlichen Erleben gegenüber bzw.
der Geist dem reinen Sein. Unser Geist trennt, urteilt und erkennt
sich selbst als getrennt. Diese Trennung kann nicht aufrecht erhalten
werden, wenn dem Geist, den Gedanken, keine Glaube geschenkt wird
bzw. wenn Gedanken nicht beachtet werden. Das Königreich im Innern,
unser eigentliches Erbe, wird wieder entdeckt, wodurch sich das
(falsche) Erkennen auflöst und der Apfel seine Wirkung verliert.
Das Bild von der Schlange mit dem Baum der Erkenntnis erinnert an
den
Äskulapstab, dem Zeichen der
Ärzte und Heilkundigen. In der Beschreibung der Kundalini, der
mystischen Schlangenkraft, finden wir ein ähnliches Bild: die
Schlangenkraft, die sich zweieinhalb mal um die Wirbelsäule wickelt.
Die Kundalini ist unser Hauptenergiezentrum, das einerseits unser
Menschsein überhaupt ermöglicht und andererseits, sofern die
Kundalini wieder angeregt wird, unsere Heimkehr in das göttliche
Reich einleitet.
Diese Kundalini oder Schlangenkraft kann in der Meditation erlebt
werden. Teils sehr drastisch und intensiv, teils langsam und sanft,
begleitet sie den Prozess der Realisation dessen, was wir sind. Bis
dahin liegt sie schlafend in der Wurzel unserer Wirbelsäule und
wartet auf ihre Erweckung.